16th Letter

264 40 19
                                    

Lieber Niall,

als ich kleiner war, galt ich immer als das Sonnenschein-Kind der Familie. Ich habe immer gelacht, immer gegrinst, war immer brav und artig. Man kann wirklich sagen, ich war total unbeschwert und extrovertiert. Ja, die guten, alte Zeiten. Damals war noch so vieles anders. Besser. So viel leichter.

Damals gab es keine so hinterhältigen Fake-Freunde wie heute. Man hat noch miteinander kommunziert & seine Freunde am Telefon gefragt, ob sie Zeit zum Spielen haben. Damals gab es kein zerstörerisches, Lügen verbreitendes WhatsApp. Kein triggerndes Instagram. Kein gar nichts. Zumindest für uns nicht.

Ein äußerst treffendes und ironisches Zitat aus meinem Lieblingsfilm "The Duff", das perfekt in diesen Brief passt und das ich einfach nur brilliant formuliert finde:
Damals gab es noch keine Emoticons, wir hatten richtige Gesichtsausdrücke. Googelt das.

Welch grandiose Ausdrucksweise, nicht wahr? Den Grad zwischen Ironie und Sarkasmus so schmal zu halten, ist in meinen Augen immer eine Meisterleistung.
Aber wen interessiert schon meine Meinung?
Richtig. Keinen.
Aber für welche Meinungen interessiere ich mich denn überhaupt? Bei wem ist es mir wichtig, dass ich weiß, was er oder sie über mich denkt?
Nun ja, von so gut wie jedem.
Auch von denen, bei denen es mir lieber egal sein sollte.

Aber das ist es nicht, Niall. Und genau diese Leute - und dadurch auch ich selbst - zerstören mich gerade Stück für Stück. Wie die Beute einer Raubkatze nehmen sie mich in kleinste Einzelteile auseinander, bis ich ihnen hörig bin. Doch bevor das vollendet sein wird, werde ich es stoppen, glaub mir.

Ich kann nicht mehr. Meine Gedanken kreisen nur noch um meine Wirkung auf andere und deren Rückmeldung zu allem, was ich tue. Der Leistungsdruck lastet stärker denn je auf meinen Schultern und ich beuge mich ihm immer mehr. Ich werde bald daran zerbrechen, Niall. Das weiß ich. Aber kein anderer merkt das. Nicht mal meine Mutter.

Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären. Meine Familie, besonders meine Mutter, kann nicht mal 10 Sekunden ihrer ach-so-kostbaren Zeit für mich opfern. Ich will ihnen etwas erzählen und werde sofort von jedem von ihnen abgewiesen. "Sag mir das später, ja? ; Ich hab' jetzt keine Zeit, check's doch mal und nerv' nicht rum ; Kannst du nicht einmal deine Klappe halten, musst du denn in einer Tour reden?" Und so etwas bekomme ich tagtäglich von ihnen zu hören.

Weißt du eigentlich, wie mich das zerreißt? Wie mich das innerlich zerbrechen lässt? Wie oft ich mir deshalb unnütz, wertlos und dumm vorkomme? Wie oft ich mich nach so einem Spruch schon in mein Zimmer verkrochen und geweint habe? Wie viele Schnitte deshalb meinen Körper zieren?

Nein, du weißt es nicht. Das weiß keiner. Kein einziger. Und das kann auch niemand wissen. Weil ich nämlich nicht über mich reden darf! So tief stehe ich in der Rangordnung meiner Familie. Nicht einmal reden darf ich, ohne dass ich mich wie das letzte Stück Dreck fühlen muss.

Aber genau das bin ich, Niall. Genau das bin ich.

Unterarme : 7 Schnitte links, 4 rechts
Oberarm : 4 Schnitte links
Beine : 5 Schnitte links, 5 Schnitte rechts

In Liebe
Amber

21st March 2016

Sheets Of Paper [Niall Horan]✔Where stories live. Discover now