Kapitel 3

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Ungeduldig wartet Lucas vor einem vornehmlichen und antik wirkenden Reihenhaus auf mich. Die dunkle Fassade wirkt im fahlen Schein der Straßenlaternen kalt und angsteinflößend. Gleichzeitig verspüre ich den Drang, mein Handy herauszuholen und ein Foto davon zu machen. Das Gebäude wirkt herrisch und erhaben, als hätte es einst dem Adel gehört. Könnten Häuser Emotionen zeigen, würde dieses mir gegenüber skeptisch und abwertend reagieren. Ich kann nicht genau beschreiben, was es ist, aber irgendetwas ist besonders an diesem Gebäude.

"Wurde aber auch Zeit. Ich dachte schon, du hättest dich verlaufen", reißt mich Lucas' amüsierte Stimme aus meinen Gedanken. Schnaubend rolle ich mit den Augen und verschränke die Arme vor der Brust. "So schnell warst du nun auch nicht! Außerdem ist es bei diesen ganzen Sackgassen nicht schwer zu erraten gewesen, wo du lang bist. Zudem ist dein Aftershave so penetrant, dass ich nur meiner Nase folgen musste." Um meinen Worten Ausdruck zu verleihen, drücke ich den Rücken durch, lege meinen Kopf in den Nacken und schaue ihm demonstrativ in die Augen.

Langsam wandert seine linke Augenbraue nach oben und sein Blick wird durchdringend und stechend. Einen Moment lang sieht es so aus, als würden seine Augen einen rötlichen Schimmer annehmen, doch nur wenige Sekunden später ist das schöne Blau zurück. Plötzlich legt sich ein Schmunzeln auf seine Lippen und mit einem Nicken schließt er die Tür auf. "Du bist also meinem Geruch gefolgt? Das ist beeindruckend", erwidert er, als könne er meine Worte nicht glauben.

"So war es aber! Ehrlich, noch nie in meinem Leben bin ich einem Mann begegnet, dessen Aftershave so intensiv riecht! Es hatte irgendetwas Animalisches und Gefährliches. Als müsstest du dich als Frauenaufreißer etablieren. Es war abschreckend." Murrend folge ich ihm in den Hausflur und bleibe überrumpelt stehen. Die Einrichtung passt ideal zum äußeren Erscheinungsbild. Dunkle Fliesen und Steine bestimmen die Einrichtung und rote Vorhänge unterstreichen den Eindruck. Überall an den Wänden hängen bekannte Bilder sowie Fotografien in Schwarz-Weiß. Ein alter Kronleuchter rundet das Bild ab.

"Das, was du gerochen hast, war kein Aftershave. Wozu Aftershave benutzen, wenn man sich nicht rasiert? Was du gerochen hast, war mein natürlicher Duft. Normalerweise nehmen Menschen ihn nur leicht wahr, sodass er auf sie verführerisch und vertrauenswürdig wirkt. Andere unserer Art hingegen finden den Geruch im ersten Moment abstoßend, was vor allem durch unsere natürliche Skepsis kommt. Ich hatte schon die Vermutung, dass du mehr als ein zerbrechlicher Mensch bist. Aber dass du einen Teil unserer Gene in dir trägst, überrascht mich. Möchtest du einen Kaffee oder Tee?"

Überrumpelt folge ich ihm in die Küche und versuche, seine wirren Andeutungen zu verstehen, doch es will mir nicht gelingen. Was für Gene meint er bitteschön? Und was soll das heißen, dass ich mehr als ein Mensch bin? Natürlich bin ich ein Mensch aus Fleisch und Blut! Was soll ich denn sonst sein? Ein Geist? Dieser Lucas tickt doch nicht mehr ganz sauber! Ob er wohl aus der psychiatrischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannovers entflohen ist? Besorgt und leicht verunsichert, trete ich von einem Fuß auf den anderen und sehe mich unschlüssig in dem Raum um. Abgesehen von seinen zusammenhangslosen und seltsamen Äußerungen hatte Lucas bis eben einen relativ vernünftigen, wenn auch viel zu abgehobenen, Eindruck auf mich gemacht. Doch nun bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich ihm vertrauen kann. Er tut so, als sei er kein Mensch und müsse sich nicht rasieren. Er stalkt mich ganz offensichtlich und Verschwörungstheorien sind offenbar sein Spezialgebiet. Aus dieser Sichtweise betrachtet war es kaum die beste Entscheidung, ihm zu folgen. Vielleicht sind meine Verfolger sogar aus seiner Clique und Teil eines perfiden Spiels? Verdammt, wo bin ich da nur wieder rein geraten?

"Ich weiß nicht, was du für ein krankes Spiel spielst, aber ich mache da nicht mit!", rufe ich entschieden aus und verschränke unsicher meine Arme vor der Brust.  Obwohl ich mich absolut unwohl fühle, starre ich ihm stur in die Augen. Wenn ich eines während meiner Zeit in der Bar gelernt habe, dann, dass man Schwäche und Angst am besten unterdrückt. Besonders als zierliche Frau wäre ich ein leichtes Opfer, wenn ich sofort klein beigeben und mich meinen Emotionen hingeben würde. Und dazu bin ich zu stolz. "Also entweder du fügst deinem wirren Gerede irgendeine Art von Sinn hinzu, und zwar am besten nachvollziehbar, oder ich bin weg! Auf deine Verschwörungstheorien kann ich gut verzichten, ebenso auf deine Lügen. Denkst du echt, dass ich dir das mit dem Rasieren abkaufe? Bartwuchs ist ein ganz natürliches Phänomen bei jedem erwachsenen Mann. Würdest du dich nicht rasieren, hättest du einen deutlich längeren Bart. Außerdem hat niemand einen so starken Duft, ohne mit Deo, Aftershave oder Parfum nachzuhelfen. Also hör auf mit diesem Bullshit und sag mir die Wahrheit. Wer ist hinter mir her? Warum werde ich durch meine neue Nummer gestalkt und wieso will mich jemand tot sehen? Am besten erklärst du mir alles in Ruhe bei einem guten Blended Whiskey, denn den können meine Nerven sehr gut gebrauchen!"

"Das ist kein Bullshit", murmelt Lucas und fährt sich überfordert durchs Gesicht, bevor er seufzend auf einen Stuhl am Küchentisch deutet. "Setz dich erst einmal hin und dann erkläre ich dir alles, was du wissen willst." Nickend folge ich seiner Aufforderung und sehe ihn skeptisch an.

Im Bann der DunkelheitDonde viven las historias. Descúbrelo ahora