Vorbereitung und Abfahrt

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PoV Gilbert

Es dauert nicht lange, bis ich die Skier, die Skistöcke und die Schuhe im Schuppen finde. Das ganze Zeug wird von mir nach draußen gebracht. Die Skier müssen noch gewachst werden, damit ich besser den Berg runterkomme. Das Wachs muss sich also auch noch irgendwo in der Hütte befinden. Also begebe ich mich wieder auf die Suche, bis ich das Objekt finde und damit die Unterseite der Skier einreibe.

Während ich also nun alles im Auto verstaue, das ich eigentlich auch nur noch selten nutze, beginne ich mir auszumalen, wie es auf der Piste so wird. Normalerweise müsste das Wetter beständig und schön bleiben, womit es auf den Bergen auch einen gewissen Auflauf geben dürfte. Das letzte Mal war ich mit West vor ein paar Jahren dort. Das Wetter war gut und es waren auch dementsprechend viele Leute anwesend. Dennoch ist es recht schön gewesen.

Auch jetzt freue ich mich wieder darauf. Diesmal werde ich mit Roddy die Pisten hinuntersausen. Da fällt mir ein – Zell am See ist in Österreich, und dort herrscht Helmpflicht. Das Ding muss ich also auch noch finden.

Da er aber auch direkt neben meinem Skizeug gelegen hat, muss ich den Helm mit Brille nur nehmen und das auch ins Auto werfen. Damit habe ich jetzt alles, oder? Mal sehen. Skier, Stöcke, Schuhe, Helm und Brille. Mein alter Skianzug müsste noch irgendwo in meinem Schrank liegen, den werde ich auch gleich mal suchen.

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Insgesamt hab ich noch eine gute Stunde gebraucht, um alles vorzubereiten. Zudem musste ich ja noch einen Koffer mit Klamotten packen, immerhin werden wir nicht nur für einen Tag dort bleiben. Ein Hotel werde ich mir suchen, sobald ich dort bin oder nachdem wir den ersten Tag hinter und gebracht haben.

Jetzt sitze ich gerade zwar wieder nur auf der Couch und mache nichts, aber nun hab ich wenigstens was, auf das ich mich freuen kann. Skifahren mit Roddy macht immer Spaß, und zwar einfach deshalb, weil er nicht wiederzuerkennen ist, sobald er auf der Piste ist. Dann ist er das Gegenteil seines sonst so ruhigen und – zugegebenermaßen – faulen Ich's. Vor etwa zehn Jahren im Winter waren West, Roddy und ich auch in den Bergen. Es war wirklich eine schöne Zeit, aber es erwies sich als Fehler, diese in den bayerischen Alpen zu verbringen. Dann stand nämlich Theo auf der Matte, einen Tag vor unserer Abreise und wollte noch etwas mit uns die Pisten unsicher machen, auf denen er sich auskennt wie sonst keiner. Für mich war dieser Tag der Tiefpunkt des Urlaubs. Das hatte genau zwei Gründe. Erstens bezeichnet er mich immer nur als 'Preiß', was soviel ist wie das bayerische Wort für 'Preuße', aber auf keinen Fall nett gemeint ist. Zweiter Grund ist eher etwas persönliches. Sobald Theo da war, hatte Roddy keinerlei Zeit mehr für mich und West, was mich ziemlich gestört hat, immerhin.. mag ich Roddy wohl etwas mehr, als ich zugeben will, und das schon seit längerer Zeit.

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Ich mache den Fernseher aus und sofort wandert mein Blick zur Uhr an der Wand darüber. Kurz vor neun Uhr abends. Langsam müsste ich mich mal hinlegen, immerhin muss ich morgen früh losfahren, wenn ich pünktlich in Zell am See sein will. Also stehe ich auf, gehe noch ein Glas Wasser trinken und dann auf mein Zimmer zu, dessen Tür ich schließe und mich ins Bett fallen lasse.

Das Einschlafen fällt mir an dem Abend leichter als ich es erwartet habe.

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Um sechs Uhr morgens klingelt mein Wecker. Schlaftrunken erhebe ich mich aus meinem Bett, gähne und strecke mich erst mal ausgiebig. Mein erstes Ziel ist das Bad, die Dusche um genau zu sein.

Besonders lange brauche ich nicht im Bad, bin ja keine Frau. Also bin ich eine Viertelstunde später auch schon in der Küche und mache mir Müsli. Damit setze ich mich an den Küchentisch und löffle es aus, während ich in Gedanken versunken bin. Ob Roddy überhaupt schon wach ist? Immerhin hat er ja nicht weit bis zu unserem Ziel. Ich muss lachen. Wahrscheinlich schläft er wirklich noch, so wie ich ihn kenne. Kaum steht er auf, wird er in aller Seelenruhe seinen morgendlichen Kaffee trinken und dazu ein Stück Kuchen oder Torte essen. Ja ja, ich kenne ihn wirklich gut. Nachdem ich meinen Job als Repräsentant verlor, hab ich auch immer wieder bei ihm vorbeigeschaut. Irgendwann hab ich aber damit aufgehört, zu sehr kam es mir so vor, als würde ich ihm sowieso nur auf die Nerven gehen. Zugegeben – ganz früher war das auch immer mein Ziel. Aber die Zeiten haben sich geändert, und ich scheinbar auch.

„Guten Morgen, Gil.", höre ich es plötzlich hinter mir ertönen, weshalb ich aus meinen Gedanken gerissen werde. Ich drehe mich nach hinten um und sehe West, der sich Kaffee macht. „Morgen, Brüderchen. Ich fahr um Viertel vor sieben los, dann bist du allein.", lasse ich ihn wissen und stehe auf, um meine nun leere Schüssel in die Spülmaschine zu stellen. West nickt nur und füllt Kaffee in seine Tasse. „Also fährst du jetzt doch mit Roderich in die Berge?" Unweigerlich muss ich lächeln. „Ja, er war so nett und hat sich Zeit für mich genommen. Im Gegensatz zu anderen Personen." Mein jüngerer Bruder lacht. „Ich weiß ganz genau, dass du damit mich meinst. Aber da lässt sich nichts dran ändern, immerhin hat mich Feli zuerst gebeten." Ein Grinsen kann ich mir jetzt nicht sparen. „Bros before Hoes scheint in deiner Welt auch nicht zu gelten, was?" West verdreht die Augen, sieht aber ebenfalls amüsiert aus. „Dafür kannst du mal wieder etwas Zeit mit Roderich verbringen. Mit dem hast du ja auch lange nichts gemacht." Mit einem Nicken stimme ich ihm zu. „Da hast du recht. Aber wenn du dich schon ständig darüber beschwerst, dass ich störe, will ich gar nicht erst wissen, wie es mit ihm wäre." - „Gil?" - „Ja?" - „Wirf mal einen Blick auf die Uhr. Ich denke dass du dann mal losfahren sollst."

Ich sehe zur Küchenuhr und erschrecke regelrecht. Wo ist die Zeit hingekommen? Leicht gehetzt stürme ich aus der Küche in mein Zimmer, greife nach einer Jacke und meinem Handy, welches ich in der Jackentasche verstaue. Kurz gehe ich noch in die Küche und winke West lächelnd zu. „Man sieht sich!" Er sitzt am Tisch und trinkt seinen Kaffee, sieht aber noch zu mir her. „Ich wünsch dir viel Spaß. Also dann.. bis bald!"

Sobald er das gesagt hat, nicke ich ihm noch zu und verschwinde dann aus der Küche. Schuhe angezogen, Autoschlüssel gepackt, verlasse ich das Haus und gehe zum Auto. Draußen liegt Schnee und es schneit auch noch immer leicht, aber hinter den Wolken ist die Sonne zu sehen.

„Hoffentlich ist das Wetter da unten etwas besser..", das murmelnd steige ich ins Auto ein und fahre los.

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Jedoch war mir in dem Moment noch nicht klar, welche sehr 'erfreuliche' Überraschung in Zell am See auf mich warten würde...



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