Der Anfang des Spiels

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Schweren Herzens betrachtete ich am nächsten Tag die schwarze Konsole und fühlte mich eigenartig dabei, einen Gegenstand von meinem toten Freund im Haus zu haben. Doch ich brauchte mehr als nur Fotos, die mich näher zu Martin führten. Gerade hatte ich die Spielekonsole am Fernseher angeschlossen, schnappte ich mir die Tüte mit den dazugehörigen Kassetten. Ich schüttete die Spiele auf den Boden, um einen besseren Blick darauf werfen zu können. Einiges kannte ich mehr oder weniger schon, anderes sah einfach nur langweilig aus. Während des Suchens nach einem Spiel, das ich ausprobieren könnte, klopfte es an meiner Tür und meine Mutter steckte ihren Kopf in mein Zimmer. ''Hase, alles in Ordnung?'' Ich gab nur ein 'hmm' von mir. ''Wenn du mit mir reden willst, wegen....ähm, du weißt schon, dann musst du wissen, bin ich für dich da, ja?'' - ''Danke, Mum.'', antwortete ich freundlich. ''Aber ich glaube, es ist noch zu früh, um darüber zu reden. Wir müssen das alles noch etwas sacken lassen...'' Ich versteckte meine glasigen Augen, indem ich den Blick einfach wieder auf den Kassetten ruhen ließ. Mama ahnte, dass die Trauer wieder in mir hoch kam, sagte jedoch nichts und nickte nur, bevor sie die Tür wieder schloss. Mit einem großen Schmerz im Hals schluckte ich. Immer dieser Kloß, den man spürt, wenn man kurz vorm Weinen ist.

Beim Durchsuchen der Spiele geriet mein Blick auf eine graue Kassette ohne Etikett. Sie zeigte nichts außer einer schwarzen Schrift, geschrieben mit Edding. Zu lesen war 'Majoras Mask'. Natürlich war ich verwundert, da das Videospiel im Vergleich zu den anderen irgendwie auffiel und ich das Gefühl hatte, dass ich es unbedingt ausprobieren müsste. Etwas sagte mir, dass es 'anders' sei, dass ich mich mit keinem anderen Spiel befassen müsste. Ob es Martin auch gespielt hat? Voller Neugierde steckte ich die Kassette in den N64 und betätigte den Anschaltknopf des Fernsehers. Während ich darauf wartete, dass der Startbildschirm erschien, beseitigte ich die anderen Spiele samt Tüte in einen meiner Schränke. Da erklang auch schon ein Ton beim Schließen der Schranktür. Ich drehte mich zaghaft um und mein Blick war wie gefesselt von dieser farbenfrohen Maske, die im Bildschirm zu sehen war. Im Schneidersitz hockte ich nun da vor dem Fernseher, nur zögerlich den Controller aufhebend. Der Startknopf wurde von mir gedrückt, dann noch einmal und sofort befand ich mich auf der Seite, auf der man laden, speichern oder ein neues Spiel anfangen konnte. Ich war unfähig sagen zu können, ob Martin dieses Spiel niemals zockte, er seinen Spielstand lediglich bloß löschte oder dieser scheinbar noch vorhanden war, da ein einziger Spielstand zu betrachten war. Doch warum hätte Martin ausgerechnet 'Ben' für diesen Stand wählen sollen? Das ergab keinen Sinn für mich, und dennoch war ich neugierig und fing an das Gespeicherte zu laden.

Was dann geschah, ließ mir das Herz beinahe in die Hose rutschen! Ausgelöst von meinem Schrecken, strömte das Adrenalin durch meinen Körper, als ein lautes Störgeräusch durch mein Zimmer schallte. 'Mist, ein technisches Versagen?', fragte ich mich selber in Gedanken, als ich mir die Ohren vor Schmerz zu hielt. Der Bildschirm war dunkel, blitzte nur manchmal hell auf. Kein Signal, nur ein schwarz-weißes Störbild, dann wieder dunkel, bis sich die Konsole von allein abschaltete. Mir war heiß und kalt zugleich. Noch immer raste mein Puls, als meine Augen auf den Fernseher blickten. Am liebsten hätte ich mich jetzt einer anderen Beschäftigung gewidmet, da das Modul kaputt schien. Doch ehe ich mir schon ausmalte, was ich statt Spielen lieber tun sollte, ging der N64 auch schon von allein wieder an. Beim Startscreen wäre ich zu gerne aufgestanden und hätte den großen, roten Powerknopf von der Leiste ausgemacht! Nur...wieso nahm ich den Controller erneut in die Hand? Mein eigentlicher Wille Majoras Mask zu spielen war sichtlich größer, als meine Angst davor, dass wieder etwas geschehen würde. Ich ließ den 'Ben'-Stand in Ruhe und fing widerwillig an, mir einen eigenen zu erstellen. 'Anna' tippte ich in das Namensfeld und begann sogleich mit dem virtuellen Abenteuer. Nachdem weißer Text erschien, der die Handlung des Spiels erzählte, erfolgte eine Anfangsszene, die einen düster nebligen Wald aufwies. Ein Junge mit blonden Haaren und braunen Stiefeln, ritt auf einem weißmähnigen Pferd. Er trug eine Mütze und eine Tunika, beides in hellgrün. Er sah bedrückt aus, war aber vielleicht auch einfach nur müde oder nachdenklich, während er seinen Kopf hängen ließ. 'Wie hieß er noch gleich? Ich kenne den doch.', schoss es mir durch den Kopf. 'Zelda?' Nein, das war doch Link, erinnerte ich mich. Lächelnd dachte ich mir: 'Zelda war doch die Prinzessin.'

Leise atmend betrachtete ich das Geschehen aufmerksam, als zwei, beflügelte Leuchtkugeln sich hinter einem Bauch zunickten, auf den Jungen in der Tunika zuflogen, und das Pferd so erschreckten, dass es Link auf den Boden warf, er ohnmächtig wurde und eine kleine Gestalt aus dem Wald geschlichen kam. Diese bunte Maske vom Startbildschirm...die trug der kleine Kerl, der sich wenig später als Horror Kid herausstellte. Die Leuchtkugeln, die ich nun als Feen benennen konnte, wurden von ihm gelobt, er lief zögerlich auf Link zu, nahm ihn seine Ocarina weg und ergötzte sich an den Tönen, die er damit erzeugen konnte. Nun wollte auch die violette Fee mit dem Instrument spielen, doch seine Schwester, die hellgelbe Fee schimpfte: ''Das geht nicht, Tael! Stelle dir nur vor, sie fiele dir aus den Händen und würde zerbrechen! Du darfst sie nicht berühren. Auf keinen Fall!'' Tael war daraufhin traurig. Doch kurz nach dem Dialog erwachte Link wieder, versuchte sich den Maskierten zu schnappen, doch das Kid floh mit dem Pferd und der Blonde war gezwungen ihnen zu folgen. Von diesem Moment an gefiel mir das Spiel schon ein wenig und ich folgte gespannt der Handlung. Erstaunlich nur, dass alles so gut funktionierte, wobei ich anfangs dachte, dass die Kassette kaputt sei. Doch wieso konnte ich diesen einen Spielstand nicht betreten? Sollte es nicht sein? Durfte ich nicht? Und wieso eigentlich nicht? Andererseits...wie will ein Spiel eine Art Bewusstsein haben, um mir mit lauten Geräuschen und dem Ausschalten der Konsole mitteilen zu können, dass ich von diesem Spielstand fern bleiben soll? Kopfschüttelnd versuchte ich nicht mehr daran zu denken, da ich an etwas Übernatürliches nicht glauben wollte. Es war nicht so, dass ich allgemein nicht daran glaubte, doch manches wäre mir sonst zu unheimlich gewesen, weswegen ich lieber gerne nach logischen Alternativen suchte.




Odium - A Ben Drowned FanfictionWhere stories live. Discover now