The Question - Carlos &' Charles

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Die Ferrari-Medienabteilung war heute wieder gnadenlos.
Kameras, Mikrofone, grelles Licht, ein Raum voller Mitarbeiter, und vorne zwei Fahrer, die so taten, als wären sie entspannt.
Carlos war es wirklich.
Charles... nicht.
Er beobachtete Carlos, ohne es zu merken.
Wie er lachte, wie er mit den Händen sprach, wie seine Augen bei jeder Challenge glänzten.
Carlos war so... natürlich.
Echt.
Warm.
Fast zu perfekt.
Charles musste sich immer wieder zwingen, nicht zu starren.
Nicht zu träumen.
Nicht zu spüren, was er nicht fühlen sollte.
Bis die Frage kam.
Eine einfache.
Harmlose.
Und doch tödlich.
„Wie steht ihr zu gleichgeschlechtlichen Paaren? Und würdet ihr euch selbst als ‚straight' bezeichnen?"
Die Luft wurde schwer.
Charles' Herz setzte aus.
Carlos antwortete ohne ein Zögern:
„Jeder kann lieben, wen er will. Es geht darum, glücklich zu sein. Und Liebe ist Liebe."
Er grinste in die Kamera.
„Ich hab absolut nichts gegen gleichgeschlechtliche Paare."
Charles schluckte.
Dann war er dran.
Er hätte etwas Ähnliches sagen sollen.
Etwas souveränes.
Normales.
Doch seine Stimme verließ ihn.
„Ich, äh... ja... ich finde... also... Liebe ist... äh... ähm—"
Er starrte irgendwohin, nur nicht auf Carlos.
Die Worte stolperten.
Seine Hände zitterten.
Die Mitarbeiter warfen sich Blicke zu.
Carlos legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Alles gut, Charles."
Charles zuckte unter der Berührung, als hätte er sich verbrannt.
Das Video ging weiter, aber seine Gedanken nicht.
Sie blieben bei diesem Moment hängen.
Bei dieser Hand.
Bei dieser Frage.
Und bei der Wahrheit, die er seit Jahren versteckte.
Nach den Aufnahmen
Carlos stellte die Tür des Medienraumes hinter ihnen zu.
Ohne Kameras, ohne Zuschauer, nur die beiden.
„Okay," begann Carlos ruhig.
Zu ruhig.
„Was war das vorhin?"
Charles setzte sich sofort an den Rand des Tisches.
Sein Bein wippte nervös.
„Es war nichts," murmelte er.
„Ich war nur unkonzentriert."
Carlos verschränkte die Arme.
„Charles."
Nur seinen Namen.
Aber er traf härter als ein Boxenstoppruf.
Charles wandte sich ab.
„Lass uns einfach gehen, ja?"
Carlos trat einen Schritt näher.
„Non. Wir reden."
Charles' Atem zitterte.
Er fühlte den Druck in der Brust, wie jeden Tag.
Nur heute war er nicht mehr auszuhalten.
„Es ist peinlich, okay?" stieß Charles hervor.
„Ich habe mich verhaspelt, weil ich... Nervös war."
Carlos runzelte die Stirn.
„Wegen der Frage?"
Keine Antwort.
Charles drückte die Lippen zusammen.
Carlos trat noch näher.
Seine Stimme wurde weicher.
„Sag mir die Wahrheit."
Charles' Hände ballten sich.
„Du kannst mir vertrauen, mon ami."
Als Charles das hörte, brach etwas in ihm.
Er lachte.
Ein bitteres, hoffnungsloses Lachen.
„Genau das ist das Problem!"
Carlos blinzelte irritiert.
„Wie meinst du das?"
Charles stapfte vom Tisch herunter, lief ein paar Schritte im Raum.
Sein Atem wurde schneller.
„Du sagst ‚mon ami' und... ich wünschte, es wäre etwas anderes!"
Er blieb stehen und presste die Hände in die Haare.
„Ich wünschte, du würdest sehen, was ich fühle, aber ich darf nicht! Ich kann nicht! Es macht mich verrückt!"
Carlos erstarrte.
Charles war atemlos, seine Stimme gebrochen.
„Ich halte das nicht mehr aus, Carlos..."
Er drehte sich zu ihm.
Augen glasig, Wangen rot.
Verletzt, müde, ehrlich.
„Ich bin in dich verliebt. Seit Jahren. Ich hab alles versucht, es zu verstecken. Und heute—"
Er presste die Hand ans Herz.
„Diese Frage hat mich zerstört."
Stille.
Die Art von Stille, bei der die Welt stehenbleibt.
Carlos ging langsam auf ihn zu.
Ganz langsam.
Bis sie nur noch eine Armlänge voneinander entfernt standen.
„Warum hast du mir das nie gesagt?"
Charles lachte bitter.
„Weil du Carlos Sainz bist. Du bist..."
Er schluckte.
„Du bist alles, was ich nicht haben darf."
Carlos' Blick wurde weicher.
Sanfter.
Wärmer.
Er hob eine Hand und fasste Charles ganz vorsichtig an der Wange.
Charles schloss die Augen, ein einzelner Atemzug entrang ihm.
Fast ein Schluchzer.
„Du bist nicht allein, Charles," flüsterte Carlos.
„Du warst es nie."
Charles öffnete die Augen.
Wasser glänzte darin.
Carlos strich mit dem Daumen seine Wange entlang.
„Ich dachte, du magst mich nicht mehr. Du bist immer so... angespannt, wenn ich nah bin."
Charles ließ ein schwaches Lachen entweichen.
„Weil du mein Herz ruinierst, jedes Mal, wenn du lächelst."
Carlos' Lächeln wurde warm wie die italienische Sonne.
„Dann," sagte er leise, „warum ruinierst du meins?"
Bevor Charles reagieren konnte, zog Carlos ihn in eine vorsichtige, aber feste Umarmung.
Charles versteifte sich kurz – dann sank er einfach hinein.
In Carlos' Brust.
In seine Arme.
In die Wärme, die er so lange gesucht hatte.
Carlos flüsterte in sein Haar:
„Ich hab Angst gehabt, dir zu sagen, was ich fühle."
Er atmete tief.
„Aber ich fühl es. Ich fühl es seit Monaco 2021, Charles."
Charles hielt den Atem an.
Er zog sich leicht zurück, gerade so viel, dass sie sich ansehen konnten.
„Du auch?" flüsterte er.
Carlos nickte.
„Ja."
Ein leiser, erlöster Laut entwich Charles.
Ein Lachen, ein Schluchzen, ein Atemzug gleichzeitig.
Carlos hob sein Kinn sanft an.
„Kann ich dich küssen?"
Charles antwortete nicht mit Worten.
Er legte seine Hände an Carlos' Gesicht, atmete tief ein und flüsterte nur:
„Bitte."
Carlos küsste ihn.
Zart.
Langsam.
Wie ein Versprechen.
Wie ein Geständnis, das Worte nie geschafft hätten.
Als sie sich trennten, blieb Charles mit geschlossenen Augen stehen.
„Ich dachte, ich hätte dich verloren," sagte er leise.
Carlos legte seine Stirn an seine.
„Nein, mon amour.
Du hattest mich die ganze Zeit."
Und plötzlich war die tödliche Frage der schönste Moment ihres Lebens geworden.

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