2 | Elysium Haven

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Der Helm, den Xander spaßeshalber ‚Denkdeckel' nannte, brachte die beiden Reiseleiter in die erste Ebene des Elysium Haven. Der Helm war am Anfang der Entwicklung noch sehr sperrig und schwer gewesen und durch zahllose Kabel und Ioden mit den technischen Geräten auf der einen und dem Kopf der Reiseleiter auf der anderen Seite verbunden gewesen. Ein Grund, warum anfangs fast nur Männer diesen Job ausgeübt hatten, bestand in dem Umstand, dass man für die Anbringung der Ioden eine haarlose glatte Oberfläche benötigte.

Diese Zeiten waren spätestens mit der Erfindung der hochsensiblen Gedankentransmitter vorbei gewesen. Xander selbst hatte nie ganz verstanden, wie diese hochtechnischen Geräte funktionierten, doch sehr wohl begriffen, dass sie elektromagnetische Felder erzeugen konnten, die stark genug waren, auch durch die dicke schwarze Lockenpracht seiner Partnerin Sassy zu kommen, ohne dass diese dafür ihre Haare opfern musste.

Für ein paar Sekunden nach dem Aufsetzen des Helmes war alles um sie herum schwarz geworden. In dieser Zeit verband sich die Technik mit ihren Gehirnströmen und übernahm die visuellen sowie die akustischen Einheiten der Traumreiseleiter, wobei nicht nur die Reize von außen abgeschirmt wurden, sondern auch mit den Einheiten des Partners und der Innenwelt des Elysium Haven gekoppelt wurden.

Nur kurz darauf entstand vor dem inneren Auge der Reiseleiter der Ort, den Xander die Oasis nannte. Sie kamen auf einem weitläufigen, aus gepflasterten Steinen erdachten Platz an, in dessen Mittelpunkt ein überdimensional großer Springbrunnen stand, der regenbogenfarbiges Wasser ausspukte, das sanft an den Rundungen einer sich um einen Delphin windenden Meerjungfrau wieder hinunterlief.

Rund um den Platz gab es farbenreich verwinkelte Häuser aus Holz, Stein und anderen Texturen wie Papier und Wolle, mit zahllosen Türen, Toren und Durchlässen; hohe Türme mit Geschäften, die Kleidung für die Avatare, spezielle Gadgets, aber auch Hintergründe, Abenteuer und vorgefertigte 'Mitspieler' anbot, welche die reichen Gäste sich zu ihrem Vergnügen mit in ihre Traumwelt nehmen konnten; es gab Pflanzen und Blumen aus allen Teilen der Erde in jeder erdenklichen Form und Farbe, die vor den Häusern in Kübeln und in Blumenbeeten blühten und gefiederte und geschuppte Vögel, die durch die Luft sausten und im Licht einer unbekannten Quelle golden und silbern glitzerten.

Weiter entfernt, vor den Blicken der Neuankömmlinge noch verborgen, befanden sich schmale, mit türkisblauem Wasser gefüllte Kanäle, auf denen mit Ornamenten reich verzierte Gondeln schwammen, um einige der Gäste in weiter entfernt gelegene Gebiete zu bringen. Diese Umgebung war ein Stück weit dem alten Venedig nachempfunden, welches vor dem Anstieg des Meeresspiegels und dem daraufhin völligen Untergang der Stadt als Inbegriff der Romantik in Europa galt.

Über all dem spannte sich eine dunkelblaue Kuppel, an dessen Firmament Sterne und Planeten kreisten. Die Luft war erfüllt von einem leisen Wispern und Summen, in dem keine klaren Sätze oder Worte ausgemacht werden konnten, obwohl es auf dem Platz und vor und in den Geschäften von Avataren, die jeweils zusammen mit ihren Reiseleitern unterwegs waren, nur so wimmelte.

Einige Klienten waren schon so oft hier gewesen, dass Xander sie vom Sehen kannte. Er wusste nicht, wer sie im wahren Leben waren, denn jeder Gast dieser Traumwelt konnte sich am Anfang seiner Reise einen passenden Avatar zusammenstellen. Dabei gab es sowohl vorgefertigte Muster als auch die Möglichkeit einer individuellen Personalisierung. Für jeden Geldbeutel war etwas Geeignetes dabei.

Wobei Xander zugeben musste, dass selbst die Avatare der Basisversion den Models aus der Unterhaltungsbranche der realen Welt entsprachen. Denn natürlich wollte hier im Elysium Haven niemand aussehen wie er selbst. Jeder wollte das aus sich herausholen, was er oder sie seiner oder ihrer Meinung nach verdient hatte. Denn wer gab sich schon mit weniger zufrieden?

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