57| zeit für die wahrheit

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c o d y a n

american money- børns

Ich las jeden Artikel, den ich finden konnte.

Und immer wieder, jedes einzelne Mal, wurde betont, was für ein Erfolg Nussknacker hatte, wie unglaublich gut das Stück ankam und wie stolz Skogsgård auf solch eine fantastische Leistung seiner Schüler war. Mit jeder Zeile, die ich überflog, wuchs auch mein Stolz.

Ich hatte alles angesehen. Jeden einzelnen Auftritt schaute ich mir von Anfang bis Ende über die Live- Übertragung an und hatte dabei nur Augen für Stella, die Klara tanzte, als hätte sie nie etwas anderes in ihrem Leben gemacht.

Sie sah in dem fliederfarbenen bauschigen Kleid nicht nur hinreißend aus, sondern sie tanzte auch einfach nur unglaublich. Und ich war mir sicher, dass jeder so dachte, der sie live ansah. Jeder musste fasziniert von ihr sein.

Aber die Momente, in denen ich da saß, und Stella wie gebannt zusah, waren zu kurz. Viel zu kurz.
Sie vergingen zu schnell und die Realität holte mich auf eine eiskalte Weise wieder ein.

»Diese Unterlagen hier unterschreibst du, da setzt du nur einige Kreuze.« Mit zwei Fingern schob mir mein Vater einen Stapel an Blättern über seinen monströsen Schreibtisch aus wuchtigem Eichenholz zu. Ich sah ihn dabei nicht an. Nicht mal eine Sekunde. Ich ertrug es einfach nicht.

Noch immer konnte ich nicht fassen, wie genau er das alles durchgeplant hatte. Sein ganzer hinterlistiger Plan, all diese Ideen, die er in seinem Kopf zusammengefügt haben musste, um mich derart zu bestechen. Um mich zu seiner Marionette zu machen, innerhalb dieses gottverdammten Imperiums.

Nur wenige Tage waren verstrichen, und schon schob er mir ohne die Miene zu verziehen einen umfangreichen und rechtlich aktiven Vertrag zu, der das Schicksal eines Achtzehnjährigen für immer besiegeln sollte.

Dem goldenen Füller mit dunkelblauer Kappe, der bereits perfekt neben mir platziert war, schenkte ich ebenfalls keinen Blick. Ich griff lediglich nach den aufgestapelten Papieren, die sich viel zu schwer in meiner Hand anfühlten und nickte träge. »Ich gebe sie dir morgen zurück.«, sagte ich.

»Wieso denn erst morgen? Du kannst es doch gleich erledigen. Hier und jetzt.«, forderte er.
Ich sah sofort auf. Die Stimme meines Vaters klang schärfer als beabsichtigt. Seine Finger trommelten mit einer gewissen Unruhe auf die Tischplatte und er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, was auf seine Ungeduld hindeutete.

»Wieso nicht? Ich habe doch wohl das Recht, mir alle knapp vierzig Blätter genau durchzulesen und erst dann meinen Namen darunter zusetzen. Ich muss ja wissen, auf was ich mich hier einlasse.« Fast hätte ich geschmunzelt, so ironisch kam mir all das  vor.

»Du denkst, ich will dich in irgendwas verwickeln? Das traust du mir zu?« Mit den Fingern lockerte er seine Krawatte. Ich lehnte mich im ledernen Stuhl zurück.

Mein Blick traf auf den meines Vaters. Wut pulsierte in meinen Adern. Was dachte er sich denn?
»Na ja, du scheinst immer nur an dein eigenes Wohl zu denken, also ja, ich denke genau das. Dir traue ich alles zu.«

Er seufzte, als hätte er mich leid. Das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. »Ich habe dich gewarnt, Codyan. Mehrmals habe ich dir gesagt, was ich von dir möchte. Nun musst du eben mit den Konsequenzen leben.«

»Wirklich? Hast du das wirklich gesagt? Denn die Überschreibung dieser Firma, geplant nach deinem Ruhestand, kam nun etwas plötzlich. Calum schien immer sehr angetan von seinem Stand als wohlhabender Geschäftsführer eines Pharma Konzerns. Nach Myles Tod hat er sich regelrecht darauf gestürzt.«

The light you brought Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt