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„Anne? Es ist Besuch für Euch da." Die Kranke versuchte sich in eine aufrechte Position zu manövrieren, doch es gelang ihr nicht. Schnell war Constance zur Stelle und half ihr. Die Königin hustete rasselnd. „Constance?", flüsterte sie. „Ja?", fragte diese und legte ein aufmunterndes Lächeln auf die Lippen. „Ich danke Euch."

Etwas erstaunt blickte die ehemalige Zofe hoch. „Für was?", wollte sie wissen. „Für alles. Für alles, was Ihr für mich getan habt. Für die Momente im Louvre, in denen wir gelacht und uns über Hofetiketten lustig gemacht haben. Aber auch dafür, dass Ihr immer für mich da wart. Sozusagen mein ganzes Leben lang. Ihr habt mich immer unterstützt, mir zugehört und für mich gekämpft. Ich bin Euch ewig dankbar für Eure Freundschaft."

Constance lächelte gerührt. Ein paar Tränen glänzten in ihren Augenwinkeln. „Nun, auch wenn ich Euch am liebsten zum Stillschweigen bringen möchte, weil dies wie ein Abschied klingt, kann ich Eure Worte nur zurückgeben. Ich bereue es keinen einzigen Tag, dass ich vor so vielen Jahren Eure Zofe geworden bin. Damals hätte ich nie geglaubt, dass ich eine wundervolle Freundin finden würde. Ich glaubte, Ihr wärt eine dieser arroganten Hofziegen, von denen meine Bekannten berichtet hatten", zwinkerte sie. Die Frauen lachten beide; die eine erschöpft, die andere röchelnd. „Aber nun will ich keine Worte des Abschieds mehr hören!", zog Constance ihre Freundin auf. „Versprochen", kicherte diese rau.

Die beiden Frauen umarmten sich fest, dann löste sich Constance und sagte: „Euren Besuch möchten wir nicht noch länger warten lassen. Louis möchte dich bestimmt sofort sehen." Sie verschwand um den König hineinzubitten, während die Königin es noch kaum fassen konnte, dass ihr Sohn sich endlich aufgemacht hatte, um sie zu besuchen. Nach so vielen Jahren, in denen er keine Lebenszeichen von sich hatte sehen lassen, tauchte er endlich auf.

Was sie nicht wusste, war, dass Constance selbst einen Brief an den Regenten verfasst hatte, in dem stand, dass seine Mutter im Sterben liegen würde und wenn er sie besuchen wollte, müsste er das schnell tun. Weder Constance noch die Musketiere hatten geglaubt, dass der König wirklich zwei Tage später an der Türe um Einlass bitten würde.

Maman?", fragte er zögerlich. „Kommt hinein, mein Louis", lächelte Anne glücklich. Reumütig trat der Sohn näher. Er entschuldigte sich mehrfach, dass er sie nicht schon früher besucht hatte. Doch Anne wollte davon nichts wissen, sie nahm es ihm in keiner Weise übel. Sie wollte lieber noch alles über sein jetziges Leben erfahren. Louis erzählte liebend gerne. Von seinen berühmt berüchtigten Festen. Vom Leben im Louvre. Von Grafen und Beratern, denen die witzigsten Ungeschicklichkeiten unterliefen. Er erzählte sogar von einem Mädchen. Ihren Namen erwähnte er nicht, doch seine Mutter wusste gleich, dass dieses Mädchen ihrem Sohn mehr bedeutete als die Restlichen.

„Ich würde sie gerne kennen lernen, doch sie wird nächstens wohl kaum die Zeit aufbringen können, um mich hier im Landhaus zu besuchen. Schreibt Ihr mir in naher Zukunft einen Brief, Louis? Dann weiss ich, wie es Euch geht", bat sie ihn. „Natürlich, Maman. Und ich werde sie fragen, ob sie mich bei meinem nächstens Besuch zu Euch begleiten will. Ihr würdet sie mögen, Maman." Ein abwesender Ausdruck trat in seine Augen. Als wäre er eben ganz weit weg, bei der Erinnerung an ein Mädchen. „Das würde ich bestimmt!", lächelte Anne, bevor sie von einem Hustenanfall heimgesucht wurde.

Als sie erneut sprechen konnte, wurde ihre Stimme ernst. „Louis, bitte achtet gut auf unser Volk. Ihr habt ein gutes Herz, nur zeigt Ihr es nicht allen. Wenn Euch das Volk so kennen würde, wie ich Euch kenne... Ihr wärt der beste König, den es gäbe. Versucht den Menschen den wahren Louis zu zeigen. Versucht es mir zu Liebe, ja?" Der König nahm die schmalen Hände seiner Mutter in seine, drückte einen sanften Kuss darauf. „Ich verspreche es Euch, Maman."

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt