Episode 1 || 1

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"Und du bist dir ganz sicher, dass es hier ist?", fragte ich mit unsicherer Stimme und sah mich genauso unsicher in der Gegend um. Durch die Dunkelheit der Nacht konnte man leider kaum etwas von den Straßen und Gassen erkennen, durch die wir gerade streiften.
"Ja, es ist nicht mehr weit!", vernahm ich die Stimme meiner Freundin Laura ein paar Schritte vor mir, die sich auf jeden Fall zuversichtlicher als meine anhörte.
"Ich bin mir ganz sicher, dass es hier ist! Vertraut mir!"
Unwillkürlich musste ich schlucken. Was blieb uns anderes übrig, als ihr zu vertrauen? Wir waren nie hier geschweige denn in der Nähe dieses Ortes gewesen und schon garnicht zu solch einer Stunde. Die Kälte der Nacht liess mich kurz erschaudern. Ich konnte nicht leugnen, dass ich nicht nur aus Kälte am ganzen Leib zitterte. Die ganze Sache war mir nicht geheuer.
"Das will ich hoffen, es ist nämlich saukalt!", beschwerte sich Misa lautstark, die direkt neben mir lief und genauso wie ich am ganzen Körper fröstelte. Doch Laura reagierte nicht mehr. Vielleicht hatte sie gerade ihre volle Konzentration auf die Wegfindung gelegt und wir würden vielleicht bald mal an unserem Ziel ankommen. In dieser Gegend hatten wir uns irgendwo ein Haus gemietet. Laura hatte hier früher zwei Jahre lang gewohnt und meinte, dass es der ideale Ort für den ersten sehr langen Urlaub nur wir Mädels wäre. Vor ungefähr einer Stunde waren wir am Flughafen angekommen. Unsere Koffer hatte ein äußerst freundlicher Mithelfer der Vermieter zum Haus gefahren und obwohl es relativ spät war, wollte Laura unbedingt, dass wir statt mit dem Helfer im Auto zu Fuß hingingen, um direkt die Gegend kennenlernen zu können. Auf dem Weg könnten wir uns auch direkt Snacks besorgen, damit wir bis morgen zum Großeinkauf nicht verhungerten. Doch in der Dunkelheit konnte man eh kaum etwas außerhalb des Straßenlaternenscheins erkennen, geschweige denn die Gegend kennenlernen.
Wir überquerten noch eine verlassene Straße, bogen irgendwo nach links, dann nach rechts... Drei Straßen weiter hatte ich schon die Orientierung verloren.
"Lasst uns direkt zum Haus und keine Umwege gehen! Hier ist keine Menschenseele und ein 24h Laden, indem wir noch Zeug einkaufen können, sowieso nicht!", schlug ich vor und verlangsamte vorsichtig meinen Schritt, um dann auf der Stelle stehen zu bleiben. Ängstlich sah ich nach vorne zu Laura und der nahe gelegenen Gasse, die komplett dunkel aus dem Lichtschein der Straßenlaternen lag.
"Hast du etwa Angst?", stachelte Misa lachend von der Seite, verlangsamte aber ebenfalls und kam neben mir zum stehen. Zusammen schauten wir nach vorne zu Laura, die ein paar Schritte weiterging, dann jedoch ebenfalls stehen blieb, sich zu uns drehte und gleichzeitig die Hände in die Hüften stemmte. Durch die Stille konnte man hören, wie sie die Luft einzog.
"Aber ich bin mir sicher-", setzte sie an, doch verstummte, als hinter uns auf der Straße plötzlich die Silhouetten von Menschen auftauchten.
Sofort stürmten Misa und ich auf Laura zu und stellten uns, Laura mitziehend, in die düstere Nebengasse.
"Von wegen keine Menschenseele!", sagte Laura triumphierend, doch Misa brachte sie mit einem pssht zum schweigen. Vorsichtig lugte sie ein kleines Stück hinter der Ecke hervor und sah auf die Straße.
Erschrocken zuckte sie jedoch sofort zurück, als sie bemerkte, wie nahe die Passanten unserem Versteck waren.
Ich brauchte mich nichtmal neben sie zu stellen, ich konnte selbst von meiner Position aus nun die junge Frau erkennen, die schnell an uns vorbeizog, ohne uns zu bemerken. Wegen ihrer rosanen Kapuze und generell der schlechten Beleuchtung konnte man jedoch nicht genau erkennen, ob es sich tatsächlich um eine Frau handelte, doch ich ging durch ihre rosane Kaputze und Frauenjacke mit Pelz davon aus. War sie Prostituierte? Ihre Kleidung sah eher nicht so aus... Vielleicht auch jemand wie wir, die sich noch um unmenschliche Zeiten Snacks holen wollte?
"Warum verstecken wir uns hier?!", wisperte Laura leicht verwirrt. Ich wollte ihr gerade zustimmen, dass es lächerlich war und vorschlagen, dass wir nach den Weg fragen konnten, hielt jedoch inne, als eine relativ große Gruppe Männer an uns vorbeizog, welche uns ebenfalls in der Gasse nicht bemerkten.
Erschrocken hielt ich die Luft an. Man konnte nicht viel von den Männern erkennen, doch sie machten einen gefährlichen Eindruck, als wären sie eine Gang. Ihre Klamotten waren dunkel, sie trugen unter anderem Mäntel und auch Hüte, die ihnen etwas geheimnisvolles verliehen. Zwei von ihnen zogen gemeinsam einen großem Koffer mit sich, die Restlichen trugen Taschen. Waren sie hinter der Frau her oder nur Passanten? Vielleicht passierte gleich etwas kriminelles? Die Männer schienen zumindest kriminell oder zumindest gefährlich. Tausend Ideen schossen mir durch den Kopf, doch ich traute mich nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen.
Alles Fantasien, beruhig' dich, Chris!, redete ich mir ein, verscheuchte die düsteren Gedanken und holte so leise wie nur möglich Luft. Hauptsache wir wurden nicht entdeckt und kamen mit dem Leben davon. Leicht zuckte ich zusammen, als ich eine Katze vernahm, die über die Straße lief und im vorbeilaufen miaute.
Ich konnte förmlich spüren, wie Misa neben mir ihr Lachen zurück hielt. Sie hätte mich für das Zucken wahrscheinlich lauthals ausgelacht, wenn diese anderen Personen nicht gerade vorbeigehen würden.
"Wir stecken hier für drei Monate fest, oder?", hörte ich die Stimme eines Mannes im Vorbeigehen.
"Yup", antwortete ihm ein Anderer. Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie steckten hier für drei Monate fest? Waren sie Verbrecher auf der Flucht? Hoffentlich würden sie schnell vorbeigegangen sein... Je schneller sie weg waren desto besser. Unheimlich. Wieso hatte ich zugestimmt, mitzukommen? Je mehr ich darüber grübelte, umso fester biss ich mir auf die Unterlippe.
"Hinterher!", riss mich Misa flüsternd aus meinen Gedanken, dann sah ich, wie sie vorsichtig auf die Straße trat und die Richtung einschlug, die auch die Frau und die Männerbande gegangen waren. Im Laternenschein konnte ich noch kurz erkennen, wie sie abenteuerlustig aufgrinste. Oh nein, Misa, jetzt war definitiv nicht die Zeit für Detektiv spielen!
"Oh nein, Misa!! Bist du wahnsinnig?", stöhnte Laura neben mir, die ähnlich wie ich dachte, doch Misa konnte sie nicht mehr hören. Eilig folgten wir Misa, was blieb uns auch anderes übrig? Sie würde verloren gehen und wer weiß, wohin diese Personen sie führen würden!
"Ich wollte doch nur eine Packung scharf gewürzte Kartoffelchips...", seufzte ich. Laura stieß mich belustigt mit der Faust in die Seite, dann hatten wir Misa auch schon aufgeholt. Auf sicherem Abstand folgten wir der Gruppe aus Männern durch die Nacht. Auch die Frau war noch da, allerdings weiter entfernt. Sie sah sich immer wieder nach hinten zu uns um, doch ihr Gesicht sehen konnten wir von unserer Entfernung nicht.
"Misa! Stop!", versuchte Laura Misa aufzuhalten, doch diese schlich stur weiter geradeaus, ignorierte Laura und mich und ungewollt verringerten wir den Abstand zu den Männern.
"Sei leise! Willst du, dass uns irgendjemand hört?", sagte einer der Männer gerade zu einem anderen und deutete mit einer Hand nach vorne zu der rosa Kaputze. Uns hatten sie anscheinend nicht bemerkt, was für ein Glück. Wenn wir abhauen wollten, dann jetzt! Ich verschnellerte ein wenig mein Gehtempo, kam bei Misa an und zupfte an dem Ärmel ihrer grünen Jacke. Etwas zu sagen traute ich mich nicht, denn wenn wir die Männer hörten, dann könnten sie auch uns hören. Und das Risiko wollte ich wahrlich nicht eingehen.
"Mann, wir hätten uns darum kümmern sollen!"
Die Männer redeten sorglos weiter miteinander und ich zupfte noch ein weiteres Mal an Misas Ärmel, um sie hoffentlich irgendwie zum stehen zu bringen.
"Nicht jetzt! Es wird gerade spannend...", entgegnete mir Misa daraufhin flüsternd und deutete mit einer Handbewegung an, dass ich ebenfalls den Worten der Männer lauschen sollte. Ich schüttelte den Kopf, alles nur das nicht. Es konnte mir egal sein, um was die Männer sich noch hätten kümmern müssen.
"Matilda ist so schwer!", jammerte in diesem Moment der Mann, der mit einem anderen Mann den großen Koffer mit sich zog. Sofort blieben Laura und ich erschrocken stehen, doch nicht nur wir Beide, auch Misa ging nun endlich nicht mehr weiter. Wir hatten also alle das Gleiche gehört und dachten uns wahrscheinlich auch das Gleiche oder Ähnliche dazu. Matilda?!
Instinktiv stürzten wir wie eben in die nächste Nebenstraße und sahen uns mit großen Augen an. Hatten wir das gerade wirklich richtig verstanden?
Keiner von uns traute sich, auch nur ein Wort zu sagen.
In der Ferne ertönte ein kurzer Aufschrei, die Stimme einer Frau. Dann hörte man, wie jemand zu Boden viel und kurze Zeit später noch etwas leise auf den Boden flog, es hörte sich an wie etwas aus Plastik.
Waren wir wirklich in etwas kriminelles hineingeraten? Müsste man jetzt nicht eigentlich die Polizei alarmieren?!
"Nichts wie weg!", unterbrach ich die Stille und sah zu Laura und Misa, die gleichzeitig nickten. Zusammen gingen wir die Nebenstraße weiter, die wir sowieso schon eingeschlagen hatten.
"Ich bringe dich um, Misa!", schimpfte Laura mit zitternder, wütender Stimme.
"Tut mir Leid, ich konnte ja nicht ahnen...", murmelte Misa zurück, der nach der Verfolgung gerade jegliches Selbstvertrauen verloren gegangen war.
Laura seufzte.
"Und das Beste ist, dass sie ausgerechnet in die Richtung gehen, in die unser Miethaus liegt."
"Was?!", sagten Misa und ich beinahe gleichzeitig entrüstet.
Darauf fiel Laura nichts ein. Schweigend folgten wir ihr weiter. Irgendwie würde sie uns schon zu unserem Miethaus bringen. Irgendwie.

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