Kapitel 1

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Kopfschüttelnd lief sie neben mir her. Ein Auto piepte zweimal, dann steckte sie den Autoschlüssel wieder ein – keine Ahnung wo sie den überhaupt her hatte – und eilte vor, um als Erste einzusteigen.

Sie fuhr einen Transporter, nicht neu, nicht alt, hohe Türen und eine große, offene Ladenfläche.

Ich beschloss, einfach mitzumachen. Alles andere würde nur noch peinlicher werden, als die Situation sowieso schon war und so riss ich die Beifahrertür auf und hievte mich auf den Sitz.

Das Auto roch überraschend gut, was, wie ich später feststellte, an einem kleinen Zitronen-Duftbaum lag und recht ordentlich war es auch. Lange Zeit, mich darüber zu wundern hatte ich allerings nicht.

„Ich bin Whisky", murmelte die Blauhaarige neben mir fast widerwillig, nachdem sie den Motor angelassen hatte, als wäre ihr Name ein Schatz, den zu kennen sie mir nur ungern zu kennen gewährte.

Dabei war ich mir sicher, dass Whisky nicht ihr richtiger Name war. Ziemlich sicher sogar. Ich meine, wer nennt sein Kind schon Whisky?

Aber ich hatte keine Lust zu diskutieren, deshalb fragte ich nicht weiter nach und beschwerte mich auch nicht, als sie irgendeine CD einlegte, auf der mehr Geschrei als wirklicher Gesang zu hören war.

Stattdessen versuchte ich die Fahrt einfach auszublenden und dachte darüber nach, warum um Himmels Willen ich mich auf diese Party eingelassen hatte. Es war fast Mitternacht und unter normalen Umständen würde ich wahrscheinlich gerade eine letzte Folge Breaking Bad gucken, meinen Tee austrinken und mich langsam hinlegen. Vielleicht würde ich noch einen Blick in meinen Laptop werfen, meine Emails checken oder ein wenig Zeichnen. Hester würde mir ein Foto von ihr schicken, mit Leuten, die ich nie in meinem Leben gesehen hatte und ich würde ihr viel Spaß wünschen und ihr versichern, dass ich sie abholen würde falls sie nirgendwo mitfahren konnte.

Aber Hester hatte nie Probleme einen Chauffeur zu finden – sie musste nur ein wenig mit den Wimpern klimpern und schon himmelte der nächstbeste Kerl sie an.

Und wenn sie zuhause war, würde sie mir noch einmal schreiben.

Und falls ich noch wach war, würde ich ihr eine gute Nacht wünschen.

Doch stattdessen saß ihr hier und ließ mich von Whisky anschreien...oh.

„Was?", erwiderte ich, „Sorry, hab gerade nachgedacht."

„Lass das lieber", zischte sie, „kann eh nichts Gutes bei rauskommen."

„Wo ist dein Problem?", Langsam regte sie mich wirklich auf.

Doch sie antwortete nicht, stieg aus dem Auto aus und hielt gerade auf einen Kiosk zu. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass wir geparkt hatten.

Nachdem ich ein paarmal geblinzelt und meine Umgebung mit der lückenhaften Stadtkarte in meinem Kopf abgeglichen hatte, erkannte ich die Gegend wieder. Wir befanden uns fast auf der anderen Seite der Stadt, auf einem halbvollen Parkplatz, der eigentlich zu einem alten Kino gehörte, welches jedoch um diese Zeit schon geschlossen hatte.

Ich öffnete die Autotür und nahm mir einen Moment Zeit um mir die kühle Nachtluft ins Gesicht wehen zu lassen. Wirklich kühl war sie zwar nicht, was ich mitten in den wärmsten Wochen des Augusts allerdings auch nicht erwartet hätte, aber im Gegensatz zu der schweren Hitze im Wageninneren tat es unglaublich gut. Whisky hatte inzwischen die Straße überquert und blickte sich noch einmal um, bevor sie in dem kleinen Kiosk verschwand.

Und selbst nachdem die Schwingtür sich hinter ihr geschlossen hatte, stand das Bild ihrer Haare noch vor meinem Auge.

Ich wusste gar nicht, warum mich das so faszinierte – es war nicht so, als hätte ich noch nie einen Punk gesehen, aber sie wirkte gar nicht punkig. Jedenfalls nicht so richtig.

WhiskyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt