t e n.

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t e n .


Das wirklich Wichtige im Leben sind nicht die Momente, in denen du atmest. Es sind die Momente, die dir den Atem rauben.











„Morgen, geheimnisvolles Mädchen!", begrüßt Ashton mich gut gelaunt und lässt sich auf die Schaukel neben mir sinken.

Er lässt seine Beine achtlos baumeln und wirbelt dabei den Sand zu seinen Füßen auf. Es scheint ihn nicht zu stören, dass seine schwarzen Converse nun von Sandkörnern bedeckt sind.

„Ist es nicht eigentlich schon Mittag?", korrigiere ich ihn grinsend und werfe einen kurzen Blick auf meine Handyuhr. 12 Uhr. Ashton ist pünktlich wie immer.

Er zuckt achtlos mit den Schultern. „Wer nimmt das Leben denn schon so genau?"

Daraufhin mangelt es mir an einer Antwort. So ziemlich jeder. Ich wahrscheinlich auch. Ich nehme das Leben viel zu genau. Auch wenn ich wünschte, dass es anders wäre.

So ziemlich jeder lebt nach Zeiten, nach geregelten Tagesabläufen. Über allen tickt eine unsichtbare Uhr unaufhörlich. Zeit bestimmt unser Leben.

Manchmal kommt es mir so vor, als gäbe es über meinem Kopf ein Warnblicklicht im Sinne von ‚Haltet euch von diesem Mädchen fern. Sie hat nur noch 2251 Stunden zu leben'.

Im Supermarkt werfen mir Bekannte neugierige Blicke zu, wenn ich dort um 11 Uhr mit meiner Mutter bin, um überhaupt einmal herauszukommen, anstatt in der Schule. Nachbarn, die ich nur vom Sehen kenne, sehen mich mitleidig an, seit sie von meiner Krankheit erfahren habe.

Miss Parker vom Haus gegenüber geht sogar so weit und zieht ihren fünfjährigen Sohn immer schnell ins Haus, sobald ich in ihr Blickfeld gerate. So, als wäre ich ansteckend krank.

Ashton ist so anders. Ich wette, er würde mich nicht anders behandeln, wenn er von meiner Krankheit wüsste. Oder jedenfalls hoffe ich dies.

Die Illusion, dass es wenigstens einen Menschen gibt, einen einzelnen unter Millionen, der mich nicht anders ansieht, nur weil ich ‚das zum Sterben verurteilte Mädchen' bin., ist es, was mich am Leben hält.

„Jul? Wir müssen los. Wir haben noch etwas vor."

Mit diesen Worten zieht Ashton mich von meiner Schaukel runter und hält mich fest, bis er sich versichert hat, dass ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.

Ich habe erwartet, dass wir wieder rechts abbiegen und uns auf dem Weg Richtung Innenstadt machen.

Dementsprechend irritiert bin ich, als Ashton vor einem älter aussehenden Auto stehen bleibt und mir mit einer Handbewegung zu verstehen gibt, dass ich einsteigen soll.

„Seit wann hast du ein Auto?", frage ich, während Ashton sich anschnallt und daraufhin den Motor startet.

„Gurt anlegen. Wir wollen doch nicht, dass du verletzt bist oder stirbst", meint Ashton mit einem Zwinkern.

Ich zucke wegen seiner Wortwahl zusammen und lege hastig den Sicherheitsgurt an.

Ashton fährt langsam los und ich ducke mich in der Hoffnung, dass meine Mutter mich nicht mit ihm im Auto sieht. Doch anscheinend ist meine Hoffnung vergebens, denn meine Mutter starrt mit wütendem Blick aus dem Küchenfenster. Ich sehe bewusst woanders hin.

losing control || a.i. ✓Where stories live. Discover now