3. Part - Tag 6

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In der Ocean Side Wellness angekommen, fängt Dell sofort an, über beide Ohren zu lächeln. Das macht er seit dem ersten Tag.
,,Ach, Familie Montgomery-Reily! Es ist immer wieder schön, euch alle zu sehen.",sagt er. Schüchtern lächle ich, ziehe meine Ärmel noch weiter über meine Hände und verstecke mich unbemerkt hinter Jake.
,,Für dich habe ich heute eine Reihe Patientinnen. Addison, du hast zwei Entbindungen im St. Ambruce und dann wieder einige Patienten hier.",sagt Dell und verteilt die Krankenakten. Mir schenkt er ein Lächeln. Als der Fahrstuhl aufgeht, zucke ich zusammen und drehe mich um.
,,Guten Morgen!",strahlt Pete, der aus dem Fahrstuhl kommt.
,,Morgen, Pete.",sagt Jake, Addison ist gerade in eine Akte vertieft.
,,Wie geht es dir?",fragt er und bleibt vor mir stehen.
,,Gut, danke." Er sieht zu Jake, er macht irgendeine Geste, die ich nicht verstehe. Auch Cooper kommt plötzlich aus seinem Büro.
,,Die ganze Ladung Montgomery-Reily! Guten Morgen!",sagt er und klopft Jake auf die Schulter. Erst jetzt sieht Addison auf und lächelt. Pete ist mir Dell im Gespräch.
,,Und, wie hält sie sich?",fragt Cooper und sieht mich an.
,,Sie macht mir immer noch Sorgen.",sagt Addie, Cooper nickt verständnisvoll. Natürlich tut er das, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Addie gestern Abend mit ihm telefoniert, während ich gedankenverloren gezeichnet habe.
,,Ich sehe sie mir mal an, ja?".sagt er und streckt eine Hand nach mir aus. Ich weiche ihr ein Stück aus, Cooper versteht sofort.
,,Du weißt ja, du kannst in mein Büro. Wenn ich gerade nicht da bin, schaut Charlotte nach dir.",sagt Jake. Addie drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
,,Hab dich lieb!",nuschelt sie in meine Haare. Ich lächle, folge Cooper dann in sein Untersuchungszimmer. Er schließt die Tür, während ich etwas unschlüssig stehen bleibe.
,,Setz dich doch.",sagt er und deutet auf die Liege. Ich atme auf, setze mich dann tatsächlich.
,,Wie geht es dir?",fragt Cooper und lehnt sich gegen die Kante des Tisches. Er scheint mich zu mustern. Ich suche nach Worten, aber Cooper versteht mich auch so. Er lächelt bedrückt, kommt dann auch mich zu. Ich versuche nicht zusammenzuzucken.
,,Darf ich mit die Wunden mal ansehen?",fragt er. Ich schlüpfe aus der Jacke, zögere dann aber doch, bevor ich zulasse, dass er sie mir abnimmt und sich auf den Hocker vor mich setzt. Geduldig wartet er, bis ich ihm meinen Arm hinstrecke, bevor er den Ärmel hochkrempelt.
Ich sehe weg, als er vorsichtig den Verband abwickelt. Weil er weiß, dass ich jetzt Ablenkung brauche, ehe ich in Gedanken ertrinke, beginnt er zu reden.
,,Und, zeichnest du immer noch an dem Bild von Montag?" Heute ist Mittwoch. Und es war auch eher eine Skizze als ein richtiges Bild. Aber irgendwas musste ich ihm ja erzählen.
,,Nein, ich hab es beendet und arbeite jetzt an was Neuem."
,,Wieder maritim oder ein anderer Stil?" Aber ich komme nicht mehr zum Antworten. Die Wunden liegen frei, ziehen meinen Blick an und lösen sofort Flashbacks aus. Ich halte die Luft an und fange leicht an zu zittern.
,,Hey, alles gut!",sagt Cooper und sieht mich besorgt an. Ich kann den Blick nicht lösen. Die Gedanken werden laut.
,,Ich kann mir denken, dass es schwer ist, das anzusehen.",sagt Cooper. ,,Ich gucke sie mir ganz schnell an und mache dann wieder zu." Ein Schweigen entsteht. Ein Schweigen, dass schwer in der Luft liegt.
,,Sag schon, was zeichnest du gerade?",fragt Cooper. Erst jetzt löst sich der Druck des Schweigens und auch die Gedanken lösen sich langsam auf.
,,Es ist wieder maritim. Ich versuche, einen kleinen Einmaster im Sturm zu zeichnen." Cooper zieht eine Augenbraue hoch.
,,Symbolisiert es etwas?"
,,Nicht direkt" Er sieht mich an, er weiß es genau.
,,Der Sturm steht für die Stürme im Leben, mit denen man konfrontiert wird. Und der kleine Schoner..." Cooper nickt. Ich mag es nicht, meine Bilder so zu beschreiben. Aber das weiß Cooper nicht.
,,Es ist gut, Gedanken durch Bilder zu verarbeiten.",sagt er und holt die Mullbinde aus der Schale neben ihm.
,,Und was ist mit dem anderen Bild passiert?"
,,Addison hat es ins Wohnzimmer gehängt. Sie war so fasziniert davon, dass ich es nicht mehr wiederbekommen habe." Cooper lacht auf.
,,Das kann ich mir denken. Es ist aber auch wirklich wunderschön." Ich lächle verlegen.
,,Du kannst mir ja auch mal was zeichnen. Ich mag Autos. Schnelle Autos." Ich lache auf.
,,Ich kann es versuchen.",sage ich. Cooper lächelt, klebt dann das Ende des Verbandes fest und zieht meinen Ärmel vorsichtig wieder runter.
,,So, das hätten wir. Sehr gut gemacht. Jetzt würde ich ganz gerne noch mal deinen Blutdruck checken und dich auf die Waage stellen, bevor ich dich zu Sheldon schicke.",sagt Cooper, rutscht mit seinem Stuhl etwas nach hinten und misst dann meinen Blutdruck. Wie auch schon im Krankenhaus ist er etwas erhöht. Mein Gewicht hat sich kaum verändert. Ich stehe wieder unentschlossen da, als Cooper die Ergebnisse in meiner Akte notiert.
,,So langsam muss dein Gewicht steigen, sonst müssen wir uns auf Plan B fokussieren." Da ist er wieder, der Plan B.
,,So, dann hast du es bei mir geschafft. Ich bringe dich dann mal zu Sheldon rüber.",sagt Cooper, steht auf und hält mir die Tür auf. Ich versuche, möglichst umbemerkt neben ihm zu gehen. Ich fühle mich hier nicht wirklich sicher. Auch als er klopft, gehe ich nur zögernd hinterher.
,,Hey, Cooper.",lächelt Sheldon, sieht mich dann und steht auf.
,,Rachel, schön dich zu sehen.",sagt sie. Cooper reicht ihr meine Krankenakte, sagt dazu etwas, was ich aber nicht hören kann. Oder vielleicht auch gar nicht möchte. Oder soll?
,,Sehen wir uns nachher zum Essen?",fragt Cooper dann.
,,Ich denke schon.",sage ich. Er winkt.
,,Na dann, bis später!",sagt er und verschwindet. Sheldon sieht mich an.
,,Setz dich.",sagt er, deutet auf das Sofa und wartet, bis ich sitze. Ich reibe meine Fingergelenke.
,,Du siehst angespannt aus.",sagt Sheldon nach einer Weile, in der er mich beobachtet hat. Als ich nicht gleich darauf eingehe, holt er einen Block und ein Glas mit Stiften hervor. Auf dem Glas steht "Rachel". Selbst hier habe ich meine eigenen Stifte. Als ich allerdings nicht danach greife, sondern es einfach unberührt auf dem Tisch liegen lasse, stutzt Sheldon. Die Gedanken sind wieder da.
,,Rachel, was ist los?"

Phönix aus der AscheWhere stories live. Discover now