"eyes on the moon"

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Sein Vater sagte ihm, er solle einfach dem Mond folgen.

Louis hat es nie verstanden. Vielleicht wollte er ihm damit sagen, dass man irgendwann, irgendwie wieder nach Hause finden würde, wenn man sich verirrt hat.

Wo aber ist dann sein Vater geblieben? Ist er auch dem Mond gefolgt? Ist er in die entgegengesetzte Richtung gegangen?

Sie hatten nie ein gutes Verhältnis. Es war nicht schlecht, aber auch nicht gut. Tage, an welchen sie zusammen lachten, überwiegen die, an welchen sie einander beschimpften.

Louis erinnert sich nicht an die Gründe ihrer Beleidigungen. Doch er vergisst niemals das Gefühl, das sie jedes Mal in ihm ausgelöst haben. Das Gefühl von Zufriedenheit und Gleichgültigkeit zugleich.

Er weiß, dass es abgefuckt ist. Dass das keine Art ist, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht. Besonders nicht, wenn es Familie ist. Er weiß auch, dass ihr Umgang miteinander den Frauen des Hauses Sorgen bereitete.

Gerne redet Louis sich ein, dass genau hier der Unterschied zwischen ihm und seinem Vater liegt. Während sich Louis seiner Mutter gegenüber schämte und sich aber der Sache jedes Mal stellte, hat sein Vater sich geschämt und ist irgendwann einfach abgehauen. Louis ist kein Schwächling. Er steht zu sich selbst. Er steht dazu, dass er ein schlechter Mensch ist.

Manchmal.

Louis kann auch ein guter Mensch sein, wenn er das denn möchte. Manchmal auch, wenn er es nicht möchte. Oft redet ihm sein Gewissen Dinge ein, die ihn gegen seinen Willen handeln lassen.

Diesmal konnte er sein Gewissen ausblenden. Diesmal ist er in das Auto seiner kleinen Schwester gestiegen und ist einfach losgefahren. Es fiel ihm leicht, es war wirklich einfach. Und die Drohungen und Wutausbrüche, die ihm seine Schwester über WhatsApp Nachrichten seitdem hinterlässt, kitzelt Gekicher aus ihm heraus.

Er schämt sich nicht, nein, er hat ein richtig schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Auch seiner anderen Schwester. Und der anderen anderen Schwester gegenüber. Seiner Mum gegenüber hätte er es auch, aber sie kann ihm nicht mehr den Hintern versohlen. In ihr enttäuschtes Gesicht müsste er auch nie mehr blicken. Eine gute Sache an ihrem Tod.
Sie sagte immer, man sollte immer das Gute in Dingen sehen. Warum also sollte er sich für den Gedanken schämen? Er tut es trotzdem. Ein bisschen Seele steckt ja doch noch in ihm.

Oder?

Er weiß es nicht. Jedenfalls fühlt er sich besser, wenn er sagt, dass es der Wahrheit entspricht.

Mit rümpfender Nase beugt Louis sich nach vorne, um den Himmel durch die Windschutzscheibe ansehen zu können. Die Scheibenwischer sind betätigt und quietschen über das trockene Glas.

Vollmond.

Louis seufzt und lehnt sich im Sitz wieder zurück. Seine Augen kleben, seine Arme werden immer schwerer. Er will heute nicht mehr fahren. Schnelles Fahren macht ihn müde. Er sieht ein, dass er in diesem Zustand nur eine Gefahr darstellt. Also bleibt er auf der äußersten Fahrspur und fährt von der Autobahn hinunter, sobald er das Schild zu einem Rastplatz erblickt.

Louis rollt mit dem Polo quer über den Parkplatz. Die Raststätte steht leblos vor ihm. Einzig allein die Notausgangschilder leuchten giftgrün durch die verschmutzen Fenster des Bauwerks.

Larry Stylinson OneShotsOn viuen les histories. Descobreix ara