Kapitel 1

228 11 1
                                    

Da stehe ich nun. Ich höre das Knirschen des Kieses unter meinen Füßen, als ich näher an das mit Efeu bewachsene Haus herantrete. Man könnte auch Schloss sagen, denn es ist echt riesig. Meine Augen scannen die riesige Eichentür ab und ich überlege, ob ich nicht meinen Seesack schnappe, mich umdrehe und einfach abhaue. Denn das hier ist wirklich nicht meine Welt. Ich meine, wer will schon freiwillig in ein Internat und dann auch noch in die entlegenste Ecke des Landes? Seufzend lasse ich meinen Blick in den Himmel wandern, der mich mit einem strahlenden Blau nur so verhöhnt. Ja ja, wirklich witzig du da oben.

Wieder wandern meine Augen über die Fassade meines zukünftigen Zuhauses und ich balle wütend meine Hände zu Fäusten und frage mich erneut, womit ich es verdient habe, ausgerechnet hier ausgesetzt zu werden. Ja richtig gehört. Ausgesetzt. Denn so kommt es mir vor, nachdem mich meine lieben Eltern hier heraus gelassen haben. Mein Dad hat meinen Koffer und meinen Seesack auf die mit Kies verlegte Einfahrt gestellt, während meine Mum mein Arm drückte und mir zischend ins Ohr flüsterte, dass ich mich doch bitte benehmen soll und nicht das gleiche Theater machen soll wie an meiner alten Schule.

Traurig schüttel ich meinen Kopf, wenn ich an meine ehemalige Schule denke. Dort habe ich alles zurück gelassen, was mir wichtig war. Meinen besten Freund Jordy und auch meine Clique. Sie konnten es nicht fassen, dass ich nun meilenweit von ihnen entfernt auf ein Internat gehen muss. Natürlich weiß ich, dass ich kein Engel bin und in der Vergangenheit habe ich so ziemlichen Scheiß gebaut, der letztendlich dafür sorgte, dass ich von meinen Eltern von der Schule genommen wurde. Ich dachte erst sie würden scherzen und versprach ihnen rasch, dass ich mich bessern würde, aber als dann die Anmeldeformulare und die Broschüren für Internate auf dem Tisch lagen, wusste ich das meine Tage gezählt waren.

Nun stehe ich hier, mit Groll im Bauch und Tränen in den Augen und schrecke zusammen, als ein hochgewachsener Junge plötzlich neben mir steht.

»Hi. Kann ich dir helfen? Oder stehst du gerne 'ne halbe Ewigkeit hier rum und guckst in der Gegend rum? Bist du neu?« Seine Stimme ist tief und während braune Augen mich neugierig anschauen, lasse ich meinen Blick über ihn gleiten. Er ist fast zwei Köpfe größer als ich. Seine Haare liegen in wirren Locken auf seinem Kopf und ich sehe, dass er wohl versucht sich einen kleinen Bart stehen zu lassen. Aber dennoch ist seine Ausstrahlung sehr freundlich und ich entscheide mich eben nicht in die Defensive zu gehen so wie ich es sonst meistens mache.

»Hi. Ja ich bin neu hier. Aber ich überlege noch ob ich rein gehe oder doch lieber abhaue.« Ich reiche ihm meine Hand und sage: »Ich bin Jamie. Und du bist?«

»Ich heiße Oliver. Hi.« Damit nimmt er meine Hand und schüttelt sie. Und ich bin froh, dass er einen festen Händedruck hat, denn ich kann es absolut nicht leiden, wenn ich Hände schütteln muss, die sich wie ein toter Fisch anfühlen.

»Wenn du möchtest, kann ich dir den Weg zum Sekretariat zeigen. Oder eine kleine Hütte im Wald, wo du dich verstecken kannst. Es ist ganz dir überlassen.« grinst Oliver und ich merke, dass wir scheinbar humormäßig auf einer Wellenlänge sind. Oliver ist mir direkt sympathisch und ich hoffe, dass die Mehrzahl der Schüler hier es ebenso sind.

»Ach weißt du, ich glaube ich schaue mir den Kasten erst mal an. Abhauen kann ich ja dann immer noch. Aber vielleicht lässt du einfach eine Karte da, die mir den Weg zur Hütte zeigt. Nur für den Fall.« scherze ich.

Olivers Lachen ist tief und ich kann mir vorstellen, dass viele Mädchen auf ihn stehen. Er schnappt sich meinen Koffer, während ich mir meinen Seesack über die Schulter werfe und gemeinsam gehen wir auf die große Tür zu. Oliver stemmt sie auf und lässt mich vor. Sekunden später stehe ich in einer großen Halle mit einer hohen Decke. Mein Blick fällt sofort auf die Treppe, an der ein Geländer aus geschnitztem Holz montiert ist. Von der Decke hängen viele Lampen, die die Halle dennoch sanft beleuchten. Kein Vergleich zu den Neonröhren in meiner alten Schule, die immer nervig geflackert haben. Zu meiner linken Seite befindet sich eine großzügige Lounge mit einigen Sesseln und Tischen. Und zu meiner rechten Seite befinden sich zwei Türen und ein großes Brett mit unzähligen bunten Zetteln, die auf verschiedene Freizeitaktivitäten hinweisen.

Green Manor SchoolWhere stories live. Discover now