Kapitel 4

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Das Erste was ich tat war einfallslos aber effektiv - ich googelte „Auto abschleppen lassen".

Aber um den Cadillac abschleppen zu lassen mussten wir unsere nicht vorhandenen

Fahrzeugpapiere vorzeigen, was ein wenig ungünstig war, wenn man bedachte, dass uns der Wagen gar nicht gehörte.

Also googelte ich gleich darauf „Auto mit anderem Auto abschleppen" und erfuhr von etwas, dass sich Abschleppseil nannte. So weit so gut.

Das Doofe war nur, dass man um ein Abschleppseil zu benutzen a) Jemanden mit einem Auto und b) ein Abschleppseil brauchte.

Also beschloss ich, auf Whisky zu warten, weil sie ziemlich eindeutig die geselligere von uns Beiden war.

Es dauerte gute drei Minuten, bis Whisky wiederkam, in denen ich probeweise an meinem viel zu heißen Kaffee nippte und feststellte, dass wir vergessen hatten uns Milch oder Zucker mitzunehmen. Angewidert zog ich die Mundwinkel hoch.

Wortlos nahm mir Whisky meinen Becher aus der Hand - um nicht zu erwähnen, dass sie einen eigenen hatte, den ich griffbereit in der anderen Hand hielt - und nahm einen großen Schluck, nur um dann ebenfalls das Gesicht zu verziehen und ein paar Mal mit den Schultern zu zucken, als würde sie den bitteren Geschmack so irgendwie aus ihrem Körper hinausschütteln können.

„Der ist ungesüßt", merkte ich an und nahm den Kaffee, den sie mir so schwungvoll hinhielt, dass er sich fast über mein Hemd ergoss, entgegen.

„Ach ne", schrie sie, gefolgt von variierenden Flüchen.

Ich zuckte die Schultern und nippte selbst noch einmal an dem Kaffee, der nach dem ersten Schock eigentlich ganz okay war.

„Dachte ich erwähn' das mal."

Whisky unterbrach ihren merkwürdigen Tanz aus unkoordinierten Schritten und wildem Händefuchteln und warf mir einen bitterbösen Blick zu.

„Sehr aufmerksam von dir"

Ich zuckte mit den Schultern.

„Und lass mich raten - Hilfe hast du auch nicht gefunden?"

„So halb"

„Halbe Hilfe", stellte sie fest, auch wenn es mehr wie eine Frage klang.

Ich zog mein Handy aus der Tasche, rief den Screenshot, den ich vorsichtshalber von dem erfolgreichen Ergebnis meiner Googlesuche gemacht hattte, auf und hielt es ihr hin.

Sie überflog die kleine Schrift.

„Du hast also ein Abschleppseil?"

„Ich weiß, dass man eins braucht."

„Natürlich."

Ihr Kiefer bebte. Ich beschloss, nicht mehr absichtlich zu versuchen, sie zu provozieren und steckte das Handy in meine Tasche.

„Ich dachte du wärst bestimmt besser im Besorgen.", schob ich nach.

Sie seufzte. „Da hast du vielleicht Recht."

Und dann ließ sie mich stehen und redete mit einem Typen, der dabei irgendein Benzin in sein Auto goss und dabei federte sie auf ihren Zehenspitzen und strich ihre Haare hinter die Ohren und irgendwie erinnerte mich das furchtbar an Hester und dann vermisste ich Hester plötzlich ganz schrecklich, bis ich begriff, dass Hester eine Metapher für Zuhause war und dann wollte ich nachhause.

So sehr, dass ich den Tränen nahe war, als ich merkte, dass Whisky auf mich deutete und kurz darauf mit dem Typen auf mich zukam.

„Felix, Tommy.", erklärte sie ihm und meinte dann zu mir gewandt: „Tommy, Felix."

„Thomas", erwiderte ich, an den Typen gewandt.

Felix lächelte kurz, und ich war mir ziemlich sicher, dass er sich für meinen Namen ungefähr so sehr interessierte, wie für die die Namen aller 150 originalen Pokémon, als er meine Hand schüttelte.

Die andere reichte er Whisky und führte sie zurück zum Wagen.

Ich beschloss, einfach mal hinterher zu laufen, weil, etwas anderes blieb mir ja nicht wirklich über.

Und das stellte sich auch als die richtige Entscheidung heraus, denn wenn ich mich nicht ungefragt auf die Rückbank gequetscht hatte, wäre ich mir nicht sicher gewesen, ob Whisky an mich gedacht hätte. Und ob sie mich - angenommen sie hätte an mich gedacht - auch mitgenommen hätte.

Zuerst hörte ich zu, worüber die Beiden auf den Vordersitzen redeten, aber als Felix zum Dritten mal von seiner Position in irgendeinem unwichtigen Lacrossteam berichtete ließ ich meine Gedanken abschweifen und dachte stattdessen über Portland nach, und darüber, was meine Eltern gerade taten.

Dann fiel mir ein, dass ich gar nicht dazu gekommen war, ihnen eine Nachricht zu schreiben, also tippte ich eine kurze Nachricht in das Chatfeld, schickte sie mit einem schlechten Gefühl im Bauch ab, leitete sie dann an Hester weiter und schaltete Das Telefon dann aus.

Erst als ich damit fertig war, bemerkte ich, dass wir standen und dass Felix sich am Kofferraum zu schaffen machte, während Whisky ein paar Meter die Straße runter an dem Graben entlanglief und allem Anschein nach den Cadillac suchte. Ich lehnte mich zurück und schloss erschöpft die Augen.


"Schreib doch einfach, du freust dich über Kommentare" - July_novels

"Hm. Joa." -Ich

(Anm. des Autors)


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