Abschied

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Abschied

Teri ist so aufgeregt, dass er am liebsten gleich losziehen würde, um die anderen Fledermäuse zu suchen. Er lässt sich von Kaja den Weg und den Baum genau beschreiben. Siva möchte ihn natürlich begleiten. Aber Hiro erinnert sie daran, dass sie bald in den Stall zurückkehren müssen. Dies ist ihre letzte Nacht im alten Nest, am Morgen geht es auf nach Afrika. Sofort ist Teris gute Laune wie weggeblasen. Über Kajas tolle Neuigkeiten hat er einen Moment lang vergessen, dass er sich heute von Siva verabschieden muss. Die Schwalbe besteht darauf, noch kurz bei Mara vorbeizuschauen. Schließlich verdankt sie der Spinne sehr viel. Zusammen fliegen die beiden Freunde zum Dachstock. Mara sitzt heute nicht in ihrem Netz. Erst als Teri sie ruft, schwebt sie an einem langen Faden aus dem First hinunter.
«Was ist denn los, Teri? Solltet ihr zwei nicht auf der Jagd sein?»
«Dies ist Sivas letzter Abend. Sie wollte sich von uns beiden verabschieden.»
«Dann geht morgen also die große Reise in den Süden los? Ich wünsche dir alles Gute, Siva. Pass auf dich auf und komm im Frühjahr heil zurück.»
«Das werde ich bestimmt, Mara. Und vielleicht findet Teri in der Zwischenzeit seine Familie wieder. Meine Cousine Kaja hat uns von einem Baum erzählt, in dem andere Fledermäuse leben.»
Mara lässt sich die Geschichte in allen Details wiederholen. Sie hofft für Teri, dass das wirklich seine verlorenen Verwandten sind. Dann ist es Zeit, sich zu verabschieden. Es wird dunkel und Siva will zum Stall zurückkehren, solange sie etwas sehen kann. Sie muss morgen für den langen Flug ausgeschlafen sein. Bevor sie eilig davonfliegt, verspricht sie, Teri im Frühling bei der Laterne wieder zu treffen. Teri blickt seiner Freundin sehnsüchtig nach. Mara versucht, ihn zu trösten.
«Sei nicht traurig, Teri. Am besten fliegst du noch einmal aus und suchst dir ein paar leckere Mücken. Dann kannst du ja auch gleich nachsehen, ob du deine Verwandten findest.»
Teri lässt sich nur unwillig von Mara überzeugen. Nachdem er etwas im Magen hat, verdrängt er aber seine Niedergeschlagenheit. Der Flug bis zum Hof hinter dem Wald ist weit. Immerhin stimmt Kajas Wegbeschreibung. Endlich erkennt Teri aus der Ferne das Haus und gleich darauf den Baum, in dem die Fledermäuse wohnen sollen. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Schon als er in die Nähe kommt, wird er von einer anderen Zwergfledermaus freudig begrüßt.

Teri kehrt erst zu Mara zurück, als es draußen hell wird. Die Spinne blickt ihm erwartungsvoll entgegen. Er hängt sich an seinen Lieblingsplatz und faltet sorgfältig seine überanstrengten Flügel.
«Mara, ich habe tatsächlich meine Familie gefunden. Sie leben in dem Baum, den Sivas Cousine beschrieben hat. Ich bin ja so froh, dass es allen gut geht.»
«Das freut mich für dich, Teri. Warum bist du dann überhaupt hierher zurückgekommen? Wolltest du nicht lieber bei den anderen Fledermäusen bleiben?»
«Eigentlich schon, aber mein Zuhause ist jetzt hier. Ich wollte dir von ihnen erzählen und nicht einfach verschwinden. Wenn ich wegziehe, bist du ganz allein, jetzt wo Siva nicht mehr kommt.»
«Ich bin das Alleinsein gewohnt. Spinnen leben immer allein. Fledermäuse dagegen brauchen die Gesellschaft ihrer Familie. Im Winter wird es kalt werden, wenn du alleine hier schläfst.»
«Meinst du? Ich habe mir den Fledermausbaum angesehen. Es ist ziemlich eng da drin. Und ich wohne lieber hier bei dir im Dachstock. Ich träume immer noch von der Nacht im letzten Winter, als die Menschen unseren alten Baum zerstörten. Was ist, wenn sie es wieder tun?»
Mara muss zugeben, dass diese Möglichkeit besteht. Sie meint, Teri habe ja noch ein wenig Zeit, um sich zu entscheiden. Aber die kleine Fledermaus will die Spinne nicht so einfach verlassen. Schließlich hat sie ihm das Leben gerettet, als damals der Marder in den Dachstock eindrang. Mara seufzt und macht es sich in der Mitte ihres Netzes bequem.
«Hör zu, Teri. Ich werde nicht immer hier sein. Ich werde bald meine Eier legen, und dann ist meine Zeit um. Danach werde ich sterben, wie alle Kreuzspinnen.»
Teri ist entsetzt. Er kann sich ein Leben ohne Mara gar nicht mehr vorstellen. Jetzt, wo Siva weggezogen ist, will er nicht auch noch seine andere Freundin verlieren.
«Nein, Mara, du darfst nicht sterben. Warum musst du Eier legen? Kannst du damit nicht warten?»
«Das geht leider nicht, Teri. Meine Zeit ist bald da. Vielleicht solltest du deshalb doch lieber zu deiner Familie ziehen. Du kannst mir nicht helfen, so ist nun mal der Lauf der Dinge.»
Aber Teri lässt sich nicht beirren. Er wird seine Freundin in so einem Moment nicht im Stich lassen.
«Nein, ich bleibe hier. Wenn du stirbst, werde ich erst recht nicht weggehen.»

Teri und SivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt