𝐄 𝐋 𝐄 𝐕 𝐄 𝐍

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Sommersprossen zierten ihr Gesicht und auf ihren weinroten glänzenden Lippen trug sie ein solches Lächeln, welches einem eine Gänsehaut bereitete. Sie sah so glücklich aus, so liebenswert und als ob sie jeden Tag strahlen würde. Wer hätte ahnen können, dass sie eines Nachts attackiert wird?

Wer hätte wissen können, dass dies die Todesnacht einer wunderschönen jungen Frau, wie Grace es war, werden würde? War es geplant? Wenn ja, wer hatte es damals auf sie abgesehen? Wenn nein, warum musste es unbedingt sie treffen? Grace sah auf den Fotos aus, wie ein wahrhaftiger Engel.

Später recherchierte ich mehr über sie, und fand heraus, dass sie Balett tanzte. Auch, wo ihr Grab lag. Tatsächlich besuchte ich es ab und zu, obwohl ich sie nie persönlich kennenlernen konnte. Aber mich beschäftigte der Fall sehr damals. Grace wohnte zwei Häuser weiter als ich früher.

Ich parke das Auto direkt vor der großen Tür und steige aus. Liv tut es mir gleich.
Diese Gegend ist so verdammt unheimlich. Vorsichtig blickt Olivia sich um und schaut mich verwirrt an. Ich laufe zur Tür und krame meinen alten Schlüssel aus meiner Tasche. Es hängt eine Hundepfote dran. Ich habe mich nie getraut, ihn wegzuwerfen. Der Schlüssel ist das Tor zu meiner Vergangenheit.

Ich stecke den Schlüssel in die Glastür und öffne sie langsam. Immer ruhig bleiben, Ella. Ich trete nach Liv ein und laufe zum Fahrstuhl. Ich überfliege kurz die Zahlen und tippe dann auf eine. 4. Etage. »Was machen wir jetzt hier?« fragt mich Liv neugierig und schaut mich durch den Spiegel an.

»Wirst du gleich sehen.« murmel ich und nach wenigen Minuten kommt der Fahrstuhl zum stehen. Ich hasse Aufzüge. Habe ich schonmal erwähnt, dass ich Platzangst habe? Der Fahrstuhl öffnet sich und wir verlassen ihn. Leise laufen wir den Gang entlang. Ich bleibe vor der mir allzu bekannten Tür stehen.

Ich habe sie damals mit so viel Freude verlassen. Die Tür ist angelehnt. War ja klar. Ich stoße sie vorsichtig auf und wir treten ein. Als erstes betrete ich das kleine Wohnzimmer. Die Couch ist komplett verdreckt und der Fernseher liegt kaputt auf dem Boden, vermischt mit Glasscherben.

Überall liegen fucking Glasscherben. Ich schaue mich weiter im Raum um. Getrocknetes Blut ist auf dem Sessel, was nie aufgewischt wurde. Auf dem braunen Sessel, der seelenruhig in der Ecke steht. Es ist mein Blut. Ich schlucke und Liv folgt mir in die etwas größere Küche.

Der ganze Esstisch voller Weinflaschen. Die Schränke gefüllt mit Alkohol und versteckt in der hintersten Schublade, Drogen. Einmal nahm ich mir einfach welche raus, doch Vater hat es schnell herausgefunden gehabt. Das Geschier verschmutzt und die Uhr ist kaputt.

Tränen fließen stumm über meine Wangen. Und hier habe ich jahrelang gelebt? In so einem Drecksstall? Warum, warum, warum? Seit Monaten hat niemand mehr hier nachgeputzt. Ich hätte dafür sogar gezahlt, aber keiner ist gekommen. Niemand will diese Wohnung mehr. Meine Erzeuger haben sie verwüstet und zu einem Drecksloch gemacht.

Ich schäme mich so sehr dafür. Ich glaube, dass habe ich schon immer. Ich wollte nie, dass andere wissen, wo ich wohne und als was meine Eltern arbeiteten. Überraschung: Sie waren beide arbeitslos. Ich atme tief ein. Den Gang entlang, an der letzten Tür, hängt ein Schild.

Estella

Ich stoße die Tür auf und betrete mein damaliges Kinderzimmer. Es ist so vertraut. Überall liegen meine alten Klamotten verteilt. Die Wände bemalt und Pizza Kartons auf dem Boden. Ich habe alles verwüstet hinterlassen. Wollte nichts mitnehmen ins Heim.

Alles weg, weg, weg. Weit weg von mir. Meine Notfallbox von früher, liegt offen auf dem Bett. Daneben mein lila Teddy. Ich lasse mich auf meine Knie fallen und schluchze laut. Vielleicht ist es doch viel aufeinmal. Ich wollte alles verdrängen. Und jetzt bin ich wieder im Geschehen. Jetzt hänge ich in meiner Vergangenheit, durchlebe sie. Ich sehe mich überall.

𝐈𝐌𝐌𝐎𝐑𝐓𝐀𝐋 𝐃𝐀𝐍𝐂𝐄𝐒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt