Kapitel 9

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»Ich kann nicht, Jamie.«

Die Worte hallen in meinem Kopf wider, aber verstehen kann ich sie nicht wirklich. Meine Lehrerin sitzt noch immer vor mir und schaut mich aus großen braunen Augen an und ich erkenne ihr Schuldbewusstsein. Mir wird klar, dass wir uns auf gefährliches Terrain begeben haben, auch wenn ich dieses Gebiet wirklich gerne erkundet hätte. Trotz meiner Verletztheit und auch meiner Verwirrtheit weiß ich, warum sie einen Rückzieher gemacht hat.

Ich nehme die Hand meiner Lehrerin, ein warmes Gefühl durchfährt wie immer meinen Körper und ich ziehe sie leicht an mich heran. »Ich weiß, dass du nicht kannst. Ich verstehe es. Es tut mir leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe. Vergessen wir das Ganze einfach.« Seit wann bin ich so erwachsen geworden?

Liebevoll lächelt Miss Walker mich an und möchte etwas sagen, doch ich lasse es nicht so weit kommen. Ich stehe auf, bedanke mich für das Verbinden meiner Hand und wünsche ihr eine gute Nacht. Ich muss dringend aus dieser Situation heraus, sonst weiß ich nicht was ich noch tun werde. Schnell verlasse ich die Küche und begebe mich in mein Zimmer. Dort schnappe ich mir mein Handy und wähle den Kontakt meines besten Freundes.

Ich: Jordy? Bist du da? Ich brauche dich!!!

Und wie immer ist wirklich Verlass auf Jordy. Keine zwei Minuten später hat er bereits geantwortet.

Jordy: Hey Süße, was ist los? Ist was passiert?

Ich: Ja allerdings. Ich erspare dir einen langen Roman. Hier die Kurzfassung. Ich hätte beinahe meine Lehrerin geküsst!!!!

Jordy: WAS??? Wie ist das denn passiert und was heißt beinahe?

Schnell nehme ich eine Sprachmemo auf, in der ich meinem besten Freund alles erkläre was an diesem Abend passiert ist. Kurz darauf trifft die nächste Nachricht ein.

Jordy: Also abgesehen vom Rückzieher ist es doch aber ein gutes Zeichen oder nicht? Denn scheinbar empfindet deine Lehrerin ja auch etwas für dich. Darauf lässt sich doch aufbauen, meinst du nicht?

Ich: Was meinst du?

Jordy: Jamie!! Denk nach! Du hast Chancen bei ihr! Nutze sie! Ja klar, sie ist deine Lehrerin, aber vielleicht muss das was da zwischen euch ist, passieren. Lass nicht locker. Rede morgen mit ihr! Versuch so viel Zeit mit ihr zu verbringen wie nur möglich und du wirst sehen, dass der erste Kuss nicht mehr weit ist. Sei die Jamie, die du hier in London warst. Hol dir das was du willst! Okay?

Ich denke lange über seine Worte nach, aber irgendwas hält mich davon ab so zu handeln, wie Jordy es vorschlägt. Wenn das nach hinten los geht, kann ich meiner Lehrerin nie wieder unter die Augen treten. Und das Schuljahr ist noch lang. Was also soll ich tun? Aber je länger ich nachdenke, desto bewusster wird mir dass Jordy Recht hat. Als ich noch in London lebte, hätte mich so etwas nicht abgehalten. Vielleicht sollte ich es wirklich versuchen? Ich nehme mir vor, am nächsten Tag noch einmal das Gespräch mit Miss Walker zu suchen.

Ich: Du hast Recht Jordy. Ich gebe nicht auf. Danke fürs zuhören. Lass uns die Tage mal telefonieren. Du fehlst mir.

Kurz darauf liege ich im Bett und lasse den Abend wieder und wieder Revue laufen. Hat Jordy Recht und hat Miss Walker Gefühle für mich? Oder war es vielleicht eine Laune, die sie bereut? Ich sollte am nächsten Tag wirklich noch einmal das Gespräch mit meiner Lehrerin suchen. Und wenn sich herausstellt, dass da auf ihrer Seite irgendwas ist, dann werde ich definitiv nicht aufgeben. Vor lauter Grübelei schlafe ich irgendwann erschöpft ein und verfalle in einen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen, als ich aufwache, habe ich das Gefühl, dass in der Nacht mindestens drei LKW über meinen Kopf gerast sein müssen. Ich habe das Gefühl, dass mein Kopf kurz vorm platzen ist. Mit gequälten Gesichtsausdruck wälze ich mich aus meinem Bett und tappe mit nackten Füßen in die Küche und mache mir einen Kaffee. Während das braune Gebräu in meine extra große Tasse fließt, durchforste ich die Schubladen in der Hoffnung ein paar Kopfschmerztabletten zu finden. Bei meiner Suche bemerke ich sehr spät, dass ich nicht mehr alleine in der Küche bin. Als ich im Augenwinkel sehe, dass Miss Walker an der Tür zur Küche steht, zucke unwillkürlich zusammen was wiederum dafür sorgt, dass ein extremer Schmerz durch mein Hirn schießt. Mit einem Grunzen fasse ich mir an die Schläfen und massiere sie kurz.

Green Manor SchoolWhere stories live. Discover now