Das Angebot

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Die Nacht brach auf Berk herein. Einige Wolken zogen vor dem Vollmond dahin und verdeckten ab und zu die Sicht auf das kleine verschlafene Dorf, welches sich schon seit Wikinger gedenken an diesem Fleck befand. Die Brandung klang sanft und rauschte lese vor sich hin, während im Dorf oben langsam die Lichter aus gingen. Der Abend war ruhig. Nichts störte diesen mal von Drachenattacken verschonten Ausklang des Tages.

Einige Wikinger befanden sich noch in der großen Halle und tranken etwas Met. Sie feierten eine gute Ernte für dieses Jahr und viele weitere Erfolge, die zu verbuchen waren. Pütz und Mulch zum Beispiel hatten ein Rekordjahr, was neu geborenen Schafe anging. Vierzig neue Lämmer erblickten das Licht der Welt und grasten schon mit ihren Müttern auf den Weide etwas Abseits des Dorfes. Mehltau konnte so viel Kohl ernten wie noch nie und verkaufte diesen an Händler Johann zu guten Preisen. Der sonst so grantige Griesgram schien richtig fröhlich zu sein und trank gemeinsam mit den anderen glücklich sein Met.

Wer auch dabei war? Hicks Horrendous Haddock der Dritte. Er war für einen Wikinger ziemlich dünn und hatte wenige Muskeln. Er konnte ja nicht mal eine Axt richtig hoch heben, um Holz damit zu bearbeiten. Aber das wollte er auch gar nicht. Mit Herz und Seele widmete er sich nur einer Aufgabe, die er nicht nur als solche sah. Nein, es war seine Bestimmung, die sich der schmächtige fünfzehnjährige eingeredet hatte: Drachentöten. Aber fehlte ihm die Kraft dazu und er schien auch sonst nicht sehr dafür geeignet zu sein. Doch er benutze Köpfchen statt Muskeln. Immer wieder baute er neue Erfindungen, die ihm die Jagt und das Töten von Drachen erleichterten. Zwar hatten die ersten Prototypen das halbe Dorf in Schutt und Asche gelegt, doch er verbesserte sich.

Grobians Schmiede war sein Ausgangspunkt dazu. In einem Hinterzimmer standen alle Projekte, denen er sich bisher gewidmet hatte. Zwar war der Dorfschmied nicht ganz so begeistert gewesen, dass Hicks da etwas völlig neues baute, doch ließ er ihn. Sonst konnte der Sohn von Haudrauf dem Stoischen ja nichts weiteres tun.

Die anderen Jugendlichen mieden ihn zum größten Teil und gar schlimmer. Sie lachten ihn aus. Er sei kein Wikinger nur ein feiger Hicks und nichts anderes. Das belastete den Jungen sehr und fraß ihn förmlich von innen heraus auf. Doch wen kümmerte es? Hicks versuchte irgendwann durch seine Erfindungen noch Berühmtheit zu erlangen, als der Wikinger, der einen Nachtschatten vom Himmel holen würde. Natürlich hätte das obligatorische Töten der Bestie gefolgt. Wenn er etwas tun würde, dann wäre er nicht mehr der Hicks, der nichts konnte, Nein. Dann wäre er Hicks, der Drachentöter. Das war das einzige Ziel, was er vor Augen führte und er arbeitete mit eiserner Hand daran, dieses auch zu verwirklichen.

Die Flügeltüren der großen Halle schwangen auf. Kurz blickten die Wikinger zu dem gewaltigen und reich verzierten Tor, als sie nur sahen, dass Hicks sich Eingang verschafft hatte. Es war zwar spät, doch knurrte sein Magen höllisch. Nachdenken fordert halt mehr Energie als Muskeln und so schritt er gesenkten Hauptes zum Feuer, holte sich ein Stück von dem gegrillten Hühnchen und suchte sich irgendwo einen Platz.

Er wollte nicht mit den anderen in Kontakt treten. Sie mieden ihn doch sowieso. Lieber verkroch er sich in die finsterste Ecke und verspeiste sein Mal alleine. Er holte sich nur noch eine Keule, packte sie auf einen Teller und wollte sich gerade wieder verkriechen, als plötzlich eine alte Stimme seinen Namen rief. „Hicks, komm doch rüber zu uns. Hier ist noch ein Platz frei!" Diese Worte hatte er noch nie gehört.

Er blickte kurz aus und sah sich um. War es auch wirklich kein Scherz von irgend jemand gewesen? Denn das hatten sie schon so oft gemacht. Rotzbacke und seine Gruppe, bestehend aus Raffnuss, Taffnuss, Fischbein und Astrid. Sie hatten ihm schon manchmal die fiesesten Streiche gespielt. Einmal hatten sie ihn zu sich gebeten, mit ihm zu essen. Zu spät bemerkte er, dass die Bank mit Pech voll gekleistert war. Kurz nachdem er sich setzte, kam er nicht wieder hoch. Er klebte fest und konnte sich nicht rühren. Ausgelacht von den anderen, musste er den Spott über sich ergehen lassen. Dann fühlte er sich immer am miesesten. Es war so, als würde jeder einzelne von ihnen einen Speer ins Herz rammen. Einen Speer, der nicht einfach nur drin stecken bleib. Manchmal kam es ihm so erniedrigend und verletzend vor, als würden sie diesen Speer immer tiefer in ihn hinein graben, die Klinge drehen und und sie langsam mit schmerzen wieder heraus ziehen, nur um sie noch einmal in sein Herz zu rammen.

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt