Es ist jemand hier

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HERMINE

Wir beschließen nicht über die Hochzeit zu sprechen, sondern es einfach zu tun. Eheschließungen bei Zauberern funktionieren genau wie bei Muggeln. Zuerst geht man ins Rathaus oder in die Stadtverwaltung und hat danach eine Zeremonie. Bei uns ist, wie bei allen Angelegenheiten, das Ministerium zuständig.
Man schreibt einen Brief und bekommt einen Antrag zugeschickt, den man ausfüllt und zurückschickt. Und daraufhin erhält man einen Termin.
Es ist eine ziemlich formale, unromantische Sache.

"Der Antrag ist gekommen,"sagt Draco eines Tages beim Essen.
"Wo ist er?"
Er sieht mich fragend an und antwortet dann:
"In meiner Hosentasche."
"Oh nein,"rufe ich,"wie kannst Du nur! Du sitzt darauf? Draco, das ist schrecklich!"
Ich springe auf und bin mit drei Schritten neben ihm, dann ziehe ich den Brief aus seiner Tasche.
"Hey,"lacht er,"ich finde nicht dass es angemessen ist, jemandem während des Essens an den Hintern zu fassen."
"Spiel Dich nicht auf Malfoy. Ich habe Deinen Hintern nichtmal berührt. Außerdem bist Du mit dem Essen fertig!"
Ich lege den Brief auf die Tischplatte und streiche ihn glatt.
"Hermine, es ist bloß ein Antrag."
Mein Blick muss sehr ernst sein, denn er weicht ein Stück zurück.
"Mag sein, dass das nur ein Antrag ist. Aber es ist ein Dokument...ein wichtiges...ein historisches wenn Du so willst!"
"Leute heiraten seit hunderten von Jahren!"
"Ja! Aber nicht wir!"
Jetzt lächelt er und obwohl ich versuche es zu unterdrücken, lächele ich ebenfalls.
Er lässt eine seiner Hände in meinen Nacken gleiten und zieht mich zu sich um mich zu küssen, was ich nur sehr kurz zulasse, bevor ich mich wieder dem Brief zuwende.
"Hast Du ihn überhaupt schon geöffnet."
"Nein. Ich dachte das tun wir gemeinsam."
"Richtige Antwort," lache ich.

Am Abend stehen wir in der Eulerei, mit dem fertigen Antrag. Ich starre ihn ewig an bevor ich ihn der kleinen braunen Eule, zusammen mit einem Keks gebe.
"Alles in Ordnung. Du bist so still!"
"Es fühlt sich komisch an."
"Was? Die Aussicht mich zu heiraten. Na, schönen Dank auch!"
"Du weißt genau dass ich das nicht meine!"
Er nickt und wir setzen uns auf einen Mauervorsprung, während unser Brief auf seine Reise geht.
Eine ganze Weile sehen wir aus dem Fenster bevor Draco schließlich sagt:
"Es tut mir leid. Alles. Du solltest eine ganz normale Beziehung zu jemandem haben. So wie Weasely und Potter sie haben. Oder Longbottom und Lovegood...Du solltest Dir nicht kurz vor den Abschlussprüfungen Gedanken über eine Hochzeit machen...noch dazu eine wie wir sie haben werden."
"Ich habe "ja" gesagt, erinnerst Du Dich?"
Er lächelt und blickt weiter geradeaus.
"Ich finde wir haben eine normale Beziehung!"
Jetzt sieht er mich an.
"Wir?"
"Ja wir. Gemessen an dem was Du und ich allein in den letzten paar Monaten durchgemacht haben, ganz ohne die Dinge aus den vergangenen Jahren, finde ich uns sogar ganz erstaunlich normal. Geradezu bemerkenswert normal! Ich bin der Meinung, dass wir uns eigentlich ganz schön verrückt aufführen dürften."
"Naja...findest Du nicht, dass die Hochzeit zählt!"
"Definitiv,"mache ich, während ich die Augenbrauen hebe und nicke.
Er lacht, rückt näher an mich heran und legt seinen Arm um mich. Mir entgeht nicht, dass er ein leises zischendes Gräusch von sich gibt. Der Arm tut eigentlich bei jeder Bewegung weh.
"Weißt Du Draco. Ich will das alles, ich will es genauso. Ich bin keine dieser Frauen, die sich schon als kleines Mädchen ihr Brautkleid vorgestellt haben. Für mich ist interessant was danach kommt. Ein riesiges Fest kann jeder haben. Ich will alles was danach kommt!
Dich, wie Du zur Tür reinkommst nach Deinem ersten Tag im St. Mungos und mir erzählst wie es war...und dann erzähle ich Dir wie es bei mir war, Du machst irgendeinen Witz und danach essen wir gemeinsam. Dich, neben mir, jeden Tag, ohne dass es seltsam ist oder beobachtet wird."
"Warum fühlst Du Dich dann komisch?"
Ich seuftze tief.
"Weil meine Eltern nicht da sein werden. Weil meine Mum nicht da sein wird um mich zu einem Kleid zu überreden, dass ich hassen würde,"ich lache leise bei diesem Gedanken," weil mein Dad nicht so tun kann als würde er es ganz normal finden dass ich heirate, nur um sich dauernd heimlich die Augen trocken zu tupfen. Ich fühle mich komisch, weil meine Zukunft so klar vor mir liegt, meine Vergangenheit aber beinahe nicht mehr existent ist. Meine Eltern fehlen mir so sehr...und mir fehlen auch Harry und Ron. Sie waren meine besten Freunde seit ich 11 bin, sieben Jahre lang. Manchmal glaube ich, dass ich sie alle im Stich gelassen habe."
"Aber das hast Du nicht! Du tust genau das Gleiche was sie auch tun, Du machst weiter. Wir alle haben diesen Krieg erlebt und wir alle waren dabei als er zu Ende gegangen ist. Und anschließend haben wir versucht mit dem Erlebten zurecht zu kommen. Jeder musste für sich entscheiden.
Glaubst Du dass sie nicht mehr Deine Freunde sind, nur weil ihr nicht die Gelegenheit habt Euch zu sehen?"
Er hält inne, wahrscheinlich weil er weiß, dass es mit Ron ein wenig komplizierter ist.
"Glaubst Du Ron wird jemals wieder mit mir reden?"
"Wenn ihm je etwas an Dir gelegen hat, dann wird er es tun. Außerdem bezweifle ich, dass ihm dauerhaft etwas anderes übrig bleibt. Du bist die beste Freundin seiner Schwester. Und ich glaube, dass sie ihm in den Hintern treten wird, wenn er es nicht zumindest versucht."
"Ich hätte so gern dass alle zufrieden sind."
Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und bettet sein Kinn auf meinem Kopf.

"Das,"sagt er,"ist unmöglich!"

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Die darauffolgenden Wochen vergehen wie im Flug. Ich beschäftige mich mit meiner Bewerbung und meiner Reiseroute. Und ich genieße die Normalität, den Alltag, eine Zeit in der ich mich als einfache Schülerin des Abschlussjahrganges fühlen kann...

...solange bis die letzte Woche vor den Prüfungen anbricht und ich mit Luna in Professor Trelawneys Unterricht im Astronomieturm bin.

Das Thema sind düstere Prophezeiungen.
Sie referiert gerade über eine berühmte Hexe aus dem 17. Jahrhundert.
Wie immer bemühen wir uns alle sehr darum, nicht zu kichern, wenn Professor Trelawney, mit ausladenen Bewegungen, von den Aufzeichnungen und den Bemühungen spricht, die Agnes Thistle angefertigt und unternommen hat, um ihren Mitmenschen die schrecklichen Vorahnungen zugänglich zu machen, die sie heimsuchten. Die zu dieser Zeit üblichen Hexenprozesse- und Verbrennungen in der Muggelwelt, machen die Geschichte ziemlich bedrückend, so dass es uns heute leichter fällt beim Thema zu bleiben.

Professor Trelawney ist uns allen so sehr ans Herz gewachsen, dass wir uns schämen wenn wir über sie lachen müssen. Immerhin sind wir ihr Leistungskurs.
Die einzige, der es in ihrem Unterricht nie an Ernsthaftigkeit fehlt, ist Luna.
Für Luna sind ungewöhnliche Menschen und Dinge etwas mit dem sie aufgewachsen ist und sich täglich beschäftigt. Ihr Zugang zur Thematik ist ein völlig anderer. Luna weiß Dinge, auch wenn sie sie nicht wissen kann.

Plötzlich verstummt Professor Trelawney mitten im Satz und blickt uns durch ihre riesigen Brillengläser an.
"Heute sind mehr Schüler hier als gewöhnlich," stellt sie fest.
Alle sehen sich um, Pavarti Patil zählt stumm und sagt dann:
"Nein Professor. Wir sind 12, wie immer."

"Aber ich spüre eine Präsenz,"ist die schlichte Antwort, begleitet von einer kreisenden Bewegung beider Arme.

"Wirklich Professor. Hier ist niemand außer uns."

Aber sie ist bereits völlig fasziniert von ihren eigenen Gedanken. Sie beugt sich vor und hebt ihre Brille an, mustert uns mit zusammengekniffenen Augen...unwillkürlich fragen wir uns, wieviel sie ohne die dicken Gläser überhaupt sehen kann.

"Sie ist weiblich!"

"Wer,"fragt Dean, nun vollends verwirrt und mit zitternder Stimme. Ich muss in mich hineingrinsen. Das Tischthema beim Abendessen kenne ich bereits. Dean gruselt sich häufiger in diesem Unterricht und war bei den Ausführungen gerade schon ganz blass.

"Die Präsenz," singt Professor Trelawney, " die Präsenz ist weiblich!"

Jetzt fühlen wir uns alle unwohl. Ich kann es den Gesichtern der Anderen ansehen, aber als die Stimmung wirklich zu kippen droht, setzt Professor Trelawney den Vortrag über die Prophezeiungen der frühzeitlichen Hexe, exakt an der Stelle fort, an der sie ihn unterbrochen hat.
Nach 20 Minuten fragen wir uns bereits, ob wir uns ihren "Ausflug" nur eingebildet haben. Ich habe inzwischen begonnen mir Notizen zu den einzelnen Prophezeiungen zu machen,

als es plötzlich wieder still wird.

"Miss Granger,"flüstert Professor Trelawney und mir läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter als ich von meinem Notizblock aufsehe, die riesigen, eulenartigen Augen auf mich gerichtet finde...und nach und nach auch die meiner Mitschüler.

"Miss Granger, SIE ist mit Ihnen hier!"

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