𝐍 𝐈 𝐍 𝐄

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Komplett überrumpelt guckt sie mich an. Und dann- dann nimmt sie mich einfach in den Arm. Zum ersten Mal, zucke ich nicht zusammen. Es ist schön, jemanden wieder zu umarmen. Auch wenn es nicht Ale ist.

Ich lasse es einfach geschehen. Ich lasse mich von ihr halten. Wie ein kleines Kind, was schlecht geschlafen hat. Wir weinen und drücken einander fester zu sich. Ich habe sie vermisst. All die Jahre habe ich sie vermisst.

Ich hatte Heimweh. Heimweh nach Liv. Nach der Liv, die ich liebte und kannte. Bevor ich Olivia kennenlernte. Und jetzt habe ich Liv wieder. Hoffentlich. Wir weinen, wegen Ale. Weil sie meine Trauer sieht. Wir weinen, wegen dem Geschehenem damals. Wegen den Tagen, an denen wir nicht miteinander sprachen.

Wegen allem, was geschah. Aber vor allem weinen Liv und ich, weil wir uns nun endlich wieder haben. Liv and Ella are back, bitches. Okay, vielleicht sollte ich jetzt so reden, entschuldigt.

Meine Arme sind um ihren Hals geschlungen. Ihre, um meine Hüfte. Wir schluchzen und trösten uns. Weinen und lachen. Ich brauche diesen Halt gerade. Ich brauche ihn einfach. Egal von wem. Einfach das Gefühl, gehalten zu werden.

Nach Minuten lösen wir uns voneinander. Unsere Hände immer noch verwebt. Wir fangen an, zu erzählen. Fangen an, über all das zu erzählen, was wir in den Leben des anderen verpasst haben.

Zu viel. Viel zu viel. Es macht mich so traurig, dass sie es mir nicht schon früher alles gesagt hat. Dass wir erst jetzt die Chance für einen Neuanfang bekommen haben. Gemeinsam. Aber es fühlt sich richtig an, hier zu sein.

~

Ich sitze im Bus. Liv neben mir. Wir fahren gemeinsam zur Tanzschule. Ich bin etwas nervös, doch ich werde es schaffen. Heute muss ich meine Entscheidung mitteilen. Sie nimmt meine Hand und wir steigen gemeinsam aus. Sollte ich nochmal alles bedenken und mich doch umentscheiden?

Ich weiß es nicht. Wir laufen in das große Gebäude der Tanzschule und melden uns an, ehe wir zur Umkleide laufen. Ich zögere, doch stelle schließlich meine Tasche neben Livs ab. Warum nicht?

Wir beginnen uns umzuziehen. Ich hatte Angst, dass sie mich anstarren würde, doch nein, sie guckt nur geradeahs oder auf den Boden. Ich bin so erleichtert, dass sie nicht nochmal nachgefragt hat. Fertig in Sportklamotten gehen wir zum Balett Raum. Ich will am liebsten wieder umdrehen und mich in mein Bett kuscheln.

Ich atme einmal tief ein und Liv nickt mir aufmunternd zu. Wir treten ein. Juliette steht am Pult und guckt langsam auf. Als sie uns sieht, winkt sie uns zu sich. In schnellen Schritten erreichen wir sie und ich schlucke einmal schwer.

Nervös spiele ich mit meinem Ring am Finger und atme tief ein. »Ich habe mich dazu entschlossen, dass Angebot anzunehmen.« sage ich mit fester Stimme. Habe ich das gerade wirklich gesagt? Zum ersten Mal habe ich es nun ausgesprochen. Ich werde es durchziehen. Vorsichtig schiele ich zu Liv. Ihr Blick liegt auf Juliette. Guck mich doch an, du Huhn.

Ich werde mich dazu überwinden müssen, wieder Balett zu tanzen- doch auch hier habe ich auf mein Herz gehört. Ich brenne für das Balett. Seitdem ich wieder auf Spitzen stand, habe ich verloren. Mein Versprechen gebrochen. Denn ich habe ganz vergessen, was das Balett für mich war. Wie es sich anfühlt. Und jetzt bin ich wieder mittendrin.

»Das freut mich sehr zu hören, Estella. Mit euch beiden wird die Schule zwei wunderbare Schülerinnen bekommen. Ich werde dir die Formulare zukommen lassen.« Sie lächelt mich an und und widmet sich wieder ihrem Laptop zu.

Olivia und ich verlassen den Balett Raum und steuern auf unseren zu. Wow. Ich bin wirklich überrascht von mir selbst. Früher hätte ich es selbst abgelehnt, wenn ich es gewollt hätte. Wir lassen uns auf zwei Stühle in der hintersten Ecke nieder.

𝐃𝐀𝐍𝐂𝐄 𝐋𝐈𝐊𝐄 𝐈𝐓'𝐒 𝐘𝐎𝐔𝐑 𝐋𝐀𝐒𝐓Where stories live. Discover now