Kapitel 4

45 12 26
                                    

Bei ihrem Rundgang bemerkte Khione recht bald die teils hassvollen, teils verachtenden Blicke der Arakis. Was über sie gesprochen wurde, erahnte sie anhand des brummenden und zischenden Tons der Unterhaltungen. Keiner von ihnen machte sich die Mühe, den Unmut ihr gegenüber zurückzuhalten.

Um sich von der Feindseligkeit abzulenken, sah sich Khione um. Umgeben von imposanten Bergen war das Lager beschützt und nicht von der Steppe einsehbar. Auf manchen Spitzen befanden sich Reste von Schnee, die im Sonnenlicht ungewöhnlich hell waren. Dass es in diesem Teil des Landes überhaupt einen Winter gab, hatte sie nicht gewusst.

Mit hochgezogenen Schultern blieb Khione dicht hinter Sabah und hörte deren Erklärungen zu. Zuerst lernte sie, dass die Zelte der Arakis Khemah hießen und sie eines in ihrer Nähe bewohnte.

„Das sein Toa", sagte sie und zeigte auf die Männer, die dabei waren, ihre Pfeile zu präparieren. „Sie kämpfen und jagen. Frau und Mann Toa sein."

Aufgrund der Körperstatur erschloss sich Khione, dass es sich um Krieger handeln musste, aber dass Frauen ein Teil davon waren, verwunderte sie. Noch nie zuvor hatte sie gehört, dass das weibliche Geschlecht an der Seite der Männer kämpften. „Sagtest du nicht, dass Frauen euch heilig sind? Warum kämpfen sie dann?", wisperte Khione ihrer Führerin zu.

Ruckartig blieb Sabah stehen, und sie prallte fast gegen deren Rücken. Langsam drehte sie sich zu Khione um und nickte. „Ja, Frauen heilig, aber wir immer weniger werden. Wir Krieger brauchen, um Land zu verteidigen", sagte sie bedrückt mit dem Blick über das kleine Lager schweifend.

Aufmerksam beobachtete Khione, wie Sabahs von der Sonne gezeichnetem Gesicht von einer Trauer überschattet wurde. Sofort keimte Mitleid in Khione auf und in dem Moment wurde ihr bewusst, dass die Arakis scheinbar nicht mehr so viele Leute waren wie früher. Mit allen Mitteln wollten sie ihr Land behalten und schickten ihre heiligen Frauen auf das Schlachtfeld. Wenn sie richtig lag, würden sie das nur im äußersten Notfall tun.

„Und ... du? Bist du auch eine ... Toa?", fragte Khione leise.

„Nein, ich heilen mit Pahra und versorgen mit Essen", erklärte Sabah und ihre Lippen verzogen sich zu einem winzigen Lächeln. „Bruder nicht wollen, ich in den Krieg gehen."

Das konnte Khione nachvollziehen. „Wer ist dein Bruder?", erkundigte sie sich vorsichtig.

„Shiharu Makhah."

Keuchend schlug sich Khione die Hand vor den Mund und sie spürte, wie der Boden unter ihr zu schwanken anfing. Ausgerechnet er war ihr Bruder? Das durfte doch nicht wahr sein! Die beiden waren wie Tag und Nacht, sie aufgeschlossen und hilfsbereit, er unwirsch und drohend.

„Makhah guter Mann und Shiharu. Er wollen das Beste für uns", behauptete Sabah und nahm Khiones Hand, die sie leicht drückte. „Er nicht wehtun, wenn nicht notwendig."

Davon war Khione nicht überzeugt. Seiner Drohung nach zu urteilen scheute er sich nicht vor Gewalt. Nicht einmal vor Frauen. Ihre Vermutung wagte Khione nicht zu äußern. Es war zwar fraglich, ob die anderen ihre Worte verstanden, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Sie war dem Verhalten der Arakis gegenüber äußerst skeptisch.

Da sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte, blieb Khione schweigsam und wich Sabahs Blick aus.

„Du wollen baden? Wasser von Krishna sein kalt."

„Wer oder was ist Krishna?", fragte Khione leise.

„Fluß aus Bergen. Klares Wasser und gut trinken", erklärte Sabah, wobei sie eine Antwort gar nicht erst abwartete. Stattdessen zog sie Khione mit sich durch die Reihen der Khemahs.

Araki - Krieger des NordensWhere stories live. Discover now