Siebenundzwanzig.

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Am Sonntag war ich mit Marie in einem kleinen Café verabredet. Als sie - eine halbe Stunde zu spät - kam, umarmte sie mich überschwänglich.

"Na wie geht's dir Eve?"

"Immer noch ein wenig müde. Stressige Woche gehabt", antwortete ich knapp, bevor eine Kellnerin kam, deren Mundwinkel fast auf dem Boden schleiften und uns - ohne ein Wort zu verlieren - die Speisekarten in die Hand drückte.
"Wow wie freundlich heute alle zu sein scheinen!", bemerkte ich, woraufhin Marie nur lachte.

"Es kann ja nicht jeder seine Arbeit so sehr lieben, dass er deshalb gleich noch einen Zweitjob annimmt!", erwiderte sie.

Ich seufzte. "Marie. Ich habe eigentlich keine Lust je wieder darüber zu reden, aber du scheinst mir ja keine Wahl zu lassen. Ich mache das nicht, weil mein Job das Allertollste in meinem Leben ist, sondern weil ich nicht schon gegen 15 Uhr in meiner leeren Wohnung hocken will!"
Die gleiche Kellnerin kam erneut und fragte nach unseren Bestellungen. Einen großen Chailatte und einen Brownie mit ordentlich Sahne. Darüber schüttelte Marie nur den Kopf.
"Weißt du, Menschen wie du sind der Grund warum ich niemanden traue,
", erzählte sie, als wir wieder alleine waren, "Menschen, die essen und essen und einfach nicht dicker werden. Schrecklich unfair ist das!"

Ich lachte. "Ich hab' einfach 'nen guten Stoffwechsel und blendende Gene, das ist alles."

"Jaja versteh' schon. Aber zurück zu deinem langweiligen Singleleben! Ist da etwa immer noch niemand? Ach komm, da muss doch jemand hier im Umfeld sein, den du zumindest scharf findest?"

Man sollte wissen, dass Lügen bei Marie nicht viel brachten. Die Frau hatte einen eingebauten Lügendetektor! Also antwortete ich pflichtbewusst mit "Ja".
Fast augenblicklich fing sie an vielsagend zu grinsen. "Wie ist sein Name?"

"Thad... Taddl!", antwortete ich. Ardian nannte ihn so, also entsprach es der Wahrheit, ohne dass es Verdacht bei ihr erweckte, wen ich tatsächlich damit meinen könnte.

"Der Name hört sich ja fast so an, wie dein letzter Fall!"

"Kurios nicht wahr?"

Die Kellnerin kam und klatschte uns lieblos den Kuchen auf den Tisch. Kein guten Appetit. Keinerlei Freundlichkeiten.

"Ist er denn auch genauso heiß?", zwinkerte sie mir zu, nachdem die Kellnerin wieder verschwunden war.

"Kann man so sagen, ja."

Den Rest des Gespräches versuchte ich, in eine für mich angenehmere Richtung zu lenken. Schlussendlich landeten wir bei ihrer anscheinend krummen Nase und OP - Gedanken.

~

"Thaddeus, darf ich dich was fragen?"

Wir waren heute ausnahmsweise allein. Blondchen weigertete sich ihren Freund zu besuchen, wenn ich in der Nähe war, was ich, nur mal so nebenbei bemerkt ziemlich egoistisch befand, wenn man im Hinterkopf behielt, dass Thaddeus in der Klapse hockte und ein wenig Unterstützung seiner Liebsten gebrauchen konnte. Und Ardian, der lag mit einer Grippe im Bett.

"Du fragst doch sonst nicht", grinste er, "aber klar, nur zu."

"Wie...wie hast du das gemeint mit 'deine Freundin vergessen'. Das ist irgendwie schwer vorstellbar für mich. Erklär's mir doch bitte noch mal."

"Dich hat die ganze Woche wohl nichts anderes beschäftigt?", lachte er, wobei das blau seiner Augen anfing zu leuchten. Als ich nicht antwortete fuhr er fort. "Ich hatte mich da wohl etwas unbeholfen ausgedrückt. Ähm... Du erinnerst dich doch sicherlich noch an deine Schulzeit, oder? Und du hättest doch bestimmt auch Freunde, die irgendwann mal für eine ganze Weile ins Ausland gegangen sind, oder?"

Ich nickte.

"Und du hast diese Freunde gern und alles. Versprichst, dass ihr Kontakt haltet, dass die Distanz euch nichts ausmacht. Aber das hält man meistens nicht durch. Anrufe werden weniger. Irgendwann lässt man's ganz sein. Bis einem bewusst wird, dass man auch ohne diese Person leben kann. Man unternimmt was mit anderen Leuten und irgendwann ertappt man sich dabei, wie man vergessen hat, dass es da irgendwo ja noch einen Menschen gibt, der einen nahe steht. Klar, wenn sie zurück kommt, dann ist da immer noch eine tiefe Freundschaft. Aber ich glaube, bei der Liebe ist es anders. Die lebt von Nähe. Und die Distanz lässt einen, meiner Meinung nach, die Gefühle vergessen. So kam es mir zumindest vor, verstehst du?"

Ich nickte erneut. "Ja, das ist sehr gut nachvollziehbar."

Er lächelt matt. "Gut. Darf... Darf ich dir auch mal 'ne Frage stellen?"

Etwas überrascht sehe ich ihn an. "Natürlich."

"Okay, das klingt jetzt eventuell etwas komisch, aber bist du zufrieden mit deinem Leben gerade?"

"Wie meinst du das?", fragte ich ihn, da ich nicht so recht wusste, was ich ihm antworten sollte.

"Du siehst irgendwie müde aus und naja, dadurch nicht unbedingt glücklich. Du sitzt dreimal in der Woche bei mir, obwohl du Feierabend hättest. Ich meine, versteh mich bitte nicht falsch, aber das ist nicht gerade das, was ich mir unter einem erfüllten Leben vorstelle."

Irgendwie freute mich es ja schon, dass er sich Sorgen machte.

"Ich bin immer müde. Und glaub mir, ich bin lieber hier unter Menschen, als den Tag alleine in einer leeren Wohnung zu verbringen!"

Er grinst leicht. "Heißt das, wenn du noch mit deinem Freund zusammen wärst, würdest du mich gar nicht besuchen kommen, Evelyn?"

"Thaddeus, du bist irgendwie der Grund dafür, dass ich nicht mehr mit meinem Freund zusammen bin. Also bist du theoretisch in der Pflicht mir jetzt Gesellschaft zu leisten!"

"Autsch!", lachte er. Und er lachte laut und herzlich. Er hatte so ein Lachen, das man am liebsten den ganzen Tag hören würde.

~~~
Hallöle Leute (:
Ich hoffe allen ist jetzt klar, wie ich das mit dem "vergessen" gemeint hatte. Übrigens ein fettes Danke an die, die Namensvorschläge für Blondchen geschrieben hatten :D
Irgendwer hatte Dagmara vorgeschlagen, aber ich wollte nicht jedes mal beim Schreiben nen Würgereiz bekommen xD
Okay genug Gehässigkeiten für heute *Veganschnitzel in die Menge reich*

Feedback ist ein gern gesehener Gast (:

Machts gut!
Lali

The Psychopath || Taddl||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt