Das Extratraining

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Fast eine Stunde saßen wir erschlagen von den jüngsten Geschehnissen in unserer Leseecke. Alle waren in ihren eigenen Gedanken versunken und starrten auf den Fußboden. Dann klopfte es an der Tür und alle schreckten auf. Als sich keiner wagte aufzustehen um die Tür zu öffnen, raffte ich mich mühsam und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf und lief auf sie zu. Durch den Türspion konnte ich sehen das Professor Erion davor stand und ungeduldig darauf wartete das man ihm die Tür öffnete. Erleichtert atmete ich durch und öffnete ihm die Tür.
"Nah endlich" war seine Begrüßung ehe er unsere Wohngemeinschaft betrat. Kaum hatte ich die Tür hinter ihm geschlossen, da drückte er mir einen Stapel Papiere in die Hand.
"Eure neuen Stundenpläne. Ihr bekommt sie in Zukunft nur noch von mir. Nach dem Vorfall mit Esme können wir nicht riskieren das die Elfen wieder abgefangen werden. König Amos sollte, wenn möglich nicht erfahren was wir vorhaben. Ich hoffe es ist nicht nötig zu erwähnen das niemand außer denen die sich im Büro der Rektorin eingefunden hatten etwas von dieser Sache erfahren dürfen. Nur ihr habt einen Schutz vor dem Mal. Vertraut niemanden sonst verstanden?" Alle nickten eingeschüchtert von seinem strengen Blick.
"Ich bin selbst nicht begeistert für euch die Verantwortung zu tragen... Bei Titania ich habe wirklich genug anderes zu tun... Lasst es mich bloß nicht bereuen. Einen schönen Tag noch. Genießt ihn es wird euer letzter freier Tag sein" mit den Worten drehte er sich um und verließ uns wieder.
"Freundlich wie eh und je unser Professor, die Aufgabe hat er sicher nicht freiwillig übernommen" scherzte Ahila mehr genervt als belustigt. Nachdenklich teilte ich die Stundenpläne aus, darunter war sogar einer für Delwin der ja eigentlich gar nicht mehr zur Schule ging und ich sah wie die Augen aller immer größer wurden.
"Das wird ein hartes Semester" stellte Terra fest.
"Die einzigen Pausen die wir haben sind, wenn wir Essen und Schlafen müssen. Sonst haben wir keine freie Minute mehr" stellte Ahila entsetzt fest. Frustriert setzte ich mich wieder hin und starrte den Stundenplan an der von 6:00 - 23:00 Uhr komplett vollgepackt war.
"Das tut mir alles so leid" murmelte ich und alle sagen mich an.
"Wie meinst du das Azura?" Fragte Delwin besorgt.
"Das hier ist mein Problem und ich habe euch damit hineingezogen... Das hätte nicht passieren dürfen"
"Hör auf dir Vorwürfe zu machen. Wir bekommen das hin und solch einer Aufgabe kannst du dich nicht alleine stellen. Jeder braucht Freunde und Freunde sind immer für einander da" versuchte mich Terra mit einem schwachen lächeln zu trösten.
"Aber wie soll ich das nur schaffen? Ich kann doch nicht Mal meine Kristallmagie kontrollieren... Wie soll ich da mit der Kraft des stärksten Artefakts der Schattenfeen zurechtkommen? Wenn ich die Kontrolle noch Mal verliere wird es vielleicht schlimmer enden als mit meiner Faust in der Schulmauer" erklärte ich und sah dabei im Augenwinkel wie sich Kiran unwillkürlich seine Hand auf die Magengegend legte, ich wusste genau was ihm durch den Kopf ging.
"Wie gesagt, wir bekommen das hin und jetzt tun wir was Professor Erion gesagt hat und genießen unseren letzten Tag in Freiheit. Ab morgen sieht unser Leben hier ganz anders aus" schlug Selene vor, alle nickten und wir gingen alle unserer Wege, fürs erste.

Die kommenden Wochen waren genauso anstrengend wie es der Stundenplan versprach den uns Professor Erion jeden Wochenbeginn höchstpersönlich vorbeibrachte. Extrakampftraining, Vertiefung der Magischen Künste, doppelt so viel Geschichtsunterricht wie zuvor und in meinem Fall ein intensives Training zum Lesen und schreiben lernen. Und wenn uns das alles noch nicht reichte saßen wir bis spät in der Nacht in der Bibliothek und stellten Nachforschungen über das Mondzepter an. Mit rauchendem Kopf ließ ich meinen Kopf auf das dicke aufgeschlagene Buch fallen.
"Ich bin so müde" Murmelte ich und hoffte das mich keiner hörte.
"Dann geh schlafen Azura. Dein Schreibkurs heute war sehr heftig und du braucht von uns allen am meisten Ruhe. Wir machen hier weiter" kam es fürsorglich von Delwin der sich nach wie vor immer und zu jeder Zeit in meiner Nähe aufhielt.
"Ich kann euch doch nicht alleine weiter machen lassen" währte ich ihn ab.
"Hör auf deinen Wächter Azura, wir machen das hier schon" kam es von Selene was mich bei ihrer sonstigen Einstellung gegenüber Rotaugen doch eher verwunderte, aber ich gab letztendlich doch nach und ließ mich von Delwin zu meiner Wohngemeinschaft begleiten. Ich hatte kaum eine Chance auch nur einen Schritt ohne ihn an den Fersen zu gehen und war froh, wenn er mich wenigstens alleine auf die Toilette gehen ließ.
„Wird das jetzt immer so sein das du mir jederzeit hinterherläufst?" fragte ich ihn müde als wir vor der Eingangstür meiner Wohngemeinschaft stehen blieben.
„Das ist mein Job Azura. Ich dachte du hättest dich langsam daran gewöhnt"
„Das da hin und wieder aus dem nichts auftauchst ja... aber langsam fühle ich mich schon etwas verfolgt von dir" gab ich zu und bereute es als ich den dunklen verletzt wirkenden Schatten über sein Gesicht huschen sah.
„Das tut mir leid Azura... das war nicht meine Absicht. Es ist nur schon öfter passiert das ich nicht schnell genug reagiert habe und ich will nicht das mir so ein Fehler nochmal passiert... ich... ich will nicht das du wieder verletzt wirst nur weil ich nicht schnell genug reagieren konnte. Außerdem vertraut mir Rektorin Fenja deine Sicherheit an und ich möchte auch sie nicht enttäuschen... du scheinst ihr sehr wichtig zu sein" nachdem er dies so niedergeschlagen zugab wurden meine Schuldgefühle nur noch größer. Mir war nicht bewusst unter was für einem hohen Druck Delwin stand und dass er sich keinen weiteren Fehler erlauben konnte.
„Nein, mir tut es leid. Ich hätte dir deswegen keine Vorwürfe machen dürfen. Es waren nur sehr anstrengende Tage und ich bin müde das ist alles" versuchte ich mich wieder aus meinem Schlamassel herauszureden. Dabei traute ich mich nicht mal ihm in die Augen zu sehen und starrte nur auf den Fußboden mit der Intension einfach durch die Tür zu stürmen um dieser unangenehmen Situation zu entkommen.
Wenn ich wohl ein kann, dann bis in die Knie in ein Fettnäpfchen zu treten. Doch ehe ich auch nur über den ersten Schritt nachdenken konnte tat Delwin etwas völlig Unerwartetes. Er zog mich in eine feste Umarmung.
„Ich werde alles tun um dich zu beschützen, das verspreche ich dir" wieder ein Versprechen, wieder ein Schwur und wieder jemand der sein eigenes Leben aufs Spiel setzten wollte um meines zu retten. Das Ganze wurde mir zu viel und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Sanft drückte ich mich wieder von ihm weg und in dem Moment als ich nur einen Augenblick an seiner Schulter vorbeisah, sah ich Kiran am anderen Ende des Gangs stehen. Er beobachtete uns argwöhnisch ehe er kehrt machte und wieder im dunklen Gang verschwand.
Was glaubt er nur gesehen zu haben? Delwin folgte meinem Blick, jedoch bekam er Kiran nicht mehr zu sehen.
„Ich gehe dann mal ins Bett. Gute Nacht Delwin" sagte ich ehe er mich fragen konnte was ich im Gang gesehen habe.
„Gute Nacht Azura" flüsterte er fast während ich schon durch die Tür ging und sie hinter mir schloss ohne mich nochmal zu ihm umzudrehen. Müde und geschlagen machte ich mich im Bad frisch und ließ mich dann auf mein Bett fallen wo ich sofort einschlief.

Am nächsten morgen wachte ich genauso müde auf wie ich am Abend zuvor eingeschlafen war. Als ich mein Zimmer verließ war keiner der anderen zu sehen. Ich vermutete das sie noch schliefen oder schon beim Frühstück waren, jedoch kam es mir eigenartig vor das sie mich nicht geweckt hatten. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und lief in den Gang wo Delwin schon gegen die Wand gelehnt auf mich wartete.
„Guten Morgen" begrüßte er mich gleich und begann dabei seinen Rücken durchzustrecken.
„Guten Morgen... standest du schon wieder die ganze Nacht da? Ich dachte in meiner Wohngemeinschaft wäre ich sicher?" fragte ich verwirrt und schuldbewusst zugleich. Denn auch wenn Vampire keinen schlaf brauchten, benötigten sicher auch sie mal eine Pause und Delwin hatte schon lange keine mehr.
„Ich will nur auf Nummer sicher gehen" währte er ab und kam auf mich zu.
„Du siehst immer noch müde aus. Hast du nicht geschlafen?"
„Doch habe ich. Ich bin diesen strengen Stundenplan einfach noch nicht gewohnt. Hast du die anderen gesehen?" lenkte ich ab. Er schüttelte nur besorgt den Kopf, dann gingen wir zusammen zum Frühstück.

Auch im Speisesaal sah ich die anderen nicht. Nur Kiran saß an dem Platz wo wir sonst immer beim Essen saßen. Delwin setzte sich zu den anderen Vampiren, bedacht auf einen Platz von dem aus er mich jeder Zeit im Blick hatte.
„Guten Morgen" murmelte ich leise. Kiran sah nicht von seinem Tablet auf.
„Guten Morgen" antwortete er etwas mürrisch. Ich zögerte und überlegte ob ich einen Stuhl zwischen uns frei lassen sollte, denn er wirkte nicht so als wolle er Gesellschaft, zumal nicht mal Rune bei ihm war. Schweigend setzte ich mich dann doch neben ihn um die Stimmung nicht noch mehr in den Keller zu drücken als sie es ohne hin schon war. Still begann ich zu Essen und gedanklich die Wege der Akademie in meinem Kopf durchzugehen die ich heute auf mich nehmen musste, dabei waren auch mögliche Versteck- und Fluchtmöglichkeiten sollte ich Lumia und ihren Schergen auf den Gängen begegnen.
„Wie geht es dir?" fing Kiran plötzlich eine Frage an die mich aus meinen Gedanken riss. Verwirrt sah ich ihn an und fragte mich ob es ihn tatsächlich interessierte oder ob er das nur aus Höflichkeit gefragt hatte. Da er mich nach wie vor nicht direkt ansah tippte ich auf das letztere und wandte meinen Blick auch wieder von ihm ab.
„Mir geht es gut... was ist mit dir?"
„Du siehst erschöpft aus" ignorierte er meine Frage einfach und das verschlimmerte meine Unsicherheit nur noch mehr.
„ich bin nur müde und muss mir den ganzen Informationen erstmal zurechtkommen. Das wird schon" er nickte und es wirkte als würde er mir das auch glauben.
„Wo sind die anderen?" versuchte ich es ein weiteres Mal.
„Sie waren die ganze Nacht in der Bibliothek. Womöglich sind sie dort eingeschlafen" antwortete er knapp ehe er sich wieder seinem Essen widmete. Unwillkürlich musterte ich ihn und fragte mich was mit ihm los war. Er wirkte wieder so kalt und distanziert, nicht mehr so warmherzig und vertrauensvoll wie an dem Abend am Wasserfall. Ich fragte mich ob ich etwas falsch gemacht habe oder ob es eine andere Erklärung gab, doch mir fiel nichts ein.
„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet" fing ich an und dieses Mal sah er doch zu mir.
„Wie geht es dir?" wiederholte ich meine Frage in einem ernsteren Tonfall, so dass er merkte das ich keine weitere Ablenkung duldete.
„Mir geht es bestens, das muss aber nicht deine Sorge sein" maulte er mehr, was mich nur noch stutziger werden ließ.
„Irgendwas ist doch aber los mit dir?"
„Jetzt hör mir mal zu. Diese Sache hier ist wichtig. Ich kenne meine Aufgabe und du deine, das heißt aber nicht, dass wir eine Freundschaftliche Beziehung aufbauen müssen. Ich werde mich an meinen Schwur halten, aber wenn du dich über deine Gefühle ausheulen willst, kannst du dich an deinen Vertrauten Vampirfreund wenden" mit den Worten nahm er sein Tablett und stürmte davon. Wie angewurzelt saß ich da und konnte nicht glauben was er mir gerade an den Kopf geworfen hatte, denn ich war der Meinung das wir einer möglichen Freundschaft bereits nähergekommen waren.
Liegt es daran das er mich und Delwin gestern gesehen hat? Oder ist die Feuerfee in ihm wieder stärker geworden? Ich konnte das nicht einfach auf mir sitzen lassen und folgte ihm. Im Gang holte ich ihn ein.
„Kiran warte!" er blieb stehen ohne sich zu mir umzudrehen, dennoch sah ich wie sich seine Muskeln unter seinem Schwarzen Mantel anspannten.
„Ich weiß nicht was du glaubst gestern gesehen zu haben, aber es ist sicher nicht das was du denkst" verteidigte ich mich. Er drehte sich mit ernstem Blick zu mir um.
„Was glaubst du denn was ich gestern gesehen habe?" mit so einer Gegenfrage hatte ich nicht gerechnet.
„Ich... ich weiß nicht" konnte ich nur stottern. Dieser Blick und diese Feuerroten Augen schüchterte mich zu sehr ein um einen klaren Satz bilden zu können.
„Es ist mir egal mit wem du anbandelst oder wem du dich anvertraust. Das ist deine Sache. Aber ein Vampir ist meiner Meinung nach nicht der vertrauenswürdigste Umgang" dieser Satz machte mich wütend.
Warum ist er so zu mir? Was habe ich nun wieder falsch gemacht? Ich war so wütend das ich den folgenden Satz bereits bereute ehe ich ihn aussprechen konnte.
„Komisch. Das gleiche sagt er über dich" sein Blick verfinsterte sich zunehmend.
„Damit steht deine Entscheidung dann wohl fest" dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Menge...

Schattenelement - Krieg der FeenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt