Der Raum war still.
Zu still.
Nicht einmal der Lärm der Stadt konnte die Schwere ersticken, die sich in Landos Brust festgesetzt hatte. Er saß auf dem Teppichboden zwischen Bett und Wand, die Knie angezogen, den Kopf in die Hände vergraben.
Die Dunkelheit um ihn herum war warm, aber in ihm war nur Kälte.
Er hatte den ganzen Tag versucht, nicht daran zu denken.
Der Unfall.
Das Funkgespräch.
Sein Fehler.
Und vor allem:
Die Gesichter.
Das Publikum, das ihn ausgebuht hatte.
Die Medien, die über ihn hergefallen waren.
Fans, die seit Wochen schrieben, er sei nicht gut genug, würde sein Team zurückhalten, hätte den Sport nie verdient.
Er hatte versucht, die Kommentare nicht zu lesen.
Aber irgendwann fiel man doch hinein.
Und sie fraßen sich fest.
Loser.
Talentverschwendung.
Carlos war besser, als er noch bei McLaren war.
Niemand braucht Lando Norris.
Worte, die nicht klingen sollten wie Wahrheit — aber es irgendwann taten.
Heute war der Tag, an dem es zu viel wurde.
Er hatte einen Fehler im Rennen gemacht. Einen dieser Fehler, die beim Hochfahren des Autos passieren, wenn die Hände zittern und der Atem nicht mehr richtig kommt.
Und im Funk hatte er Panik in der Stimme gehabt.
Sein Ingenieur hatte es gemerkt.
Die Welt hatte es gehört.
Und dann war es passiert:
Er verlor die Kontrolle in Kurve 7.
Ein Einschlag, nicht lebensgefährlich, nicht ungewöhnlich — aber genug, um ihn innerlich zu zerreißen.
Das Problem war nicht der Crash.
Es war der Gedanke, den er im Auto gehabt hatte, direkt davor:
Vielleicht wäre es leichter, wenn ich einfach...
Er hatte ihn sofort weggedrückt.
Schockiert über sich selbst.
Erschrocken.
Beschämt.
Aber er war da gewesen.
Dieser Gedanke, den niemand denken sollte.
Und Lando hasste sich dafür.
Er hörte die Tür öffnen, und sein Herz riss zusammen.
Er wusste, wer es war.
Der Einzige, der ihn so finden durfte.
„Lando?"
Carlos' Stimme war vorsichtig, fast flüsternd.
Kein Ärger.
Keine Forderung.
Nur Sorge.
Das machte es schlimmer.
Er konnte nicht aufsehen.
Konnten nicht riskieren, dass Carlos sah, wie zerbrochen er wirklich war.
Doch Carlos kniete sich ohne Zögern zu ihm. Seine Hand schwebte kurz über Landos Rücken, bevor sie vorsichtig aufsetzt.
Warm.
Reell.
Ankernd.
„Bitte... geh nicht," hauchte Lando, kaum hörbar.
Carlos' Finger verkrampften sich leicht in seinem Hoodie.
„Ich gehe nirgendwo hin."
Lando schluckte.
Er wusste, er konnte nicht länger schweigen.
Er fühlte sich, als würde die Wahrheit gegen seine Rippen schlagen.
„Ich kann das nicht mehr," flüsterte er.
Carlos' Atem stockte. „Was... was meinst du?"
Lando hob endlich den Kopf. Seine Augen waren rot, glasig, müde — so müde, dass Carlos leise einatmete, als würde ihm selbst der Boden weggezogen.
„Ich kann die Erwartungen nicht mehr erfüllen. Nicht die Fehler. Nicht die Stimmen. Nicht dieses Gefühl... ständig zu versagen."
Seine Stimme brach.
„Und heute, als ich... als ich rausgeflogen bin... ich hatte einen Gedanken. Einen, den man nicht haben sollte."
Carlos' Pupillen weiteten sich. Er nahm Lando behutsam bei den Schultern, nicht drückend, aber fest genug, um ihn wieder in die Realität zurückzuholen.
„Sag ihn," sagte er leise, brüchig, „damit er dich nicht mehr alleine quält."
Lando zitterte.
Wie ein Junge, der seit Wochen im Regen stand und nicht mehr wusste, wie man sich wärmt.
„Ich habe gedacht... vielleicht wäre es leichter, wenn ich einfach... nicht mehr anhalten würde."
Seine Stimme war kaum ein Hauch.
„Nur für einen Moment. Nur... nicht mehr existieren."
Carlos' Gesicht entgleiste.
Er schloss die Augen, als würde der Schmerz ihn selbst treffen.
Doch dann ließ er Lando keinen Raum zum Zurückweichen. Er zog ihn an sich, hielt ihn fest, als wollte er ihn gegen die Welt abschirmen.
„Lando," hauchte er, „du bist nicht allein. Hörst du mich? Nicht mehr. Nicht damit. Nicht mit irgendwas."
Lando vergrub sein Gesicht in Carlos' Hals, als würde er dort zum ersten Mal seit Wochen Luft bekommen.
Die Tränen, die er so lange zurückgehalten hatte, brachen hervor.
Ohne Kontrolle.
Ohne Schutz.
Carlos hielt ihn so fest, dass Lando spürte, wie die Hände des Spaniers zitterten.
„Du bist kein Fehler," flüsterte Carlos ihm ins Haar. „Kein Problem. Kein Belastung."
Er drückte Lando näher an sich.
„Du bist ein Mensch, der zu viel aushält und niemanden reinlässt. Und das—" er schluckte, „—das kann ich nicht mit ansehen. Nicht, wenn du... wenn du solche Gedanken hast."
Lando schniefte. „Ich wollte das nicht. Ich will nicht so sein."
„Ich weiß."
Carlos' Stimme war weich, aber es lag eine eiserne Entschlossenheit darin.
„Aber du musst damit nicht alleine kämpfen. Ich bin hier. Ich bleibe. Ich trage mit dir, was zu schwer ist."
Lando klammerte sich an ihn, als würde er sonst wegrutschen.
„Warum?" fragte er heiser. „Warum bleibst du?"
Carlos ließ eine Hand durch sein Haar gleiten.
Zart.
Sorgsam.
Ehrlich.
„Weil ich dich liebe," antwortete er, ohne zu zögern.
„Weil du mir wichtiger bist als jedes Rennen. Als jeder Sieg. Weil ich dich nicht verliere, Lando. Nicht so."
Lando fühlte, wie etwas in seiner Brust zerbrach—
aber dieses Mal war es nicht die Verzweiflung.
Es war der erste Riss in der Mauer, die ihn gefangen gehalten hatte.
„Ich hab Angst," flüsterte er.
„Dann hab ich sie mit dir," sagte Carlos.
Der Regen draußen wurde stärker, als würde die Welt mit ihnen zusammen weinen.
Aber im Inneren, zwischen Carlos' Armen, fühlte Lando etwas, das er fast vergessen hatte:
Wärme.
Kontakt.
Leben.
Und für den ersten Moment seit langer Zeit...
war er nicht mehr ganz broken.
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Pole Position | Formular 1 | OS
FanfictionHier werden Formular 1 OS veröffentlicht. Verschiedene Fahrershippings. Viel von Carlando.
