Kapitel 1

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"Verdammte Scheiße!", fluchte Magnus innerlich, als der Bierkrug in unerfreulicher Nähe an seinem Kopf vorbeizischte. Noch während es hinter ihm klirrte, setzte er zur Verfolgung des dreisten Werfers an. Der hatte bereits zuvor auf dem Absatz kehrt gemacht, ohne ansatzweise abzuwarten, ob sein improvisiertes Wurfgeschoss sein Ziel getroffen hatte.
Mit einem Vorsprung von wenigen Herzschlägen bahnte er sich nun seinen Weg durch den Schankraum der kleinen Taverne und stieß dabei einen protestierenden Gast aus dem Weg, was das Opfer eines weiteren Bierkruges forderte.
Magnus hingegen war fest entschlossen, den Mann mit den Gesichtszügen eines Nagetiers nicht entkommen zu lassen. Er setzte ihm so schnell nach, wie es seine zugegebenermaßen nicht allzu langen Beine erlaubten. Doch der Zorn über den feigen Angriff ließ ihn gerade zu durch den Raum fliegen, sodass er nach wenigen Schritten aufgeholt hatte. Gerade wollte er schon nach dem Kragen des Flüchtigen greifen, da sprang dieser unverhofft aus vollem Lauf über einen Tisch. Wenig grazil rumpelte Magnus in das hinderliche Möbelstück und erneut ging etwas zu Bruch.
"Bleib stehen du verdammte Ratte!", presste er zwischen den Zähnen hervor, während Schmerz durch sein Schienbein schoss, welches die Hauptlast des Zusammenstoßes getragen hatte. Der blaue Fleck würde ihn wohl noch die nächsten Tage begleiten. Ärgerlicherweise schien Magnus' Widersacher auf der anderen Seite des Tisches nicht gewillt, seine Flucht zu unterbrechen. Stattdessen blickte dieser panisch zu dem vor Wut schäumenden Magnus, bevor er in Richtung der geöffneten Eingangstür herumwirbelte, die kühle Nachtluft in das nach Alkohol und Mann duftende Innere der Taverne ließ. Wahrscheinlich konnte der arme Teufel schon sprichwörtlich die Freiheit riechen, da erlitt das dafür zuständige Organ unverhofft einen bleibenden Schaden. Sextus, seines Zeichens Wirt der Taverne, war während der Verfolgungsjagd hinter seinem Tresen hervorgekommen und hatte dem Gejagten in weiser Voraussicht den Weg abgeschnitten. So lief dieser ihm direkt in die speckigen Arme, von denen einer bereits zu einem gewaltigen Faustschlag ausholte. Ein unangenehmes Knacken ertönte, als die bärenhafte Pranke von Sextus auf die Nase des Mannes traf. Der fiel sofort um wie ein nasser Sack, wobei er Blut aus beiden Nasenlöchern auf Sextus Kleidung versprühte. Nicht dass dies einen Unterschied auf dessen fleckiger Schürze gemacht hätte, aber er sah dennoch leicht verärgert aus. Vielleicht aber auch nur, weil es eine Weile dauern würde, die ganze Sauerei vom Boden aufzuwischen, wie Magnus vermutete.
Wenig überraschend rührte sich der Getroffene nicht mehr und mit schmerzendem Schienbein humpelte Magnus um den Tisch herum zu Sextus. Der rieb sich seinerseits die Knöchel seiner Faust, während er zu dem armen Schwein herabblickte.
"Hab ihn sauber erwischt, was?", sagte er unberührt.
Magnus sah ebenfalls hinunter in das nun weniger rattenhafte, dafür sehr viel eingedrücktere Gesicht, bevor er anerkennend nickte.
"Wir können froh sein, wenn du ihm nicht das Nasenbein in sein Hirn gestanzt hast."
Auch wenn Magnus die Schlagkraft von Sextus wirklich bewunderte, hoffte er inständig, dass der Drecksack nicht wirklich das Zeitliche gesegnet hatte. Leichen hatten die unangenehme Eigenschaft, erhebliche logistische und organisatorische Schwierigkeiten hervorzurufen. Insbesondere wenn man sie in einer Taverne vor den Augen der Gäste produzierte. Andererseits festigen sie ungemein den furchtsamen Respekt, den man ihm in seinem Viertel entgegenbrachte, doch der ließ sich auch anders untermauern. Ein gebrochener Finger oder eine gesplitterte Kniescheibe waren weitaus weniger arbeitsintensiv und hatten dennoch beinahe den gleichen Effekt wie ein zerschmetterter Schädel. Während Magnus noch vor sich hin sinnierte, kehrte plötzlich wieder Leben in den Körper zu seinen Füßen zurück. Ein Regen aus Blut ergoss sich auf Magnus Hose, als der Mann prustend zu Bewusstsein kam und sich stöhnend an die Nase fasste, was er seinem anschließenden Schrei zufolge wohl sofort bereute. Sextus hingegen wirkte bei dem Anblick höchst zufrieden mit sich.
"Na siehst du? Hab ihn nur kurz schlafen gelegt."
Magnus klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, wobei diese für einen eher kleineren Mann wie Magnus gar nicht so leicht zu erreichen war.
"Wie konnte ich nur an dir zweifeln? Du könntest glatt wieder für mich in den Ring steigen, wenn du deine Gegner jetzt nicht mehr zu Brei verarbeitest."
Nachdem er nun doch keine Leiche entsorgen musste, besserte sich Magnus Laune merklich. Mit einem beiläufigen Nicken in Richtung Boden sagte er zu Sextus: "Würdest du bitte?"
Ohne zu zögern bückte sich der riesenhafte Wirt hinunter zu dem nun wimmernden Mann. Mühelos hob er ihn am Kragen auf die Beine und platzierte ihn sorgfältig auf einem Stuhl, der an dem Tisch stand, über den der Unglückliche noch eben gesprungen war.
Magnus schaute inzwischen durch den Schankraum. Insgesamt waren noch drei weitere Gäste anwesend. Zwei saßen an einem Tisch, wo sie ihr Kartenspiel unterbrochen hatten, um die Szenerie zu verfolgen. Der andere rappelte sich gerade wieder auf, nachdem er während der Verfolgung umgestoßen worden war. Magnus räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen, was mehr oder weniger unnötig war, da ihn ohnehin alle anstarrten.
"Es tut mir leid, aber ich glaube, Sextus muss den Laden heute früher schließen", sagte Magnus an die Runde gewandt und bemühte sich dabei um so viel Autorität in seiner Stimme wie möglich.
Allerdings schienen die Anwesenden gelähmt vor Angst oder schwer von Begriff, denn keiner rührte sich. Die subtile Aufforderung war offensichtlich nicht ausreichend gewesen, also kramte Magnus mit einiger Anstrengung in der letzten Ecke seines Gedächtnisses, bis er sich schließlich an den Namen einer der am Tisch sitzenden Männer erinnern konnte.
"Titus, richtig?"
Der Mann nickte mit Unbehagen, das ihm ins Gesicht geschrieben war.
"Wärest du so gut und schließt die Tür hinter dir, wenn du gehst?", sagte Magnus. Er hoffte, die direkte Ansprache würde ausreichen, um den Mann endlich wachzurütteln. Dessen Gesichtsausdruck wechselte erfreulicherweise von Anspannung zu plötzlichem Verstehen.
"Ja, natürlich. Wir wollten sowieso gerade los."
Er bedeutete seinem Spielpartner, sich zu erheben und sammelte eilig seine Karten ein. Danach machten alle drei Männer sich auf den Weg nach draußen. Als zum Schluss Titus an Magnus vorbeihuschen wollte, hielt dieser ihn mit einem Arm zurück, wobei er ihn mit einem tadelnden Blick strafte.
"Deine Rechnung", sagte Magnus im Tonfall eines Lehrers, der gerade einen besonders dummen Schüler danach fragte, wo seine Hausaufgaben geblieben waren. Titus schluckte. Hilfesuchend wandte er sich zu Sextus.
"Fast vergessen, entschuldige. Was bekommst du?"
Sextus wischte sich die blutverschmierten Hände an seiner Schürze ab, bevor er abwinkte.
"Ach, lasst gut sein, Jungs. Die Runde geht aufs Haus."
Magnus ließ seinen Arm prompt herabsinken, woraufhin Titus dankbar nickte. Ohne weitere Worte zu verlieren, entfernte er sich in einer seltsamen Mischung aus Rennen und Gehen, die Magnus ein amüsiertes Grinsen entlockte. Dann fiel die Tür der Taverne unheilvoll ins Schloss.
"Endlich unter uns, was?", sagte Magnus, während er beschwingt einen weiteren Stuhl heranzog, der dabei unangenehm laut über den Holzboden schabte. Mit einem wohligen Seufzen ließ er sich direkt vor seinem ehemaligen Angreifer darauf hinab und beugte sich nach vorne, als wollte er ein intimes Gespräch mit einem Freund führen.
"Nun, Marius, ich muss sagen, ich bin verwirrt. Wir sind doch gute Kumpels. Warum versuchst du mir den Schädel mit einem Bierkrug einzuwerfen, wenn ich mit dir sprechen will?"
Stille folgte auf seine Frage. Sein Gegenüber rutschte nur nervös auf seinem Stuhl umher, während weiterhin Blut auf Sextus Boden tropfte. Ein Taschentuch anzubieten hätte Magnus aber als unpassend empfunden. Das Ganze sollte so unangenehm wie möglich für Marius werden, sonst machte es nur halb so viel Spaß. Ungefähr eine halbe Minute wartete er also geduldig auf eine Antwort, dann gab er ihm eine schallende Ohrfeige, sodass ein roter Abdruck zurückblieb, gefolgt von einem erfreulichen Wehklagen.
"Bitte Marius, ich versuche mich wirklich zu beherrschen, aber du machst es mir unnötig schwer. Findest du das angebracht? Die nächste Ohrfeige bekommst du von Sextus und dann bricht er dir noch mehr Knochen in deinem Gesicht."
Einen Moment schienen die Gedanken in Marius geschundenem Schädel zu rasen, dann platzte die Wahrheit mit verzweifelter Stimme aus ihm heraus.
"Ich hab dein Geld nicht! Ich wollte nur abhauen, ich schwöre es!"
Magnus lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Glaub es oder nicht, aber das habe ich bereits vermutet. Wann war noch mal die Frist, die ich dir gesetzt habe?"
Marius schluckte schwer.
"Gestern."
Er schniefte, als ihm Blut und Rotz aus der Nase liefen. Langsam beugte sich Magnus wieder nach vorne und kam Marius so noch näher als vorher, sodass er ihm direkt in die Augen sehen konnte.
"Kannst du mir denn sagen, wieso du mein Geld nicht hast?"
Fast väterlich legte er Marius eine Hand auf die bebende Schulter, wo sie es nicht mehr weit bis zu dessen Hals hatte.
"Ich habe es verspielt. Du weißt, dass ich ein Problem habe. Ich will es lassen, aber ..." Magnus unterbrach das Gestotter mit einem ungehaltenen Schnauben, wobei er gleichzeitig Marius Schulter fester packte.
"Wer zur Hölle lässt dich noch spielen, wenn du mir Geld schuldest?"
Hinter Marius hob Sextus seine Hände, als wollte er sagen: "Also ich sicher nicht!"
Marius schniefte erneut und schüttelte dann energisch den Kopf.
"Das kann ich dir nicht verraten, die bringen mich um!", sagte er mit brechender Stimme. Langsam fragte sich Magnus, ob das Mitleid war, was er verspürte oder ob er einfach nur angewidert war. Entnervt schnalzte er mit der Zunge, denn es half ja nichts.
In einer fließenden Bewegung lehnte er sich wieder zurück und mit einem geübten Griff hob er sein Hemd an, sodass er mit der anderen Hand seinen Revolver aus dem Hosenbund ziehen konnte. Die Waffe lag schwer in seiner Hand, aber das Gewicht war beruhigend. Mit einem äußerst befriedigenden Klicken spannte er den Hahn, während er die Waffe auf Marius Brust richtete. Falls dieser noch bleicher werden konnte, als er sowieso schon war, tat er das in diesem Moment.
"So wie ich das sehe, hast du wesentlich bessere Chancen, wenn du es mir einfach erzählst", sagte Magnus.
Inzwischen war er sich sicher, dass er doch kein Mitleid mit dem Mann hatte. Spielsüchtige auszupressen war zwar oft lukrativ, aber deren Bonität ließ meist stark zu wünschen übrig und so brachten sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Geldgeber allzu oft in finanzielle Schieflage. Natürlich könnte ein Außenstehender argumentieren, dass das Geschäft mit offensichtlich Suchtkranken moralisch verwerflich sei und man sich nicht wundern brauchte, wenn man dadurch einer gewissen wirtschaftlichen Volatilität ausgesetzt war. Magnus war jedoch der Meinung, dass man sich seine Kundschaft im äußerst armen Distrikt Suburbium nur schwerlich aussuchen konnte. Also hätte er wahrscheinlich einem solch unverfrorenen Kritiker gesagt, dass er ihn am Arsch lecken könne.
Marius biss sich auf die Lippen und schluckte wieder schwer, wobei ihm ein weiterer Schwall von Rotz und Blut aus der Nase lief.
"In Ordnung. Auf der anderen Seite im Pescator. Da ist doch eine kleine Bäckerei, kennst du die?"
Marius machte eine kurze Pause, bis Magnus ihm signalisierte, dass er fortfahren solle.
"Hinter der Bäckerei ist ein Hof. Da ist es. Nur Fische, die ganze Runde. Aber die müssen irgendwie bescheißen! Niemals kann man so viel Glück haben!"
Marius Stimme wurde nun bei jedem Satz lauter und verzweifelter, während er immer weiter plapperte.
"Die Hälfte von denen waren Verrückte, die jede Hand mitgegangen sind. Wer jedes Blatt spielt, weiß nicht, was er tut! Das lernt man gleich als Erstes. Außerdem, wer hat denn zweimal hintereinander die gleichen Karten!"
Marius unendlicher Wortschwall setzte sich noch eine ganze Weile fort, bis Magnus die Geduld verlor. Er hatte selbst schon oft genug gespielt, um zu wissen, dass Pech nun mal dazu gehörte. Selbst die besten Spieler gewannen nur gerade so mehr, als sie verloren. Außerdem hatte er solche Erklärungsversuche bereits so oft gehört, dass er beinahe jedes Wort der Litanei nachbeten konnte. Also hob er seine freie Hand in einer gebieterischen Geste. Das ließ Marius abrupt verstummen, noch während er dabei war, sich darüber auszulassen, wie unberechenbar Anfänger beim Kartenspiel waren.
"Diese Kartenrunde, was kannst du mir noch darüber sagen?", fragte Magnus.
"Alles, was du wissen willst", sagte Marius eifrig nickend.
Diese Antwort stellte Magnus vorerst zufrieden. Froh darüber, dass sein Gegenüber endlich das unerträgliche Geplapper eingestellt hatte, sah er zu Sextus herüber.
"Hol uns eine Flasche Branntwein. Wir haben hier noch einiges zu bereden."
Sextus zuckte mit den Schultern, woraufhin er sich hinter seinen Tresen begab. Dort bückte er sich tief herunter und holte eine Flasche hervor, deren Inhalt vielleicht Branntwein war, aber so genau wollte Magnus das eigentlich nicht wissen. Marius hatte inzwischen zu schwitzen begonnen. Sein Blick huschte zwischen den beiden anderen Männern hin und her, wie bei einem in die Ecke getriebenen Tier. Mit schweren Schritten kam Sextus zurück und stellte die Flasche auf den Tisch, gefolgt von zwei kleinen Tonbechern. Danach positionierte er sich hinter Marius, der im Schatten des riesigen Mannes fast unsichtbar wurde.
"Trink."
Magnus tippte auffordernd mit dem Lauf des Revolvers an den Hals der Flasche. Marius wischte sich mit der Hand eine Schweißperle von der Stirn. Dann griff er mit zittriger Hand die Flasche und schenkte sich bis zum Rande seines Bechers ein. Magnus sah zu, wie Marius den Becher langsam zum Mund führte, wobei dieser Mühe hatte, nicht die Hälfte zu verschütten. Einen kurzen Moment zögerte Marius, dann kippte er den Becher in einer seltsam verkrampften Haltung in einem Zug herunter, weil er versuchte, Magnus dabei nicht aus den Augen zu lassen. Magnus konnte das gut nachvollziehen. Es schadete nicht, paranoid zu sein. Besonders dann nicht, wenn man gerade eine Waffe vor das Gesicht gehalten bekam.
Mit einem Knall stellte Marius den Becher etwas zu fest zurück auf den Tisch, woraufhin er sich mit seinem blutverschmierten Handrücken den Mund wischte. Magnus nickte und nahm wieder eine entspannte Haltung auf seinem Stuhl ein. Marius hatte genug gelitten. Der Spielsüchtige würde ihm alles sagen, was er wissen wollte. Damit die Atmosphäre etwas weniger bedrohlich wurde, legte er den Revolver demonstrativ auf den Tisch. Nach außen wirkte das wie eine Geste des Vertrauens, da Marius nun jederzeit nach der Waffe greifen und sie auf Magnus richten konnte, wenn er nur schnell genug war. In Wirklichkeit war die Waffe aber schon seit Monaten nicht geladen. Insofern war das Risiko überschaubar. Schusswaffen wie auch die zugehörigen Geschosse waren im ganzen Reich lediglich Soldaten und den Stadtwachen vorbehalten. Dementsprechend waren sie nur sehr schwer zu bekommen. Auf ihren Besitz standen drakonische Strafen und der Handel wurde sogar mit dem Tod bestraft.
Marius Augen huschten tatsächlich zu der Waffe auf dem Tisch. Er schien einen Moment zu überlegen, wie seine Chancen standen, besann sich aber wohl eines Besseren. Stattdessen füllte er sich hastig einen weiteren Becher mit Branntwein, den er wieder in einem Zug herunterstürzte.
"Wie hat es dich in den Pescator verschlagen? Leute aus dem Suburbium sind dort nicht gerne gesehen", fragte Magnus sein nun sichtlich entspannteres Gegenüber.
"Ich kenne da so einen Tuchhändler. Der hat mich mitgenommen."
Magnus hob die Augenbrauen. "Woher kennst du denn einen Tuchhändler"
"Vom Karten spielen", sagte Marius, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
"Natürlich."
Magnus seufzte und schenkte sich nun auch einen Becher ein. Die beinahe geschmacklose Flüssigkeit brannte furchtbar. Es dauerte einen Moment, bis der Schnaps seine Kehle wieder freigegeben hatte, sodass er fortfahren konnte.
"Wer betreibt die Runde?"
Eine Weile druckste Marius um die Antwort herum. Er schien angestrengt darüber nachzudenken, ob er die Information wirklich teilen sollte, bis Magnus fragend eine Augenbraue hob.
"Die Purgiones."
"Die Purgiones? Dachte ich mir. Hast du Namen für mich?"
Marius schüttelte aufrichtig den Kopf.
"Nein, außer dem Tuchhändler kenne ich keinen. Ich wusste nur, dass es Purgiones sind, weil ich ihr Zeichen an der Tür gesehen habe."
Magnus nickte. Die Purgiones blieben meistens im Pescator und ließen sich eigentlich nicht im Suburbium blicken. Das könnte als feindlicher Akt gewertet werden, besonders wenn sie sich in Magnus Viertel verirrten. Andere Cohors, wie die kriminellen Vereinigungen in der Hauptstadt genannt wurden, duldete er hier nicht. Aber für gewöhnlich blieben diese auch lieber unter sich. Daher war es kaum verwunderlich, dass ein einfacher Mann aus dem Suburbium noch nie zuvor Kontakt mit Purgiones hatte.
"Wie hoch sind die Limits?", fragte Magnus, wobei er zuerst Marius und dann sich selbst nachschenkte.
"Hoch! Ein paar Tausend gehen da schon."
Magnus pfiff durch die Zähne. Ein paar Tausend waren eine Hausnummer. Langsam bekam er das Gefühl, dass es sich gelohnt hatte, Marius nicht zu einem blutigen Brei schlagen zu lassen.
"Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es?"
Die Frage schien Marius einiges an Unbehagen zu bereiten, denn er kratzte sich nervös am Kopf, als müsste er nachdenken.
"Nicht so viele. Die Tür ist ziemlich massiv und hat eine kleine Klappe, sodass sie von innen erst mal schauen können, wer vor der Tür steht. Wer nicht eingeladen ist, kommt nicht rein."
"Drinnen?"
"Ein bis zwei Aufpasser. Es ging ziemlich gesittet zu, also im Verhältnis. Die meisten sind wahrscheinlich Händler. Keine ..."
Marius sah kurz betreten zu Boden.
"Verbrecher. Schon klar", sagte Magnus und grinste schelmisch.
Marius nahm wieder einen Schluck von seinem Becher, um die nun entstandene, unangenehme Stille zu überbrücken, trank nun jedoch langsamer. Wahrscheinlich spürte er den Alkohol und hatte Angst, zu viel zu sagen. Dafür war es aber bereits zu spät.
"Weißt du was, Marius? Ich hatte gerade eine Idee. Vielleicht gehe ich auch mal zu dieser Kartenrunde, wenn dort so viele Fische unterwegs sind."
Im hohen Bogen spritzte der Branntwein aus Marius Mund, als er sich daran verschluckte, sodass sich die braune Flüssigkeit zu dem inzwischen angetrockneten Blut am Boden gesellte.
"Das ist nicht dein Ernst!"
Marius starrte Magnus mit weit aufgerissen Augen an. Dieser lehnte sich gerade zufrieden zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Oh doch! Und du wirst mich begleiten."

Im Schatten des ImperiumsWhere stories live. Discover now