Kapitel 8

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Nachdenklich rolle ich die Spaghetti auf meinen Löffel auf, bevor ich vorsichtig daran rieche. Irgendetwas in an seinem Rezept anders, als die Zubereitung, die ich kenne. Und das irritiert mich. Hat er Zutaten verwendet, die ich nicht kenne? Vielleicht andere Kräuter? Oder ist es eine andere Sorte Tomatenmark? Generell sieht das Essen sogar appetitlicher aus als sonst. Als hätten die Farben eine  Art Boost bekommen.

Schnaubend holt Lucas mich aus meinen Gedanken und verschränkt die Arme vor der Brust. "Hatten wir das nicht schon?", ruft er aus und wirkt tatsächlich leicht beleidigt. "Ich habe noch immer nicht vor, dich zu töten! Und wenn, bestimmt nicht durch Vergiftung. Mal davon abgesehen, dass ich gerade keine Leiche in meinem Umfeld gebrauchen kann, ginge es auch leichter. Ich hätte dich zum Beispiel erschießen, erstechen oder erwürgen können, als du friedlich geschlummert hast. Oder ich hätte dich mit dem Kissen ersticken können. Habe ich aber nicht. Tatsächlich möchte ich dich lieber lebend haben, sonst hätte ich dir nicht extra das Leben gerettet! Also kannst du dich jetzt bitte etwas entspannen und dich daran erinnern, dass du mir eigentlich vertrauen wolltest und einfach das Essen genießen? Wunderbar!"

Verlegen fahre ich mir durch die Haare und grinse leicht. Okay, aus seiner Perspektiv könnte man mein Verhalten tatsächlich als Misstrauen ihm gegenüber werten. Aber das meinte ich doch gar nicht. Ehrlich gesagt habe ich nicht mal mehr daran gedacht, dass er mich noch immer töten könnte. "Darum geht es doch gar nicht", murmle ich und deute vielsagend auf mein Essen. "Aber damit stimmt etwas nicht! Die Farben sind nicht normal und ich rieche etwas, das ich sonst nie rieche", erkläre ich meine Situation und seufze. "Nachdem mich gewisse Männer tot sehen wollen und ich dauernd innerhalb der letzten Wochen bedroht wurde, bin ich bei so was lieber skeptisch.

Der Ausdruck in seinen Augen wird weicher und ein ehrliches Lächeln legt sich auf seine Lippen. "Das ist verständlich. Aber was du wahrnimmst, ist ganz normal. Als Halbvampirin nimmst du Farben und Gerüche intensiver wahr. Deine Gene sind aktiviert und der Schlaf hat deinen Körper unterbewusst darauf vorbereitet. Dir die Kraft verliehen, die völlig neuen Eindrücke wahrzunehmen und zu verarbeiten. Es mag auf den ersten Blick nicht anstrengend wirken, Neues wahrzunehmen. Doch emotional fordert es dich und deinen Körper enorm heraus. Ein Grund mehr, dein erstes Bluttrinken endlich hinter dich zu bringen. Bevor es zu körperlichen Schmerzen kommt."

Entsetzt starre ich ihn an und verstärke automatisch den Griff um meine Gabel. Obwohl mein Körper nach der roten Flüssigkeit lechzt, sagt mein Verstand mir noch immer, dass es falsch ist. Aber mit jeder Sekunde, die verstreicht, wird mein Verlangen nach diesem Zeug größer. Als wisse mein Körper,  dass es keine andere Möglichkeit gibt. Vorsichtig hebe ich das Glas an und rieche daran. Der leicht bissige Duft des Eisens riecht plötzlich warm und lecker. Wie eine heiße Schokolade an einem kalten Wintertag. Ich merke, wie sich meine Nasenwand weitet und Magen stößt ein hungriges Knurren aus. Zögerlich hebe ich das Glas an meinen Mund und murmle: "Wohl bekommt's", bevor ich es in einem Zug herunterkippe.  Kaum fließt der Lebenssaft durch meinen Körper, reagiert er. Meine Augen verdrehen sich für eine Sekunde, bevor ich schärfer denn je meine Umgebung wahrnehme. Das kurzzeitige Rauschen aus meinen Ohren verschwindet und ich höre das Summen der Ampel einige Straßen weiter. Der Duft frisch gebackener Ente und frischen Hühnchens vom Stand des Asiaten dringen in meine Nase und lassen mich genussvoll seufzen. Meiner Intuition folgend, schließe ich die Augen und konzentriere mich auf meine Umgebung. Die Blätter der Zimmerpflanzen tanzen im Takt des Windes, als wollten sie mir zu meiner Entscheidung gratulieren. Das Wasser im Tischbrunnen fließt leise vor sich hin und ich vernehme ein leises, rhythmisches Hämmern. Irritiert halte ich einen Moment inne, bis ich realisiere, dass es sich dabei um Lucas' Herzschlag handelt. Lächelnd öffne ich die Augen und sehe in sein grinsendes Gesicht.

"Und, wie geht es dir?" Erwartungsvoll sieht er mich an, obwohl mein breites Grinsen vermutlich Bände spricht. "Großartig!", antworte ich und lache befreit. "Ich hatte Angst vor diesem Schritt, aber es geht mir besser als je zuvor. Los, lass uns diese Idioten finden!", rufe ich und springe voller Tatendrang von meinem Stuhl auf.

"Immer mit der Ruhe. Wir müssen dich erst trainieren, bevor wir reagieren. Momentan fühlt sich dein Körper an wie auf Drogen. Die meisten würden es wohl mit einem Speed-Rausch vergleichen. Keine Sorge, deine Euphorie wird noch ein paar Tage anhalten, aber dann wird deine Rationalität zurückkehren. Wie gut, dass ich einen Plan entworfen habe und wir direkt mit deinem Training beginnen können. Nachdem du aufgegessen und dich gestärkt hast." Entschieden deutet Lucas auf meinen Teller. Resigniert ziehe ich einen Schmollmund, doch sein Ausdruck bleibt hart und entschlossen. Murrend setze ich mich wieder auf meinen Stuhl und stopfe eine große Portion der Pasta in mich hinein. Je eher ich fertig bin, desto besser!

Im Bann der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt