Kapitel 5.1

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Seitdem Daphne uns von ihrer kleinen Schwester erzählt hatte, war inzwischen ein Tag vergangen. Jeder hing seinen Gedanken nach und kümmerte sich währenddessen etwas um die Höhle.

Sie war viel größer, als ich Anfangs gedacht hatte. Unter der Matratze, auf der ich geschlafen hatte, befand sich eine dünne Palette, die man zur Seite schieben konnte. Darunter befand sich ein tiefes Loch, durch das man nur mit einer Leiter hinunter gelangen konnte, wenn man sich beim Aufprall nichts brechen wollte. 67 hatte in diesem Punkt einen großen Vorteil. Mit ihren Adlerschwingen, konnte sie problemlos in das Loch hinunter gleiten. Da das Loch nach unten hin immer breiter wurde, stieß sie auch nirgends mit ihren Flügeln an.

Wenn man die Leiter hinab geklettert war, landete man in einem runden Raum, von dem etliche Gänge abgingen. Zum Glück hatte ich Liv an meiner Seite, die sich hier augenscheinlich sehr gut auskannte, sonst hätte ich mich in diesem Labyrinth wahrscheinlich schon längst verlaufen. Gerade zog sie mich in einen Gang, der schier endlos war. Den Effekt verursachte vermutlich die Dunkelheit und die Tatsache, dass wir langsam gehen mussten, um auf dem feuchten Untergrund nicht auszurutschen.

Nachdem wir ein gutes Stück gegangen waren, kamen wir in einem Raum heraus, der im Vergleich zu den anderen Räumen sehr groß war. Mir klappte fast die Kinnlade hinunter, als ich den Raum betrachtete. Er sah genauso aus, wie eine normale Küche, wie man sie in jedem Haushalt vorfand. An den Wänden des eckigen Raumes standen ältere Holzschränke mit Glastüren und an den Wänden hingen sogar einige Messer, die an Holzbrettern befestigt worden waren. Von der Decke hing eine große Laterne, die Licht spendete.

Doch das, was mich am meisten fesselte, war das, was sich in der Mitte des Raumes befand. Es war ein Kreis, der aus Steinen gelegt worden war und das Loch umrahmte, das sich in dessen Mitte befand. War es ein Brunnen? Bekamen sie hierher ihr Trinkwasser?

,,Ist das ein Brunnen?", Fragte ich an Liv gerichtet und deutete mit meinem Finger auf den Kreis. Sie folgte meinem Arm und sah mich dann amüsiert an.
,,Klar! Ist das so schwer zu erkennen?" Man hörte, dass sie sich ein wenig über die Frage  lustig machte. Aber im netten Sinne.

Schnell schüttelte ich meinen Kopf, um ihr zu signalisieren, dass man es erkennen konnte.
,,Doch! Doch, man erkennt es, aber..."
,,Es ist ungewohnt oder?" Sie unterbrach mich und sah mich lachend an.
Ja, so war es. Schon seit Jahren fand man nirgends in Kenzie mehr solche Brunnen. In Ordon konnte man sie heute noch finden, aber vermutlich nicht mehr lange. Die Bewohner waren es leid, immer wieder einen Eimer hinunter zu lassen und ihn dann wieder heraufzuziehen zu müssen.

Lachend sah Liv mich an, als ich nichts erwiderte und ich stieg in ihr Lachen mit ein. Unser Lachen hallte durch die erdigen Gänge, füllte den ganzen Raum aus und mir wurde ganz warm ums Herz. Es tat gut, mal wieder zu lachen und unsere Situation zu vergessen. Gerade waren wir keine Menschen, die sich vor der Regierung verstecken mussten. Wir waren einfach nur Mädchen, die gemeinsam lachten und sich gern hatten. Mädchen, die wir auch vor den Laboren waren.

,,Liv, Xenia!" 67s Stimme hallte zu uns hinab.
,,Holt ihr noch etwas Wasser aus dem Brunnen? Und bringt doch bitte noch ein paar Zitronen mit!"
Liv rief ihr ein lautes "Ja!" nach oben und wandte sich mir wieder zu.
,,Dann mal los!"

Liv ging zu einem der Schränke und kramte ein wenig dort herum, bis sie einen hölzernen Eimer herauszog, der mit Metallstangen verstärkt worden war und den Henkel an dem Seil befestigte, das neben dem Brunnen platziert war. Ich sah ihr dabei zu, wie sie das Seil in die Hände nahm und den Eimer langsam daran in den Brunnen gleiten ließ. Man hörte, wie der Eimer an manchen Stellen an die Steinwand krachte, doch das war nicht schlimm, wie mir Liv erklärte. Durch die stabilen Metallstangen, kam der Eimer dabei nicht zu schaden.

~𝕏𝕖𝕟𝕚𝕒 | 𝔼𝕚𝕟 𝕃𝕖𝕓𝕖𝕟 𝕒𝕝𝕤 𝕄𝕦𝕥𝕒𝕟𝕥~Where stories live. Discover now