Episode 10 || 1

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Gerade eben war noch Sonnenuntergang gewesen und ich hatte mich schon lange gemeinsam mit Misa, Laura und Ji aus dem Fotostudio nach Hause verabschiedet. Nachdem sie beschlossen hatten, mit ganz EXO Gruppenbilder zu machen, hatten sie uns rausgeschmissen. Oder besser gesagt die Mitarbeiter hatten uns rausgeschmissen, nachdem Laura, Misa und mich Baekhyun, Sehun und Lay kurzerhand mit auf ein Gruppenbild geschmuggelt hatten.
Was wohl aus dem Bild geschehen war? Vermutlich hatte die Kamerafrau es vor überraschter Wut gelöscht. Ich hatte lange keinen Erwachsenen mehr so ausrasten sehen. Allein schon die Erinnerung ließ mich ein wenig schmunzeln.
Und jetzt war es nach Mitternacht. Weit nach Mitternacht.
Der ganze Raum war dunkel, nur der Mond schien leicht durch das große Fenster hinein.
"Bist du noch wach?", flüsterte ich Laura zu, doch keine Antwort kam.
"Laura? Bitte sag' mir, dass du noch wach bist. Ich kann nicht schlafen. Bitte."
Ich richtete mich langsam aufrecht auf, kniff die Augen zusammen und fixierte Laura noch einmal. Durch den leichten Mondschein war es relativ schwer, irgendetwas zu erkennen. Doch tatsächlich, sie schien tief und fest zu schlafen.
Abwartend, ob sie nicht doch aufwachte, verharrte ich aufrecht einige Momente, dann rollte ich mich vorsichtig aus meinem Bett.
"Ich gehe etwas trinken", erklärte ich der schlafenden Laura, die daraufhin nur kurz aufschnarchte. Es kostete mich einiges, nicht aufzulachen, denn das hätte sie letztendlich wahrscheinlich aus ihrem Schlaf gerissen. Und Laura wollte man nicht aus dem Schlaf reissen, das war gewiss. Sie konnte dann nämlich wirklich unangenehm werden.
Der Boden war eiskalt. Selbst durch meine Socken fraß sich die Kälte und erschwerte mir das Gehen.
In der Küche angelangt tastete ich mich erstmal zum Kühlschrank, schnappte mir eine Wasserflasche und begann zu trinken.
Die Totenstille war ich zwar gewohnt, ich blieb schließlich häufiger wach, doch irgendwie hatte ich ein merkwürdiges Gefühl.
Mein Blick glitt aus dem Fenster. Die Straße war wie erwartet menschenleer...
Oder doch nicht?
Beinahe verschluckte ich mich an meinem Wasser, als ich auf dem Vorbeet beziehungsweise Rasen zu dem Haus der EXO Leute sah. Wage konnte ich erkennen, wie irgendeine Person dort mit einer Schaufel herumgrub.
Rasch stelle ich die Wasserflasche zurück in den Kühlschrank. Was sollte ich jetzt tun? Die Polizei rufen? Oder Misa und Laura wecken?
Was wäre am vernünftigsten?
Noch ehe ich mir großartig weiter Gedanken machte, wofür ich mich letztendlich entscheiden sollte, fand ich mich auch schon an unserer Haustür wieder.
Vorsichtig drückte ich die Türklinke herunter und trat hinaus. Sofort umschloss mich eine eisige Kälte und beinahe wäre ich wieder umgekehrt, doch die Neugier hielt mich fest gepackt.
Immerhin, der Boden war weder kälter noch wärmer als der im Haus. Noch einmal atmete ich tief durch, überprüfte, ob der Türstopper richtig saß, damit ich wieder herein kam und schon ging ich auch schon unsere Einfahrt hinunter.
Mit jedem Schritt wurden die Geräusche einer Schaufel lauter und lauter und als ich an der Straße ankam und rechts einbog konnte ich auch eine leise Stimme irgendetwas murmeln hören.
Ich sollte ernsthaft die Polizei holen... Moment, wo war mein Handy?
Ich Dummkopf hatte es im Schlafzimmer liegen lassen. Ganz toll.
"Das war Opas Lieblings Baum. Es muss hier sein...", schnappte ich gerade in diesem Moment auf. Diese Stimme, sie kam mir so unglaublich vertraut vor...
Neugierig trat ich geschützt im Schatten der Nacht näher auf die Person zu und kniff meine Augen zusammen.
"Bitte...", murmelte sie gerade wieder, als sie eine weitere Schaufel Erde aufhob und genau im selben Moment von Mondlicht bestrahlt wurde.
Chanyeol?
"Warum zur Hölle kann ich es nicht finden?!", seine Stimme klang verzweifelt und wütend zugleich. Voller Emotionen schleuderte er seine Schaufel beiseite und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
"Warum kann ich es nicht finden?!"
Zögerlich trat ich aus dem Schatten hervor zu Chanyeol.
"C-chany-", ich unterbrach mich noch selbst. Im Fotostudio hatte er mir gesagt, ich solle ihn Chan nennen, jetzt, wo wir alle Freunde waren.
Freunde. Allein beim Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken herunter und das lag gewiss nicht nur an der Eiseskälte.
Überrascht drehte er sich zu mir und sah mich erst einmal ein paar Momente an. Auch wenn ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, wusste ich, dass er gerade seine Augen zusammen kneifen musste, da es so dunkel war, um mich zu erkennen.
"Chris? Bist du das?", fragte er dann ungläubig. Ich nickte.
"Ja, ich bin's."
"Ich dachte schon du wärst sonst wer!", rief er erleichtert aus, während er seine Arme sinken ließ.
"Und ich erst. Ich war drauf und dran die Polizei zu rufen, weil ich dachte, du wärst irgendein Stalker Fan oder so!"
"Guter Gedanke. Hier sollen momentan welche umgehen..."
Chanyeol lachte kurz auf und trat einen Schritt auf mich zu. Genau in diesem Moment beneidete ich ihn ein wenig um seine Jacke.
"Was machst du hier draußen?", fragte er und stemmte seine Hände in die Hüften.
"Das wollte ich dich gerade fragen", entgegnete ich gelassen.
"Ist Mitternachts Gartenarbeit ein neuer Trend oder was?"
Durch den Mondschein konnte ich erkennen, wie Chanyeol schmunzelte. Dann trat er einen weiteren Schritt auf mich zu. Sein Schmunzeln verschwand.
"Bist du nur im Pyjama?", fragte er überrascht ohne auf meine Frage einzugehen. Wieder nickte ich.
Stimmt. Oh.
"Bist du wahnsinnig? Willst du erfrieren? Oder gekidnappt werden? Oder schlimmeres?!", seufzte Chanyeol und kam noch einen Schritt näher.
"Sei froh, dass ich ein netter Kerl bin, der sich unter Kontrolle hat...", flüsterte er sehr leise, jedoch schnappte ich nicht einmal die Hälfte der Wörter auf, sodass ich ihn nicht verstand. Er stand mir nun genau gegenüber. Er roch nach umgegrabener Erde und Kälte, wenn das überhaupt möglich war.
Ich zuckte mit den Schultern.
"So kalt ist es nicht. Und hier ist eh keiner außer dir und mir..."
"Du zitterst", unterbrach mich Chanyeol und streckte mir eine Hand entgegen, die er vorsichtig an meine Wange legte. Seine Hand und seine Berührung war ganz warm.
"Und du bist eiskalt."
Schnell wich ich einen Schritt zurück, wobei ich auf einen kleinen Stein trat, der sich durch die Socke hindurch in meinen Fuß bohrte. Rasch hob ich meinen Fuß ein wenig an, mehr konnte ich mir jedoch nicht anmerken lassen. Mein Herz raste mal wieder.
"Wenn du nicht reingehst, wirst du dich erkälten", prophezeite mir Chanyeol, während er seinen Arm wieder sinken ließ und in die Hüfte stemmte.
"Du doch auch. Was machst du also noch hier draußen?", ließ ich nicht locker. Für einen Moment schwieg Chanyeol, dann holte er tief Luft.
"Du hast ja recht... Aber ich suche noch etwas."
Suchen. Hatte er nicht auch vom Suchen geredet, als wir heute im Fotostudio waren? Verwirrung tat sich in meinem Kopf auf und ließ mich die Kälte und mein Herzrasen vergessen.
Immer wieder diese wirren Rätsel, diese einzelnen Puzzleteile, die ich zugeworden bekam, aus denen ich jedoch kein Bild machen konnte.
"Lass mich dir suchen helfen!", schlug ich kurzerhand vor.
"Wonach suchen wir?"
"Vergiss es!", wimmelte mich Chanyeol sofort ab und lachte.
"Du hast mir schon häufig genug geholfen, wie oft soll ich das noch sagen. Ich komme gar nicht hinterher mit Ausgleichen!"
"Aber..."
"Wir machen einen Deal, okay?", nach kurzem Schweigen trat er wieder auf mich zu.
"Was für einen Deal?", fragte ich misstrauisch.
"Ich gehe rein, wenn du auch reingehst. Ich will nicht, dass du krank wirst und dann erkälten wir uns Beide nicht. Und du kannst mir Nachmittags ja suchen helfen, wenn du unbedingt willst..."
Seine Stimme klang plötzlich so anders als zuvor. Vollkommen überrascht wurde mir warm ums Herz.
Mit so einem Deal hatte ich wahrlich nicht gerechnet...
"Alles klar, so machen wir das!", ging ich sofort darauf ein, bevor er das Angebot noch zurückzog. Vielleicht war das soeben meine Chance gewesen, das wirre Puzzle zu vervollständigen.
Ich konnte hören, wie Chanyeol aufatmete.
"Also dann bis morgen?", fragte er vorsichtig.
"Bis morgen", wiederholte ich bestimmt und tapste ein paar Schritte rückwärts, um mich umzudrehen und Richtung Zuhause anzusteuern.
"Chris?", hielt mich Chanyeols Stimme jedoch kurz noch auf. Schnell warf ich beim Gehen einen Blick über meine Schulter und blieb stehen.
Ich stand bereits vor der Einfahrt.
"Ja?"
"Gute Nacht, schlaf gut."

EXO Next Door AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt