Weiße Punkte

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Der Schmerz ließ nicht nach. Ich war knapp an der Bewusstlosigkeit. Ich konnte schon den Schuss hören, doch er war nicht für mich bestimmt. Die Person vor mir taumelte und fiel nach hinten. Ich stützte mich mit einer Hand am Tresen ab und atmete tief durch. Jeder Atemzug schmerzte. Ich konnte das Blut fließen spüren, wusste aber noch nicht genau, wo die Verletzung war. Schritte kamen näher. Es war aber kein Angreifer, sondern dieser Typ, den ich nicht kannte. "Was hat das zu bedeuten?", fragte ich ihn. "Wenn Sie überleben wollen kommen Sie mit.", sagte er mit ernster Miene und hielt mir seinen schwarzen Mantel hin. Ich zog ihn mir an und ging langsam hinter der Bar heraus. Er sah mich erschrocken an und griff mir unter die Arme. Wir gingen aus dem Diner und rein in die Menge von New York. Mir tat alles höllisch weh, doch ich sagte nichts. Ich wusste nicht einmal seinen Namen. Wir stiegen in eines der gelben Taxis. "Fahren Sie uns so weit wie möglich aus der Stadt raus.", der Kerl nickte und fuhr los. Ich griff mir an die linke Taille. Ich biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, öffnete sie aber gleich wieder. "Alles in Ordnung?", fragte der Mann von neben an mich. Er lächelte sanft. Seine Lächeln ließen meine Schmerzen für eine Sekunde verfliegen, doch sie waren gleich wieder da. "Jaja.", antwortete ich. Nach einer 20 minütigen Fahrt, stiegen wir aus. Der Blutfleck wurde immer größer an meiner Hüfte. Meine Finger waren auch voll von rotem Lebenssaft.

Er half mir wirklich viel, da ich kaum gehen musste und er mich durch seine muskulösen Arme mitzog. Mitten im Wald blieben wir stehen und ich konnte mich endlich setzen. Er sammelte ein wenig Holz und machte Feuer. Die Nacht war kühl, doch durch das Feuer und dem Mantel, war mir warm. Er kam näher: "Darf ich mir das mal ansehen." Ich nickte stumm. Vorsichtig schob er den Mantel weg. Er verzog sein Gesicht. Aus der Manteltasche zog er einen schwarzen Schal. "Das könnte jetzt ein wenig wehtun. Falls du es nicht mehr aushältst, sag Bescheid." Ich nickte wieder. Er schlang den Schal um meine Hüfte und begann fest zuzuziehen. Ich ließ ihn einfach arbeiten und biss meine Zähne wieder zusammen. "Ok, ich glaube das genügt.", hauchte er und setzte sich neben mich. Er stocherte mit einem längeren Ast im Feuer herum. "Wie heißt du eigentlich?", fragte ich neugierig und rieb meine Hände aneinander. "Sebastian. Und du?", er lächelte mich schon wieder an. Er brachte mich damit völlig aus der Fassung. Jedes Mal, wenn er mich so ansah, setzte mein Herz für einen Schlag aus. "Sharron.", entgegnete ich. Wir brauchte beide nichts zu sagen. Wir wussten es. Die Liebe war eine wörterlose Sprache, die jeder einmal beherrscht. Man kommuniziert über die Augen. Sah denjenigen nur an und es war alles gesagt. Wir kamen einander näher. Immer näher, bis sich unsere Lippen berührten und die Zeit erstarrte. Es war unbeschreiblich schön. Wir lösten uns und keiner sagte etwas. Es war, als würde er in mich hineinsehen. Ich verlor mich in diesem Blau. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Ich sagte nichts, doch es wurde noch schlimmer. Meine linke Körperhälfte scheint taub zu werden, doch ich will diesen Moment jetzt nicht verderben.

Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Jemand rüttelte an mir. Ich öffnete meine Augen. Sebastian kniete vor mir. Mein Gesicht war ganz verklebt und ich konnte mich nicht aufsetzen. Es wurde langsam schwarz. Ich bin verblutet. Es hat sich nichts gebracht. "Sharron...", rief er mich, doch damit erreichte er auch nicht mehr viel. Ich hob noch gerade so meine Hand, um sein Gesicht zu berühren. "Pass auf dich auf Sebastian.", ich schloss meine Augen und wusste, ich würde sie nie wieder öffnen. Ich hoffe Sebastian passiert nichts.


Sebastian...

Ich wurde wach und an meiner Hand klebte etwas Rotes. Es war Blut. Sharron. Sie war wenige Zentimeter neben mir und meine Herz setzte für einen Moment aus. Sie lag in einer Blutlacke. Ihr halbes Kleid war angesaugt. Ich habe nicht fest genug zusammengebunden. Ich habe Angst gehabt, ihr weh zu tun und deswegen ist sie dem Ende nahe. Ich kniete mich vor sie hin und war am Boden zerstört. Was soll ich tun? Kurz rüttelte ich an ihrem Körper und sie öffnete sachte die Augen. Mit zittriger Hand, strich sie mir kurz über das Gesicht. "Pass auf dich auf Sebastian.", mit diesen Worten schloss sie ihre Augen und ihr Atem verstummte. Ich kniete nur da und starrte auf ihren reglosen Körper. Begann langsam den Tränen freien Lauf zu lassen. Die näherkommenden Schritte ignorierte ich. Ich wusste was jetzt passiert. Ich schloss einfach meine Augen und ließ es geschehen.  Der Schuss. Mein Ende. Ich wurde schon lange von diesen Attentätern verfolgt. Sie haben immer alle Menschen niedergeschossen in der Hoffnung, mich auch getroffen zu haben, doch nie. Jetzt war mir mein Leben egal. Ich fiel zur Seite und machte meine letzten Atemzüge. Ich habe es nicht bemerkt, doch eine Hand fiel auf ihre. Es war vorbei. Für uns beide.


Die Polizei fand ein schreckliches Bild vor. Alle dachten ich hätte Sharron zuerst umgebracht und dann mich selbst, oder umgekehrt. Doch dem war nicht so. Es waren diese Killer, die mit allem angefangen haben. Wäre ich nicht in dieses Diner gegangen, in der Hoffnung, sie würden mich nicht finden, hätte ich nie das Leben von Sharron aufs Spiel gesetzt. Niemand wäre gestorben. Nur ich, doch ich war zu dumm, es zu begreifen. Hätte ich mich gestellt, wären so viele Menschen nicht gestorben. So viele.....


Winter Heart | One-ShotWhere stories live. Discover now