Albtraum

225 2 0
                                    

Schwer erheben sich nun meine Augenlider. Im ersten Moment weiß ich gar nicht, wo ich mich befinde. Doch nach und nach kommen die Erinnerungen wieder, als sich die Umgebung vor meinen Augen langsam lädt und immer klarer wird. Das Letzte, woran ich mich noch richtig gut erinnern kann, ist diese fremde Frau, deren Schreie mir in den Ohren widerhallen. Doch was ist danach bloß geschehen? 

Ich versuche mich zu bewegen und merke, dass ich es aus eigener Kraft nicht schaffe. Irgendeine Last hindert mich daran. Mein Körper wird regelrecht unter dieser begraben. Lässt mich die Welt nicht mehr verstehen. 

Meine Lippen fühlen sich total trocken an, als ich über sie fahre. Unter meiner Zunge spüre ich sogar winzige Risse. 

In meinem Kopf hämmert es lautstark. Es sind irgendwelche Stimmen, die ich allerdings nicht ansatzweise erkenne. Sie reden vollkommen durcheinander und scheinbar auf mich ein. Ich leiste keine Gegenwehr, denn diese Situation ist für mich unausstehlich. 

Wo ist Loana? Ich versuche mich aufzurichten, damit ich nach ihr schauen kann, doch mein Körper verweigert mir seinen Dienst. Wie eine Kartoffel plumpse ich zurück in meine erste Position. Mir entkommt dabei ein genervtes Grummeln. Kurze Zeit später passiert es. Eine plötzliche Müdigkeit zerrt an mir und ich falle in einen tiefen Schlaf. 

Ich sehe mich. Und ihn. Den Menschen, mit dem ich mein erstes Mal hatte und welchen ich bis heute noch verfluche. Er hat mich der Unschuld beraubt, weil ich damals zu leichtgläubig gewesen bin. 

Jetzt steht er hier und lächelt eine viel jüngere Version von mir an.

>>Nein, falle nicht darauf herein!<< Meine Rufe verlaufen ins Leere, denn sie erreichen die beiden Personen vor meinen Augen nicht. 

Ich sehe, wie meinem jüngeren Ich Flausen in den Kopf gesetzt werden. 

Kurze Zeit später gibt es einen Wechsel der Frequenz und ich erlebe auf Dauerschleife, wie sich der junge Mann, dessen Namen ich längst vergessen habe, an ihr vergeht. 

Meine Augen flackern unruhig hin und her und ein schriller Schrei entweicht aus meinem Mund. Ich spüre Gänsehaut überall auf meinem Körper und registriere auch zuerst die Arme nicht, welche nach mir greifen. Stehe komplett neben mir. 

In meinem Inneren tobt ein Chaos. Aus den Schreien und Hilferufen meines jüngeren Ich's bestehend. Leider kann man das Erlebte nicht mehr ändern oder ungeschehen machen.

Meine Augen suchen verzweifelt den Raum nach Loana ab. Das sie direkt vor mir steht, realisiere ich erst, als unsere Blicke aufeinander treffen. Pure Besorgnis steht in ihren wunderschönen Ozeanen geschrieben, als sie ihre Hand in Richtung meiner Stirn bewegt. Diese fühlt sich total kühl und sehr befreiend an, als sie ihr Ziel erreicht. 

Die andere Hand ruht derweil auf Loanas Stirn und ihre Augen weiten sich. Habe ich etwa Fieber?

Anstatt mir irgendetwas zu sagen, schleift mich Loana wieder direkt in Richtung des Sofas, auf dem ich bis vor kurzem lag. Ich möchte dorthin nicht besonders gern zurückkehren, denn jenes erinnert mich zu sehr an die Erlebnisse aus meinem Traum. 

Mir hat außerdem stets frische Luft gegen aufkommendes Fieber geholfen. 

Ich reiße mich mit der mir noch zur Verfügung stehenden Kraft von Loana los. Renne, oder stolpere viel mehr in Richtung des Balkons, da mich meine Füße nicht richtig tragen wollen. Drücke wenige Sekunden später die Klinke der Tür herunter und trete ins Freie. Kühle Luft umfängt mich augenblicklich. Ich atme sie ein. Sie tut unbeschreiblich gut. 

>>Meine Güte, komm wieder ins Haus. Du holst Dir hier draußen noch den Tod.<< Diese Worte Loanas erreichen mich nicht.

Ich bin nämlich mit der Umgebung  zu einer Einheit verschmolzen und möchte nie wieder von hier weg. Dieser Ort tut mir gut, denn er lässt mich alles vergessen. 

365 Tage devotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt