3. KRITZEL, KRITZEL

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Kritzel Kritzel

Tag 107.
Blutproben von Patient XX22.05.1999F weisen weder Gendefekte, noch Krankheitsbilder auf.
Patient XX22.05.1999F ist körperlich vollständig gesund.
Die Prozedur kann beginnen.
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Kritzel Kritzel

Tag 624.
Injektion-Prozedur von Giftstoffen Beta 8 und Beta 11 haben begonnen.
Patient XX22.05.1999F sträubte sich gegen die Injektionen und tötete beinahe eine Schwester.
Nach Betäubung blieb Patient XX22.05.1999F den restlichen Tag still.
Ergebnisse der Injektionen werden demnächst erwartet.
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Kritzel Kritzel

Tag 1773.
Das rechte Auge von Patient XX22.05.1999F verliert Sehkraft.
Die Iris hat jegliche Farbe verloren.
Mögliche Folge: Erblindung
Patient XX22.05.1999F kratzt sich die Haut auf, beklagt sich über brennendes Gefühl und Schmerzen in den Gelenken.
Aggressivität steigt.
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Kritzel Kritzel

Tag 2556.
Patient XX22.05.1999F ist aggressiv, gewalttätig und unruhig.
Ruhiger Zustand nur mit Betäubung möglich.
Stress und die Giftstoffe sorgen für Haarausfall.
Patient XX22.05.1999F beißt und kratzt sich selbst -> nicht humanes Verhalten.
Folge: Erlösung in den nächsten 24 Stunden.
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7 Jahre.
7 Jahre waren vergangen.
Aus dem 12-jährigen Ich war nun ein 19-jähriges Ich geworden.
Ein gebrochenes, krankes und einsames Ich.
Während ich auf dem Stuhl saß, gefesselt an Armen und Beinen, starrte ich ins Leere und fragte mich, wann dieser Horror endlich ein Ende nehmen würde.
Ich wollte nicht mehr.
Ich wollte weg.
Ich wollte sterben.
Mein Körper schmerzte durch die vielen Injektionen und die Giftstoffe, die meinem Körper zugeführt wurden.
Ich fühlte mich nur noch wie ein Stück Fleisch auf einem Serviertablett.
Ich war kein Mensch mehr.
Ich stand zwischen der realen Welt und dem Jenseits.
Ich schaffte es nicht die Linie zum Tod zu übertreten.
Es ging einfach nicht.
Mein Blick fiel einen kurzen Augenblick lang auf die Haare, die auf dem weißen Boden lagen.
Durch die Injektionen fielen sie mir nach und nach aus.
Jeden Tag ein wenig mehr.
Um meine Arme und Beine waren Verbände gewickelt, dort, wo ich mir die Haut aufgekratzt oder aufgebissen hatte.
Meine Haut brannte wie Feuer.
Langsam schloss ich meine müden Augen.
Vielleicht würde mein zerschlagener Körper meine Seele nun endlich loslassen.
Vielleicht konnte ich nun endlich Frieden finden.
Vielleicht konnte ich endlich-
,,Hey, du! Wach auf!"
Ich riss erschrocken meine Augen auf.
Was zum?!
Vor mir hockte eine Person, ein junger Mann, mit schwarzen Haaren und dunklen Augen.
Er zerrte an meinen Fesseln und löste sie von meinen Armen und Beinen.
,,Was ist los?" fragte ich schläfrig und sah ihn verwirrt an.
Der Mann zerrte mich aus dem Stuhl.
,,Klappe und lauf! Raus hier, los, los!" zischte er, griff mein Handgelenk und zog mich mit.
Ich verstand nicht was hier los war.
Und noch weniger verstand ich es, als der Typ mit mir auf den Flur rannte.
Lauter Lärm drang in mein Ohr.
Geschrei und der Alarm.
Es war unnatürlich Laut für meine empfindlichen Ohren.
Zu lange hatte ich in der abgeschotteten und schalldichte Zwangszelle gesessen.
Der Mann wartete einen kurzen Augenblick, sah ich aufmerksam um und zog mich dann weiter durch die Flure.
Der Boden war kalt unter meinen nackten Füßen.
Ich bemerkte, dass andere Leute mit uns rannten.
Wir liefen und liefen, bis wir durch eine geöffnete Tür rannten.
Klare, frische Luft traf auf meine Lungen.
Beinahe vergessene Gerüche nach Gras, Straßen und Regen erfüllten meine Nase.
Es roch nach Freiheit.

EMPTY // VILLAIN Where stories live. Discover now