*Kapitel 5*

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Jas fragte nicht was los war, nicht einmal wieso Ich wirklich weinte. Vielleicht war es ja offensichtlich, so Glasklar, aber er könnte sich auch einfach zurückgehalten haben. Die Schülersprecherin, Jana, sie kam eilig auf uns zu, zog mich sanft und mit angenehm warmen Händen aus dem Arm den Jasper fürsorglich und schützend um mich gelegt hatte, dabei sank Ich zu Boden wie ein zu schwerer Sack Kartoffeln.

Mein Offiziell Neuer bester Freund hatte mich oben gehalten als meine Beine zu schwach wurden um mein eigenes Fliegengewicht auf sich zu halten: „Was ist denn passiert Süße? Alles in Ordnung!! Wir kriegen das schon hin!", tröstend ging die Sprecherin aller Schüler vor mir in die Hocke, dabei ignorierte sie die von Schuhen und Essensresten verdreckten, hässlichen Schulfliesen und legte Ihr Knie direkt auf einer in Mayonnaise-getunkten Tomatenscheibe ab. Ich beobachtete aus tropfenden, zusammengekniffenen Augen wie sie kurz das Gesicht verzog, wie sie die Brille rückte und die Nase kraus zog, bevor sie die Tomatenscheibe mit zwei Fingern nach einem dicken Teenager warf, der ein Sandwich zwischen seinen kurzen, mit Warzen versehenen Wurströllchen-Fingern hielt, aus dem exakt dieselben Majo-Tomaten herausguckten und vereinzelt nach seinen Monsterbissen auf den Schulflur klatschten.

„Pass doch mal ein bisschen auf dein Essen auf! Lebensmittelverschwendung ist moralisch total verwerflich!!", rief sie Ihm nach, bevor sie sich wieder mir zuwandte und sich auch Jasper rechts von mir in die Hocke begab.

Nur ganz leise, mehr als kleinlaut und auch völlig beschämt erzählte Ich Ihnen von Luces und mir. Ich erzählte Ihnen wie Luc bei mir zuhause aufgetaucht war, wie er mich bezirzt hatte und auch wie er mich heute Morgen abgeholt und dann stehengelassen hatte. Dass Ich Ihn geküsst hatte erzählte Ich Ihnen nicht, jedoch starrte mir Jasper unentwegt auf die Lippen, völlig fixiert, als wüsste er es genau, ohne das Ich es je aussprechen müsste.

Er sagte lange nichts. Jasper sagte kein einziges Wort. Er legte schlicht erneut seinen starken Arm um meine Schulter, brummte vor sich hin und erklärte Jana, dass er mich nachhause fahren würde.

„Du musst das wirklich nicht", protestierte Ich, aber auch Jana hielt es für eine gute Idee, vor allem weil sie selbst noch kein Auto hatte und auf die Fahrdienste einer anderen Freundin angewiesen war, in deren Auto Ich mit großer Sicherheit keinen Platz mehr gefunden hätte: „Dafür sind Freunde doch da", meinte Jasper, als müsse er sich jeden Tag mit exakt diesen Problemen befassen, bevor er und Jana mich auf die Beine zogen und sie mir noch eine Packung Taschentücher aus Ihrem Rucksack zusteckte, nachdem sie sich verabschiedet und mir das Gesicht trockengetupft hatte.

Fast hätte Ich es gar nicht bemerkt, dass sich jemand von hinten angenähert hatte. Erst als sich ein Schatten über Jaspers tröstendes Gesicht legte, als Ich glaubte, das seine Augen sich schon wieder so seltsam verfärbten, bemerkte ich, dass es nur einer sein konnte, der eine Verfestigung von Jas Griff mit sich ziehen und eine spürbare Beschleunigung seines Pulses erzwingen konnte: „Mel, geh weg von Ihm, SOFORT!!", fuhr er mich an, packte mich am Arm und riss mich grob zu sich, bevor Ich hart gegen einen Spind donnerte und daran zu Boden ging. Ich sah Ihn ruhig an, eigentlich unpassen in dieser Situation, meinte, die Abdrücke sehen zu können, die Duft Spur, die die stark parfümierte Bitch auf Ihm hinterlassen hatte. Wie konnte Ich nur so dumm gewesen sein?

„Bist Du Irre?! Sie kann sich nicht einmal wehren!!"

Das war Jasper,

der Luces mit zusammengekniffenen Augenbrauen hart vor die Brust stieß, um MICH, das Arme Kleine Lamm in Opferrolle, vom Boden aufzusammeln wie überreifes Obst. „Keine Sorge, Ich regle das mit dem Idioten, geh Du zum Wagen...", raunte er mir zu, die Stimme tief und voll von Hass, nicht so charmant oder lieblich, wie sie bei mir war. Er wollte mir dabei die Schlüssel in die Hand drücken und mich damit aus der Schusslinie nehmen, aber Ich hatte noch etwas zu sagen, sodass Ich mich leise stöhnend in seinen Armen aufrichtete, seine geöffnete Hand, in der seine Schlüssel mich anflehten den Wagen zu suchen, Kopfschüttelnd schloss und mich Luces zuwandte, der sich mit rot-angelaufenem Kopf vor mir und dem wartenden Beschützer aufbaute.

„Verschwinde Luces, Du hast hier absolut nichts verloren. Und Du hast mir auch nichts zu sagen, was die Menschen betrifft mit denen Ich mich umgebe. Jasper ist derjenige der zu mir hält, nicht DU! Du bist ein mieser Verräter, ein unerzogenes Biest! Was glaubst Du wer Du bist, dass Du mir etwas befehlen könntest?!"

Meine Stimme, schrill und verzerrt, Ihre Botschaft aber kam an. Es war wie Hilde Domin schon in Ihrem Gedicht Unaufhaltsam schrieb:

„Wo das Wort vorbeifliegt verdorren die Gräser, werden die Blätter gelb, fällt Schnee. ... Du schickst andere Worte hinterdrein, Worte mit bunten, weichen Federn. Das Wort ist schneller, das schwarze Wort. Es kommt immer an, es hört nicht auf anzukommen....Ein Messer kann stumpf sein. Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei. Nicht das Wort. Am Ende ist das Wort, immer am Ende das Wort."

Ich wusste das Ich Ihn beschuldigte. Ich wusste auch, dass er Schuld trug.

Er war ein Mann, keiner könnte mir erzählen er hätte es Widerwillen getan, oder etwa, gar nicht bemerkt, dass es nicht Ich war, sondern eine andere. Und die Ausrede, dass es allein Ihre Schuld war, dass sie sich an Ihn drangehängt hätte... das war...und selbst wenn das so war.

Er war stark, hatte Muskeln bis in den Kleinen Zeh. Er hätte sie wegschieben müssen, sie beißen sollen oder Ihr von mir aus sogar eine Ohrfeige verpassen können, so wie Ich es getan hätte.

Aber er hatte sich entschieden.

Er hatte sich SO entschieden.

„Glaub mir Mel, Ich wollte das nicht..."

„Was meinst Du genau? Das Ich euch dabei sehe oder was?

Für wie Blöd hällst Du mich denn? Du hättest Sie wegschubsen können, sie anschreien oder was weiß Ich. Sie ist ein wandelndes Knochengerüst...Du hast Ihren Lippenstift immer noch an dir!!

Lass-

Lass mich einfach in Ruhe Luces, Ich will deine dämlichen Ausreden gar nicht hören. Es ist deine Sache, dein Problem...nicht meins. Es geht mich im Grunde auch nichts an, also....nein....Lass es einfach dabei..."

Jasper zog mich langsam zurück, raunte mir zu das wir beide zum Auto gehen sollten:

„Aber Mel!! ER ist der Feind! Nicht Ich! JASPER!!!"

Doch dieser schob mich schon, ein amüsiertes Schnauben ausstoßend, davon, rief Luces sogar noch nach:

„Man, du solltest Dir einen Psychiater besorgen und zwar einen richtig guten! Du tickst ja nicht mehr ganz richtig!"

Dann zog er mich hinter sich zum riesigen Parkplatz, richtete den wachsamen Blick immer wieder auf die im Licht schimmernden, alten Eisen-Tore, an denen Luces aufgebracht lehnte und uns mit feindseligen, beinahe tödlichen Blicken aufzuspießen versuchte, bis Ich mich plump auf den Beifahrersitz in Jaspers Wagen fallen ließ und dieser sein geliebtes rotes Schätzchen aus der Parklücke und auf den dunklen Straßenasphalt manövrierte und dann das Gaspedal und so auch den Heimweg antrat...


Neues Leben (Band 1) *Überarbeitung abgebrochen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt