Kapitel 3

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"Was fällt dir eigentlich ein! Wir haben eine Vereinbarung getroffen, schon vergessen?"
Antonia tobte vor Wut. Wild gestikulierend marschierte sie in dem Salon auf und ab, wobei sie seit mehreren Minuten ein Trommelfeuer aus wüsten Beschimpfungen auf Magnus niedergehen ließ, sodass diesem bereits die Ohren klingelten. Es war wesentlich schlimmer, als er befürchtet hatte und dabei hatte sie ihm noch nicht einmal verraten, weshalb er eigentlich hier war.
In einem zaghaften Versuch, die Lage zu deeskalieren, hob er beschwichtigend die Hände.
"Beruhige dich doch erst mal. Sag mir lieber, worüber du dich eigentlich so aufregst."
Antonia, inzwischen zum wiederholten Male am Ende des Raumes angelangt, wandte sich mit einer ruckartigen Bewegung zu ihm herum. Ihr Gesicht war zu einer Maske aus Zorn verzerrt.
"Beruhigen soll ich mich? Willst du mich eigentlich verarschen?"
Besorgt stellte Magnus fest, dass sie für seinen Geschmack viel zu nah an dem Beistelltisch mit dem Branntwein stand, auf dem sich diverse Kristallgläser und ein Dekanter befanden. Vor seinem inneren Auge sah er schon wieder ein Trinkgefäß auf sich zufliegen. Also schob er sich möglichst beiläufig ein paar Schritte zur Seite, sodass er Lucius zwischen sich und die Furie brachte.
Der Bursche saß noch immer auf dem Sofa und sah so angestrengt auf den Boden, als würde er hoffen, er könnte so mit diesem verschmelzen. Magnus konnte es ihm nicht verdenken, denn die Stimmung wurde wirklich von Minute zu Minute unangenehmer. Irgendwie musste er dieses Gespräch wieder in sinnvolle Bahnen lenken.
"Toni, ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was los ist. Lucius hat was von einem Unfall gesagt. Hat es damit zu tun?"
"Was glaubst du denn? Dass ich mich hier auf ein Glas Wein mit dir treffen wollte?", fuhr sie ihn an.
"Wäre eine willkommene Abwechslung", sagte Magnus mit unverhohlener Ironie. Im nächsten Moment biss er sich auf die Zunge, denn Antonia war eindeutig nicht zu Späßen aufgelegt, was sie sogleich versuchte, mit einem geworfenen Glas zu verdeutlichen. Gerade noch rechtzeitig tauchte er hinter dem Sofa ab, dann regneten Glassplitter auf ihn herab.
Einen Augenblick wartete er ab, ob noch weitere Geschosse dem Ersten folgen würden. Dann, als diese ausblieben, erhob er sich wieder, wobei er vorsichtig Glassplitter von seinen Schultern wischte.
Antonia stand mit geballten Fäusten auf der anderen Seite des Raumes. Schwer atmend vor Zorn blickte sie ihn finster an. Der arme Lucius saß wie ein erschrecktes Reh zwischen den beiden. Im Gegensatz zu Magnus hatte er den Ausbruch nicht kommen sehen. Glücklicherweise war er aber auch nicht ihr Ziel gewesen, denn sonst hätte er jetzt wahrscheinlich eine gewaltige Platzwunde.
"Schon gut, es ist dir ernst. Kein Grund, handgreiflich zu werden!", sagte Magnus versöhnlich.
Wieder hob er beschwichtigend die Hände. Dieses Mal jedoch, um sie rechtzeitig in Abwehrhaltung auf Kopfhöhe bringen zu können, falls Antonia sich dazu entschließen sollte, ihren Standpunkt doch noch mit weiteren Wurfgeschossen zu untermauern.
Fast wäre Magnus wieder in Deckung gegangen, als Antonia nach einem neuen Glas griff, doch dieses Mal nahm sie dazu auch den Dekanter in die Hand. Anstatt ihm das Glas um die Ohren zu werfen, schenkte sie es sich bis zur Hälfte mit Branntwein ein, um kurz darauf beinahe in einem Zug zu leeren. Danach setzte sie es behutsam wieder auf dem Beistelltisch ab. Der Alkohol schien eine beruhigende Wirkung auf sie zu haben, denn als sie weitersprach, tat sie das zu Magnus' Freude endlich in Zimmerlautstärke.
"Vor einem halben Jahr hast du mir versprochen, dass du dich darum kümmern würdest, das Dach reparieren zu lassen."
Magnus stöhnte in völligem Unglauben auf.
"Darum geht es dir also. Deswegen machst du so ein Theater? Ich hab' dir doch erst letzte Woche erklärt, dass die Nostra Regio gerade ein kleines finanzielles Tief hat. Sobald wir das überwunden haben, werde ich sofort ..."
"Lass mich ausreden, du Idiot!", brauste Antonia auf.
Wie ein gescholtenes Schulkind verstummte Magnus und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
"Na schön, raus mit der Sprache."
Antonia atmete ein paar Mal tief durch. Dann fuhr sie mit erneut gesenkter Stimme fort: "Also seit einem halben Jahr warte ich darauf, dass das verdammte Dach repariert wird. Meine größte Sorge war, dass irgendwann einer unserer Gäste im Bett geduscht wird, weil es hineinregnet. Was für eine Blamage das wäre. Wenn sich das rumspräche, wären wir unseren guten Ruf los."
Magnus hätte am liebsten gefragt, ob von jenem guten Ruf ohnehin noch viel übrig war, denn seit er Anteile von Antonias Geschäft erworben hatte, konnte er sich nicht erinnern, den Laden jemals voll gesehen zu haben. Stattdessen verbiss er sich die Bemerkung, denn er wollte keinen erneuten Wutausbruch seiner Geschäftspartnerin riskieren. Diese schenkte sich noch ein Glas ein, was er als Aufforderung betrachtete. Vorsichtig umrundete er das Sofa und stellte sich neben Antonia. Ungefragt schenkte auch er sich ein.
"Und? Ist einer von den alten Böcken nass geworden?", fragte er.
Antonia lachte bitter.
"Ich würde mir wünschen, es wäre so. Ich würde es mir wirklich wünschen."
Magnus nahm noch einen Schluck. Der Branntwein war vorzüglich, kam aber nicht an den edelsten Tropfen von Sextus heran.
"Schlimmer?", fragte er.
"Schlimmer", antwortete Antonia.
Nachdenklich fuhr er sich durch sein Haar, dann zuckte er mit den Achseln.
"Erzähl schon, so tragisch kann es doch nicht sein. Ansonsten hätte der alte Gaius bestimmt den Herzinfarkt bekommen, den ich ihm schon so lange wünsche."
Antonia überging den Seitenhieb in Richtung ihres Angestellten und sah ihn lange an, bevor sie antwortete. In ihren Augen spiegelte sich tiefes Bedauern, was bei Magnus eine ungute Vorahnung hinterließ.
"Du wirst mir helfen müssen, eine Leiche zu entsorgen."
Nun war es Magnus, der sich an diesem Abend am Branntwein verschluckte.
"Bitte was?", fragte er hustend.
"Ein Ziegel hat sich vom Dach gelöst und ist in den Innenhof gefallen. Dort stand gerade ein Gast beim Rauchen. Der Ziegel hat ihm den Schädel sauber eingeschlagen. Zwei Minuten hat er noch gezuckt, dann war es vorbei", erläuterte Antonia im Flüsterton, als befürchtete sie, jemand könnte sie belauschen.
"Sag mir nicht, er liegt da draußen noch rum."
"Natürlich nicht", gab Antonia ärgerlich zurück.
"Gibt es Zeugen?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein. Außer Clementia. Das arme Ding hat ihn im Hof gefunden. Seitdem sitzt sie auf ihrem Zimmer und heult sich die Augen aus dem Kopf. Aber das lass meine Sorge sein."
Magnus fiel es schwer, sich vorzustellen, wie Antonia sich um eine traumatisierte junge Frau kümmerte, aber sie führte den Laden nun schon so lange, dass sie sicher wusste, wie so eine Situation zu handhaben war.
"Kenne ich den Glückspilz?", fragte er.
"Wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht persönlich. Sein Name ist ..."
Nach einer kurzen Pause korrigierte Antonia sich.
"... war Antonius Publius. Er war hoher Magistrat des Administratoriums."
Magnus wäre bei den Worten fast das Glas aus der Hand gefallen.
"Heilige Scheiße. Ein beschissener Magistrat?"
"Nicht so laut, sonst können wir es gleich an die Hauswand schreiben", antwortete Antonia und wurde dabei selbst lauter.
Magnus atmete tief ein, um die aufkommende Panik zu unterdrücken, bevor er leiser weitersprach.
"Ist dir klar, was das bedeutet? Die Stadtwache wird hier im Suburbium jeden Stein umdrehen, bis sie ihn gefunden haben und rate mal, wo sie anfangen werden."
"Ja, das ist mir völlig klar. Deswegen muss er verschwinden. Wenn rauskommt, wie er hier gestorben ist, können wir dichtmachen. Wir verlieren unsere Konzession und das war es dann."
"Nicht ganz. Wahrscheinlich muss auch irgendjemand vor Gericht den Kopf dafür hinhalten."
Antonia wich die Farbe aus dem Gesicht. Wahrscheinlich war ihr diese Möglichkeit bisher nicht in den Sinn gekommen, so sehr hatte sie die Sorge um ihr Geschäft vereinnahmt.
"Das wäre unser Untergang", flüsterte sie mit vor Schreck geweiteten Augen.
"Primär wäre es dein Untergang. Ich würde mich vorher wahrscheinlich absetzen. Das Gleiche würde ich dir auch raten, falls es so weit kommt", stellte Magnus nüchtern fest.
"Lieber sterbe ich. Nach allem, was ich getan habe, um mir das alles hier aufzubauen."
Antonia schüttelte energisch den Kopf und Magnus zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie es ernst meinte.
"Dann machen wir uns wohl besser an die Arbeit."

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⏰ Last updated: Apr 28 ⏰

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Im Schatten des ImperiumsWhere stories live. Discover now