Dreiundzwanzig

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Im Gegensatz zu dem, wie Noah es Colin versprochen hatte, verschloss er sich wieder. Sogar mehr als zuvor. Er wachte noch vor Joel auf, schlich sich aus dem Zimmer und kam meistens unpünktlich zum Unterricht. Wenn er überhaupt kam. In diesen Fällen deckte Colin ihn. Und abends kam er erst spät nach der offiziellen Nachtruhe wieder ins Zimmer. Er verschanzte sich wieder in den Tiefen des Waldes, verbrachte viele Stunden des Tages dort. Er wusste, dass er sein Versprechen gegenüber Colin gebrochen hatte, aber er musste allein sein. Allein oder mit Neele, so war es schon immer und Noah verfiel nur zu einfach in alte Muster. 

Heute machte er eine Ausnahme, man sah ihn tagsüber in der Küche. Er musste sein Handy laden und außerdem hatte er Hunger. Normalerweise hätte er sich auf dem Weg in den Wald etwas bei der Tankstelle gekauft, aber er hatte seinen Geldbeutel auf seinem Nachttisch liegen gelassen, deswegen war er gezwungen ins Internat zu gehen. Er hoffte, dass er niemanden über den Weg läuft, vorallem nicht Colin. 

Doch sein Glück ist nicht auf seiner Seite, wenn es das denn jemals war. Der Lockenkopf betrat die Küche und blieb stocksteif stehen, als er seinen Mitbewohner sah. Sie hatten seit Tagen keine Worte mehr miteinander gewechselt und sich außerhalb der Schule auch nicht mehr gesehen. Colin hatte viel Zeit allein verbracht, vorallem um Nachzudenken, genau wie Noah. Auch der Kuss ist ihm ständig ins Gedächtnis gekommen und je länger er versuchte, diesen zu verdrängen, desto öfter kam ihn die Berührung wieder in den Sinn. Colin fragte sich, ob Noah ebenfalls noch darüber nachdachte oder ob er ihn schon längst vergessen hatte. Er hätte das gemacht, was Colin von ihm gewollt hatte. Doch je länger er über sein Gesagtes grübelte, desto mehr wurde ihm bewusst, wie wenig er das eigentlich wollte. 

Der Kuss war schön, mehr als schön sogar und dass sie ihn totschwiegen und zu vergessen versuchen, das brach Colin das Herz. Aber er konnte es vor Noah nicht zugeben, noch nicht. Er muss sich selbst noch über seine Gefühle klar werden. Colin wusste, dass er Noah mochte, sehr mochte. Aber es war neu. Er war noch nie verliebt und er dachte nicht, dass seine erste Verliebtheit mit seinem Mitbewohner wäre. Daran musste Colin sich erst gewöhnen. 

Und er weiß ja nichtmal ob Noah das selbe fühlt. Er möchte ihre mühsam erbaute Freundschaft nicht aufs Spiel setzten. Noah könnte sich noch mehr verschließen, noch mehr als jetzt schon. Colin konnte das nicht riskieren. 

„Noah", sagte er schließlich, nachdem er sekundenlang den Blonden angestarrt hatte. 

„Colin", meinte Noah in der selben Stimmlage, welche Colin hatte. 

Milder Schock und Ernüchterung. 

Colin wusste nicht was er sagen sollte, Noah wusste ebenfalls nicht, wie er eine Konversation anfangen sollte. Worüber sollte man reden, wenn man das erste Mal seit Tagen wieder miteinander sprach? Noah und Colin wussten es beide nicht. 

Colin ging zum Kühlschrank, sein Blick lag im Augenwinkel immer auf Noah, welcher ganz verbissen aus dem Fenster schaute. Colin nahm sich die angefange Flasche Saft aus dem Kühlschrank, dazu ein Glas aus dem Geschirrspüler, welches sauber war. Stumm trank Colin das Glas in einem Zug aus und stützte sich dann auf die Kochinsel. 

„Noah, ich denke wir sollten reden", fing an und endlich riss Noah seinen Blick von der Außenwelt ab und schaute Colin direkt in die Augen. Es fühlte sich an, als würde die Zeit stehen bleiben, als würden nur noch Colin und Noah existieren. Keiner will den Blickkontakt unterbrechen, also macht es auch keiner. Colin verliert sich in dem tiefen Blau von Noahs Augen, welches so viele Geheimnisse und eine schmerzliche Vergangenheit verbarg. Es wirkte trotzdem so stark, so warm, so sicher, und Colin wusste, dass Noah so war. 

Geheimnisvoll, geprägt von einer Kindheit, die niemand verdiente, aber so stark, so gefühlvoll und sicher. 

Er wurde immer mehr Colins sicherer Hafen, egal, wie sehr er sich vor ihm verschloss. Er hoffte, es würde wieder besser werden, denn nicht mit Noah zu reden, schlug heftig auf Colins Stimmung. Auch Julia bemerkte das und diese Stimmung ging ihr ziemlich auf den Zeiger. Sie wollte Colin nicht so sehen, aber sie konnte ihm nicht helfen. Colin unterbrach den Blickkontakt, ehe er die Schritte zu Noah überbrückte und seine Lippen auf seine pressen konnte. Denn genau das wäre höchstwahrscheinlich passiert. 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWhere stories live. Discover now