Elizabeth

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Als es zur Pause klingelte, waren die Schulsachen von jedem schon unordentlich in die Tasche verstaut worden und alle warteten dicht aneinander gepresst. Als die Glocke uns erlöste, drängelten sich alle Schüler auf ein Mal durch die schmale Tür, sodass sie kurz stecken blieben, bevor sie sich mühsam durchquetschten.

Ich war in der Mitte und wurde vom Strom mitgerissen. Was gut war, denn ich wollte so schnell wie möglich zu Helene, die bestimmt schon auf unserem Stammplatz warten würde, wenn ich auftauchte. Sie wurden zwar später rausgelassen, was Helene sehr verärgerte, dennoch musste sie nicht so einen weiten Weg zurücklegen, wie ich.

Ich presste mich durch die Masse und beeilte mich an den Rand des Flures zu kommen, wo etwas weniger los war. Als ich in der Schulkantine ankam, wehte mir gleich der Geruch nach Essen entgegen. Heute gab es Pizza mit einem Wahlgetränk. Zur Auswahl stand Wasser, Milch in einem Tetra Pak und Orangensaft, welches nur aus einem Pulver und Wasser bestand. 

Ich reihte mich in die Schlange ein und kaufte mir einen Apfel, einen Riegel und eine Flasche Wasser. Als ich an unserem Stammtisch ankam, saß Helene schon in einem Schneidersitz da, und biss herzhaft in ein fettiges Stück Pizza. Da sie außerdem schon immer einen sehr komischen Geschmack hatte, stand neben ihrem Tablett ein Tetra Pak Milch. Ich verzog mein Gesicht. Ich kannte niemanden außer ihr, der so eine Kombination lecker fand.

Ich ließ mich ihr gegenüberfallen und legte mein Essen ab. Sie warf einen Blick drauf und schüttelte den Kopf.

"Du bist ein echt komischer Mensch, Ellie! Wir haben PIZZA zum Essen, und du kaufst dir einen Apfel und Wasser. Du bist nicht normal", schmatzte sie mit vollem Mund, wobei ihr fast ein Stück Brei herausfiel. Ich war allerdings schon an ihre Essensweise gewohnt, weshalb ich sie nicht ermahnte. Hätte das meine Mutter gesehen, dann wäre sie vor Schock schon vom Stuhl gekippt und wäre nie wieder aufgestanden. Ich hörte ihre Stimme, die in meinem Kopf flüsterte: Davon wird man nur dick, also pass lieber auf. Ich will nur das Beste für dich und deinen Körper und zu viele Kalorien sind nicht gut.

Früher war alles besser, da konnte ich essen was ich wollte und Mutter lachte nur und schüttelte belustigt ihren Kopf, aber sobald ich älter wurde, veränderte sich ihre Meinung.

"Ich weiß, aber da ist zu viel Fett", antwortete ich deshalb nur und sah zu, wie es von ihren Fingern bis zu ihrem Ellenbogen lief. Sie zuckte die Schultern.

"Na und, du hast nicht mal probiert", sie streckte das riesige Stück in meine Richtung. "Hier willst du ein Bissen?" Ich schüttelte den Kopf und biss krachend in meinen Apfel. Lieber nicht.

"Guck jetzt nicht auffällig, aber dahinten sind Theodore und Simon", quietschte Helene nach einigen Minuten Schweigens auf ein Mal. Langsam drehte sich mein Kopf nach hinten und unterdrückte ein seufzen. 

Simon sah so gut aus, wie immer. Seine blonden Haare ordentlich nach hinten gegelt und sein T-Shirt hatte nicht eine einzige Falte. Gerade warf er seinem besten Freund ein strahlendes Lächeln zu, bei dem seine geraden Zähne zusehen waren. 

"Wow", hauchte Helene, die ihren Kopf in die Hand gestützt hatte und schmachtend zu Theodore sah. Dieser hatte rotbraune Locken, die ihm wild in die Stirn fielen und die er lässig nach hinten strich. Sein Gesicht war überseht mit Sommersprossen, die ihm einen frechen Zug verpassten, zudem auch das Grinsen passte.

Genau in diesem Moment, als ich Simon genau musterte, drehte er sich zu mir und seine braunen Augen trafen auf meine, woraufhin ich mich erschrocken zurückdrehte und hektisch meine Wasserflasche aufschraubte, um einen großen Schluck zu trinken. Ich spürte das Brennen meiner Wangen.

"Flipp jetzt bitte nicht aus, aber Simon kommt gerade in unsere Richtung! Mit einem fetten Lächeln!"

Mein Atem stockte. Sofort richtete ich mich auf und hielt meinen Rücken kerzengerade. Mit einer Handbewegung wischte ich ein paar Staubflocken von meinem T-Shirt.

"Bist du dir sicher?", fragte ich sie flüsternd. Ich war so aufgeregt, dass meine Stimme fast abbrach.

"Pscht", zischte sie mir zu, ohne dabei die Lippen zu bewegen. "Er ist nur noch ein paar Meter entfernt! Tu so, als wüsstest du dass nicht!", sagte sie und starrte in seine Richtung. Wahrscheinlich bemerkte sie nicht, dass sie sich noch auffälliger verhielt, als ich. 

Gespielt lässig lehnte ich mich nach hinten und vergaß dabei, dass es keine Lehne auf den Bänken gab, weshalb ich fast hintenüberkippte. Ein lautes Poltern erklang, als ich mich noch im letzten Moment an der Tischkante festhielt und fast den ganzen Tisch, der an der Bank befestigt war, mitriss. Eine Hand legte sich auf meinen Rücken und drückte mich zurück in die Spitzposition. Ich war der Person dankbar, die mich aus meiner misslichen Lage befreite.

"Hoppla, hast du dir wehgetan?", fragte Simon und schenkte mir sein Lächeln. Von der Nähe sah ich, dass ein Mundwinkel höhergezogen war als der andere. Das machte ihn noch attraktiver, fand ich.

"Natürlich. Ja klar! I-ich meinte natürlich nicht...also nein, nicht wirklich. Nur ein wenig mein Knie, aber es geht schon. Wird vielleicht nur ein blauer Fleck, aber die gibt es im Leben viele. Ich bin schon gewohnt. Du weißt schon, als Kind viel hingefallen und oft gegen Dinge gestoßen. Aber es ist alles schon verheilt bis heute, also muss man sich keine Sorgen machen", purzelten die Worte auch schon aus meinem Mund. 

Simons Lächeln verrutschte etwas, weshalb ich schnell mein Unterkiefer zuklappte, damit ich ihn nicht vergraulte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Helene mit aufgerissenen Augen zwischen uns hin und her sah. Ich hoffte sie würde aufhören zu starren, denn sie machte mich noch nervöser, als ich ohnehin schon war.

"Na dann. Ich bin gekommen, um zu fragen, ob du vielleicht irgendwann zu uns an den Tisch willst", er deutete auf den Tisch, von dem Theodore mir zuwinkte. Ich hob unbeholfen eine Hand. 

"Deine Freundin kann auch kommen", sagte er und guckte auf Helene, die mittlerweile irgendwo anders hinstarrte. Ihr Kopf, der komplett rot angelaufen war, ruckte sofort zu uns.

"Sag ja!", platzte es aus ihr heraus. Sofort schlug sie sich die Hand auf den Mund.

"Klar! Ich meinte, gerne!", versuchte ich zu überspielen.

"Gut, morgen in der Mittagspause?", fragte er. Damit es nicht noch peinlicher wurde, nickte ich nur.

"Schön. Guten Appetit euch noch", wünschte er uns, bevor er verschwand. 

"Ich habe es vermasselt", stöhnte ich daraufhin direkt und vergrub mein Gesicht in den Händen.

"Lief doch eigentlich ziemlich gut!", versuchte Helene mich aufzumuntern. "Du bist nur ein wenig rot. Hast du eigentlich bemerkt, dass du von deinem Lope angeguckt worden bist? Er hat regelrecht hierher gestarrt! Von wegen da läuft nichts!", schnaubte sie triumphierend und nahm einen weiteren großen Bissen von ihrer Pizza. 

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⏰ Last updated: May 10 ⏰

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