8. Kapitel

6.4K 258 9
                                    

Der Abschied war sehr schwer. Auch wenn es nur für 3 Wochen war, in denen Bekim mich auch besuchen kam und wir eh andauernd telefonieren würden, war ich traurig. Weinen tat ich nicht, denn ihr wisst ja, zeigt niemals vor anderen wie schwach ihr seid oder wie sehr euch etwas verletzt. Als wir so am Bahnhof standen und auf den Zug warteten, atmete ich nochmal tief durch. Mir wurde erst jetzt so richtig bewusst, was da auf mich zu kommen würde. Das würde Papa noch bereuen. Ich meine, ich bin doch nicht die, die für ihn die Drecksarbeit erledigt oder mit der er machen kann was er will. Soll er doch mal überlegen, wieso meine Noten so sind.
Der Zug fuhr ein und ich fing an zu zittern. Bekim bemerkte es und hielt mich im Arm. Als der Zug angehalten hatte, verabschiedete ich mich von Mama und Papa per Wort. Ihre scheiß Küsse und Umarmungen konnten sie sich echt sparen, sie hätten gar nicht erst mit zum Bahnhof kommen müssen. Gott, wie ich sie dafür hasste. Und wie ich es hasste, wie sie vor Bekim immer auf heile Welt taten, wenn die wüssten, was er alles weiß. Ich lief ein Stück mit Bekim und fiel ihm dann weinend in die Arme. Ich wollte doch nicht weinen. Schnell wischte ich meine Tränen weg. Ich umarmte ihn noch mal und küsste ihn auf die Wange.
"Tschüss Dummkopf und bau kein Scheiß ohne mich." grinste ich.
"Pass auf dich auf Prinzessin." lächelte er. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
"Und jetzt hau schon ab, wir sehen uns nächste Woche Kleine."
Daraufhin ließ ich seine Hand los, die ich in die Hand genommen hatte und stieg mit meinem großen Koffer in den Zug. Ich setzte mich ans Fenster sodass ich Bekim noch sehen konnte, bis der Zug losfuhr.
Jetzt durfte ich mir erstmal 4 Stunden Zugfahrt antun. Eine Mutter saß mit ihren drei Kindern gegenüber von mir. Die Kids waren noch klein, nicht älter als 6. Das jüngste vielleicht 1. Es schrie und die Frau tröstete es. Doch in der Zeit lief das andere im Zugabteil herum. Die Frau rief es. Ich glaube sie war sehr überfordert. Ich legte meine Kopfhörer ab und beobachtete die Situation noch ein bisschen. Da kam das älteste der drei Kinder auf mich zu.
"Darf ich mich zu dir setzen? Meine Geschwister nerven mich." sagte der kleine Junge.
Seine Mutter rief ihn gleich zu sich und schaute mich mit einem entschuldigenden Blick an.
"Schon gut" sagte ich und stellte meinen Rucksack bei seite.
"Wo fährst du hin?" fragte der Kleine.
"Zu meiner Tante und du?"
"Nachhause." lächelte er.
Wir unterhielten uns eine Weile. Er war richtig lieb und süß. Ich habe heraus gefunden, dass er Liam hieß und bei seiner Oma war. Er war 6 Jahre alt.
Zwischendurch grinste seine Mutter uns an.
"Darf ich auch mal hören?" fragte er mich.
Ich gab ihm einen meiner Kopfhörer und so hörten wir zusammen Musik.
"Gefällt es dir?" fragte ich ihn und er nickte eifrig.
Wir waren ca eine viertel Stunde vor dem Zielbahnhof entfernt. Ich hatte die ganze Fahrt mit Liam verbracht. Er war echt goldig.
Als wir am Bahnhof ankamen, standen wir auf und ich nahm meinen Rucksack und meinen Koffer. Ich war aus dem Zug heraus gegangen und wartete jetzt auf meinen kleinen Freund um mich bei ihm zu verabschieden. Als er auch raus kam mit seiner kleinen Schwester an der Hand und seine Mutter hinter ihm mit dem Baby auf dem Arm und dem Koffer in der Hand bückte ich mich zu ihm runter.
"Tschüss kleiner Mann und pass gut auf deine Geschwister auf."
"Mach ich und dir viel Spass." lächelte er.
"Danke."
Seine Mutter lächelte mich an.
Er umarmte mich noch kurz und dann ging ich Richtung Ausgang, wo meine Tante auch schon auf mich wartete. Na jetzt konnte der Albtraum ja beginnen. Genervt ging ich auf sie zu.

Verrückt nach ihrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt