13. Kapitel

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Als der König von der Jagd heimgekehrt war, hatte ich mir mehr als alles andere gewünscht, dass er von meinem Vater die Wahrheit erfahren würde. Es war ein inneres Verlangen gewesen, wie als würde man jemanden unbedingt küssen wollen, nur um ihm zeigen zu können, dass man ihn liebte - unnachgiebig und drängend. Es wäre alles so einfach gewesen, das Sagen und das Verstehen, das Handeln und das Fliehen, doch es musste anders kommen. Natürlich musste es das, nie war etwas einfach.
Der König war schwer verwundet von der Jagd heimgekehrt - er lag im Sterben. Mein Vater war bedrückter denn je und nur ich wusste davon, ich, die Königin und all jene unbekannte Leute, die es wussten - durch Zufall oder nicht.
Die Tür wurde aufgerissen, das Knallen schreckte mich aus meinen Gedanken. Ich hob meinen Kopf und sah den Soldaten der Königsgarde überrascht an. »Lady Stark? Der König ist tot. Euer Vater schickt nach Euch. Ihr sollt zu ihm in den Thronsaal kommen«, erklärte er sogleich.
»Warum sollte mein Vater einen der Königsgarde schicken?«, fragte ich, während ich die Hände vor meinem Körper ineinander verschränkt hatte.
»Es scheint, als wären ihm die Soldaten ausgegangen«, meinte der Mann und lief einige Schritte auf mich zu.
»Das bezweifle ich, Ser«, sagte ich, ohne zurückzuweichen.
Der Ritter streckte die Hand nach mir aus, um mich zu ergreifen, doch ich sah ihn mit fester Miene an und schoss mit der Hand hervor. Röchelnd brach er vor mir zusammen, in seinem Hals steckte ein kleines Messer. Blut spritzte und eine Lache bildete sich auf dem Boden.
Ich blickte durch den Türrahmen und lauschte. Der Soldat war allein gekommen, meine Wachen lagen tot vor der Tür. Anscheinend hatte er gedacht, er würde mich ohne Hilfe vor die Königin bringen können.
Ich spürte, wie mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmerte, und schnell atmend sah ich mich um. Ich rannte zu meiner Truhe, riss den Deckel auf und kramte darin herum. Seit unserer Ankunft hatte ich meine Sachen nicht ausgepackt, sie hatten stets in der Truhe gelegen.
Ich beruhigte mich erst wieder, als ich endlich das fand, was ich gesucht hatte: eine schwarze Hose und ein hellbraunes Oberteil. Vorne am Ausschnitt band ich es zu und dann legte ich einen schwarzen breiten Ledergürtel um meine Taille. Die braunen Wildlederstiefel schnürte ich über die Hose.
Ich hatte keine Ahnung, wann ich diese Sachen zum letzten Mal getragen hatte, doch zum Glück war ich nicht viel gewachsen in der letzten Zeit. Ich holte noch einen Trinkbeutel, welcher mit Mohnblumensaft gefüllt war, und ein Sack mit Geld hervor, die ich mir an den Gürtel band. Warum ich all dies nach Königsmund mitgenommen hatte? Seit ich ein Kind war, hatte ich es geliebt, mir Hosen anzuziehen und Schwerter zu schwingen – ich war wie Arya gewesen, ehe mich das Leben und die Pflichten einer Lady eingeholt hatten. Doch all das hatte mich nicht davon abgehalten, meine liebsten Wertgegenstände mitzunehmen.
Ich schritt herüber zu dem Leichnam und durchsuchte seine Sachen. Er trug einen Dolch und ein Schwert bei sich und diese Waffen nahm ich ihm ab. Ich steckte sie in die Halterungen an meinem Gürtel. Dann nahm ich den dunklen Umhang aus der Truhe und warf ihn mir über die Schultern. Er war schwer und verhüllte mich ganz und gar. Schließlich zog ich mir die Kapuze tief ins Gesicht, so dass man mich nur erkennen würde, wenn Licht darauf fiel.
Ich wollte gerade gehen, als mein Blick zur Truhe wanderte. Etwas Silbernes blitzte auf und ich verharrte. Langsam beugte ich mich vor und zog die Kette heraus. Es war eine Wolfskette, der Schattenwolf des Hause Starks war der Anhänger. Einst hatte mein Vater sie mir geschenkt, doch nie hatte ich sie getragen - warum, wissen nur die Alten Götter. Ich legte sie mir um und verließ mein Zimmer.
Ich stieg die Treppen hinab und versuchte dabei kein Geräusch zu verursachen. Ich hatte Angst. Mein Herz pochte so laut, dass ich befürchtete, man könnte es hören. Unten angekommen, wollte ich weitergehen, doch überall standen Wachen. Ich presste mich gegen die Wand, in der Hoffnung, dass man mich nicht entdeckte.
»Ist das Stark-Mädchen hier schon vorbeigekommen?«, fragte ein Soldat der Königsgarde, der auf die Wache zulief.
»Nein«, antwortete einer.
Der Goldrock atmete genervt aus und lief los, direkt auf mich zu. Ich zückte mein Schwert, ein leises Schaben erklang, und als der Mann um meine Ecke bog, stieß ich zu, mitten ins Herz. Er brach scheppernd zusammen, was die anderen Wachen natürlich hörten. Sie kamen ebenfalls auf mich zu. Mein Herz schlug wild gegen meinen Brustkorb, so dass es beinahe schmerzte. Mein Blut rauschte durch meine Adern in meinen Kopf, und ich hielt den Atem an.
»Hey, ihr da! Ihr sollt in den Thronsaal kommen. König Joffrey befielt es!«, befahl ein weiterer Goldrock, der soeben den Gang betreten hatte und die Wachen nun ablenkte. Sie machten kehrt, und erleichtert atmete ich aus.
Nun konnte ich die andere Seite des Ganges nehmen. Hinter ihrem Rücken schlich ich davon. Vor mir tauchte eine Treppe auf, die irgendwo hinunterführte. Ich stieg die Stufen hinab und unten angekommen, wurde ich sofort von Dunkelheit umhüllt.
Die Kellergewölbe - dunkel, verlassen und kalt. Das Schwert mit beiden Händen haltend lief ich durch die Korridore. Ich wusste nicht genau, wo ich mich befand, doch hier wirkte es, obwohl eine unheimliche Atmosphäre herrschte, sicherer als dort oben.
Ich irrte umher, mein Zeitgefühl hatte ich sobald verloren. Irgendwann gelangte ich an ein Gittertor an. Es stand offen. Ich schlüpfte hindurch und erst jetzt erblickte ich die riesigen Skelette. Drachen, schoss es mir durch den Kopf. Ich lief durch die Knochen und versteckte mich hinter eine der riesigen Rippen, durch welche man mich nicht sehen würde, wenn hier jemand auftauchen sollte. Ich rollte mich ein und zog den Umhang fester an mich. Mein Herz klopfte wild und mein Atem ging schnell.

Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt