11. Part - Tag 7

3 2 0
                                    

Geweckt werde ich durch den Geruch von Salzwasser zusammen mit einem leichten Wind, der mir durch das Gesicht weht. Ich atmet auf. Wieder eine Nacht ohne Albtraum geschafft.
Ein Fenster in meinem Zimmer ist offen, das erklärt auch die leichte Brise. Addie ist also schon wach. Es ist kurz nach sieben, aber bereits jetzt sonnig und relativ warm. Ich lasse mir noch einen Moment Zeit, ehe ich mir einen anderen Pulli schnappe und diesen auf dem Weg ins Bad wechsle. Wenig später stehe ich neben Jake in der Küche und beobachte Addie, wie sie Obst und Joghurt auf drei Schüsseln verteilt.
,,Gut geschlafen?",fragt mich Jake. Ich schlucke die Frage, wie lange er gestern Abend an meinem Bett gesessen hat. Ich möchte die Antwort nicht hören, es würde eine Endlosspirale in mir auslösen. Stattdessen nicke ich.
,,Ich hatte auch keine Albträume." Er gibt sich mit der Antwort zufrieden und lächelt.
,,Heute bist du schon eine ganze Woche hier zuhause.",lächelt Addie und stellt mir die für mich bestimmte Schale hin. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht, obwohl jeder Tag aufs Neue ein Kampf ist. Ein anderer, als noch vor Wochen. Aber ein Kampf. Irgendeiner von den unzähligen angeheuerten Therapeuten, die man mir im Laufe meines Lebens vorgestellt hatte, hatte mal gesagt, dass der Prozess der Heilung ein stetiges bergauf sei. Wie verdammt Unrecht er doch damit hatte. Es sagte, ich würde es bemerken, wie es bergauf geht, wenn ich meiner Erzeugerin stückweise immer weniger mit Widerworten entgegentrete und aufhöre, ihre Erziehung zu hinterfragen. Und als ich anfing, mich an seine Worte zu halten, wurde mein Leben immer mehr zu einer Horrorshow. Wie verdammt Unrecht er also hatte.
,,Wahnsinn.",sage ich schließlich. Jake legt mir eine Hand auf die Schulter, ich zucke erschrocken zusammen. Mit einer Traurigkeit, die ich in diesem Zusammenhang schon oft bei Jake gesehen habe, nimmt er seine Hand zurück. Ich würde ihm gerne sagen, dass es mir leidtut.
,,Ich bin froh, dass du jetzt hier bist.",sagt er dennoch, wirft Addie dann einen vielsagenden Blick zu, den wohl nur die beiden wirklich verstehen.
,,Ich auch!",schiebe ich schnell hinterher. Und ich meine es auch wirklich so.
Das Frühstück läuft vergleichsweise ruhig ab. Ich esse. Zwar langsam, aber ich esse. Das stellt auch Addie mehr als zufrieden fest und ich hoffe, dass sie das Sheldon und Cooper genauso brühwarm erzählt, wie mein Zusammenzucken bei Jake. Viel Zeit darüber nachzudenken, bleibt allerdings nicht. Ich muss mich umziehen und mental auf einen weiteren Tag in der Oceanside vorbereiten. Eine Sitzung bei Sheldon, eine kurze Kotrolle bei Cooper und weitere unzählige Versuche herauszufinden, was eigentlich wirklich monatelang hinter verschlossenen Türen passiert ist. Noch im Haus verbinde ich mein Handy mit meinen Kopfhörern und ziehe mir meine Sonnenbrille über die müden Augen, ehe ich mich auf der Rückbank von Jakes Auto wiederfinde und die Häuser an mir vorbeiziehen. Immer wieder spüre ich Jakes Blick durch den Rückspiegel und als wir endlich an der Praxis ankommen, werde ich erstmal von beiden ausgiebig gemustert.
,,Du warst die ganze Fahrt so still.",sagt Jake. Addie stupst ihn von der Seite an.
,,Rachel hat ja auch Musik gehört und wollte sich deine Zusammenfassung des Basketballspiels gestern nicht anhören.",erklärt sie, schüttelt den Kopf und geht zum Kofferraum. Unschuldig zucke ich mit den Schultern und muss dann doch lachen.
,,Nicht meine Sportart, Jake." Er lacht ebenfalls.
Weil ich den Fahrstuhl immer noch meide, laufen beide die vier Stockwerke mit mir nach oben. Ich habe es aufgegeben, ihnen zu sagen, dass sie es nicht machen müssen, sondern nach ihrer Gewohnheit weiter den Aufzug nehmen. Aber sie laufen dennoch. Oben angekommen müssen sie allerdings erstmal durchatmen, bevor ich die Tür zur Praxis öffnen kann. So auch heute.
Dell ist im Gespräch mit Piet, lächelt aber breit, als er uns sieht. Was Piet dazu veranlasst, sich zu uns umzudrehen.
,,Guten Morgen!",sagt Jake in die Runde und lässt sich von Dell die heutigen Papiere und Akten geben. Piet lächelt.
,,Guten Morgen.",erwidert er und auch er mustert mich. ,,Wie gehts dir, Rachel?"
,,Gut, denke ich.",antworte ich schnell. Erneut lacht Piet auf. Mein Instinkt sagt mir, dass es wieder mal an der Zeit ist, sich unauffällig hinter Jake zu verstecken und meine Anwesenheit unter den Tisch zu kehren. Was aber ein paar Sekunden zu spät kommt, weil sich in dem Augenblick Addison zu der über den Flur laufenden Naomi dreht.
,,Guten Morgen, Nae! Wir haben nachher eine Patientin zusammen?" Naomi streichelt mir einmal lächelnd über den Kopf und sieht dann Addison an.
,,Ja, Steve Harrison und seine Frau June haben einen unerfüllten Kinderwunsch und wollen nun rausfinden, woran es liegt.",sagt Naomi und fischt die Akte hinter dem Tresen hervor. Ich höre lieber weg, weil ich denke, dass diese Infos eigentlich nichts in meinen Ohren zu suchen haben und wohl alle hier tatsächlich vergesse haben, dass ich anwesend bin. Immer hin rennt Jake mich nicht über den Haufen, sondern legt schützend einen Arm um mich, als er einen Schritt in Richtung Büros geht.  So als wollte er selbst mich davor bewahren, umgerannt zu werden. Hat auf jeden Fall geklappt. Es dauert allerdings noch eine Weile, bis die Kolonne Montgomery-Riley weiterziehen kann. Mit Naomi, die aber an ihrem Büro stehen bleibt.
,,Wir sehen uns später!",sagt sie und verschwindet hinein. Addison wirft noch einmal einen Blick auf die Krankenakte, sieht dann Jake an.
,,So bezaubernd Maya auch ist, sie raubt ihren Eltern mit ihrer Pubertät gerade echt die letzten Nerven.",sagt sie.
,,Dabei waren wir in unserer Jugend bestimmt auch nicht besser:",sagt Jake nickend.
,,Das kannst du ja gerne mal Naomi sagen. Nur ich denke, dass es für sie ein schwacher Trost ist.",sagt Addison und wirft ihm einen vielsagenden Blick zu. Kurz muss ich mich beherrschen, dass ich nicht etwas dazu sage. Beide stellen ihre Sachen in ihren Büros ab und machen sich dann auf den Weg in die Küche, wo auch Amelia, Sam und Cooper sind. Denn das Wichtigste in dieser Praxis ist eigentlich der Kaffee, den hier jeder literweise trinkt.
,,Guten Morgen!",hallt es aus jeder Ecke. Ich setze mich auf einen Stuhl neben Amelia.
,,Na, mein Kücken.",lächelt sie und stellt ihre Tasse ab. Ich sehe sie vielsagend an. Sie nennt mich Küken, weil Addison sie früher immer so genannt hat und Amelia nun die Hoffnung hat, dass ich ihr neues Küken werde, wenn sie es nur oft genug zu mir sagt. Ich glaube, langsam hat sie damit auch Erfolg...

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 29 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Phönix aus der AscheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt