Die Nebelgeschichte

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Als er den Rauch aus atmete, versank sein Gesicht in dem Nebel, den er scheinbar in sich trug.

Der Nebel, der seine Rippen umwickelte und zwischen seinen schmalen Lippen nach draußen huschte, sobald er es zuließ.

Es schien so, als würde ein Winter in ihm wüten, den nur er fühlte.

Man sah auch den Nebel, der aus mir kam. Die Luft war kalt, so früh an diesem Novembertag und unsere Atemzüge wurden zu kurzzeitig sichtbaren Schwaden.

Und gemischt mit dem Rauch, den er durch die Zähne zog, atmete er so große Nebelschwaden wieder aus, dass er sich dahinter verstecken konnte.

Insgeheim stellte ich mir vor, wir wären die frühe Kälte. Ich stellte mir vor, wir wären das Wetter.

Wir wären der Regen, wenn wir weinten und der Sturm, wenn wir stritten. Wir wären die Wolken, wenn wir flögen und der Schnee, wenn wir die Betten ausschütteln.

Vorhin, da hatte ich diese Gedanken mit ihm geteilt. Und wer ist dann der Frühling?, hat er gefragt. Wer sind die Pollen und wer sind die Knospen?

Zwei andere, dachte ich. Zwei andere, die uns dann frei gaben, wie Kollegen, die uns ablösten. Im Frühling würden wir unsichtbar und sinnlos. Und im Winter durften wir sein.

Er hielt mir die halb aufgerauchte Zigarette hin. Sie roch nach Tabak und ein kleines bisschen nach Lakritze.

Ich steckte sie mir zwischen die Finger, doch schüttelte den Kopf. ,,Was, hast du Angst, daran zu sterben?", amüsierte er sich stumpf und nahm sie sich zurück.

,,Natürlich nicht." Ich zog meine Beine an und griff mit den gefühllosen Fingern um meine Knie. Es fühlte sich an, als würde ein Fremder sie umarmen.

Ich stellte mir vor, es wäre ein Mann, der mich mochte, mit warmer Haut, die frisch geduscht nach Kokosnuss roch und vom selben Nebel versteckt wurde wie wir.

Fühlst du dich einsam?, fragte er in meine Gedanken und ich nickte ihm, genauso gedanklich, zu.

,,Glaubst du, du warst mal verliebt?", flüsterte ich und wartete auf seine Antwort, die sich endlos Zeit ließ, um mir in die Ohren zu schlüpfen. ,,Vielleicht", war die Antwort.

Vielleicht war auf alles die Antwort. ,,Glaubst du, du hast mal geheiratet?", fragte er. ,,Vielleicht."

Der Nebel schwamm ein wenig davon, als er die Zigarette ausgedrückt hatte. Er blieb sitzen und bewegte sich kaum, genauso reglos wie ich neben ihm hockte.

Unsere Brust hob und senkte sich unsinniger Weise. Atmen fühlte sich an wie eine Bewegung ohne Ziel, doch es war eine alte Angewohnheit.

Ich sah auf meine Hände. Ich hatte lange, filigrane Finger, wie man es sich wünschte. Diese Hände waren die einzige Schönheit, die ich besaß, obwohl die Haut nicht mehr dieselbe zu sein schien.

Ich war an das matte Braun gewöhnt, an Adern und Hautfältchen, doch nun war die Farbe gewichen. Es sah aus wie ein altes, schneeweißes Bettlaken, das eng um meine Knochen und Muskeln schnürte, das aufgeweicht und daher fein durchsichtig war.

Die selbe helle Hautfarbe, die ihn genauso durchsichtig gemacht hat. Auch er hatte lange Finger und so eiskalte Hände, wie ein Metallgerüst nach einer Winternacht.

Ich fasste ihn nur selten an.

,,Bist du schon fertig mit nachdenken?", fiel mir ein und ich drehte den Kopf in seine Richtung.

Er hatte sich mit den breiten Unterarmen nach vorne gelehnt und auf seine Knie gestützt. Das schwarze Haar fiel ihm vor die Augen und selbst daraus blich die Farbe, die wie Staub daraus zu Boden rieselte.

Die NebelgeschichteOn viuen les histories. Descobreix ara