Jahr 4: Kapitel 6 - Das erste Spiel

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Bei Albus angekommen, nahm dieser sie kurz zur Seite. „Verzeih mir, dass ich dich dazu zwingen muss. Ist alles in Ordnung?", flüsterte er ihr zu. Sie nickte. „Alles okay. Ich kann mich ja nicht ewig vor der Begegnung mit Bällen drücken.", flüsterte sie, was ihm ein liebevolles Lächeln auf das Gesicht zauberte. „Sehr richtig, meine Liebe. Nur der, der sich seinen Ängsten stellt, kann wahrhaft mutig sein." „Ich bin keine Gryffindor. Mein Ziel ist es nicht wahrhaft mutig zu sein.", schmunzelte sie. „Aber du bist auf dem besten Weg, eine Gryffindor zu werden." Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu und ging dann zu einer der Tribünen.

Sie selbst betrat eine andere und setzte sich in die letzte Reihe. Diese war leer, so würde sie sich nicht ständig darauf konzentrieren müssen, sich aus den Gedanken ihrer Mitmenschen zu halten und könnte sich besser auf die Umgebung konzentrieren.

Kurz nachdem das Spiel angefangen hatte, bemerkte Amina, wie sich ein Geist mit animalischen Zügen ihr näherte. Sie wusste, dass es Black sein musste. Seine natürliche Überheblichkeit hatte er in Askaban nicht verloren. Er setzte sich in Gestalt eines schwarzen Hundes neben sie und sah zu den Spielenden empor. „Sie sollten nicht hier sein.", sprach Amina ihn nach einigen Minuten an. Überrascht wandte der Hund ihr den Kopf zu. „Was dachten Sie denn? Dass ich Sie nicht erkenne? Jetzt, wo ich weiß, worauf ich achten muss, werde ich auch die Tiere nicht mehr außer Acht lassen.", sagte sie ihm über den tosenden Wind hinweg. Sie musste nicht sonderlich laut reden. Er war ein Hund, dementsprechend war auch sein Gehör besser als das eines Menschen. Der Hund wedelte kurz mit dem Schwanz und sah sie aus großen grauen Augen an. Er würde hierbleiben, das wusste sie. Sie schüttelte über seine Sturheit nur den Kopf und ließ den Blick über die Umgebung schweifen.

Das Gewitter wurde immer schlimmer. Inzwischen wurde das Spiel schon einmal pausiert. Sie selbst zuckte ständig zusammen, wenn einer der Bälle auch nur ansatzweise in ihre Richtung flog. Sie verstand nicht, warum es nicht einfach abgesagt worden war. Keiner schien Spaß an dem ganzen Spektakel zu haben. Der Hund neben ihr schien das ähnlich zu sehen und verließ die Tribüne nach einem kurzen Stupser in ihre Seite. Es sollte wohl eine Verabschiedung sein.

Irgendwann bemerkte sie, wie sich die Dementoren näherten. Albus' und ihre Befürchtungen hatten sich also bestätigt. Mit schnellen Schritten verließ sie die Tribüne und zog ihren Zauberstab. Am Rand des Spielfeldes wartete sie. Eine bekannte Kälte breitete sich in ihr aus und auch die Temperatur in der Umgebung schien sich abzukühlen. Die Dementoren versammelten sich auf dem Spielfeld. Amina führte einige kleinere Patronus-Zauber aus, um sie von den Zuschauenden fernzuhalten, wenn einer der Dementoren diesen zu nahekam. Doch einen großen gestaltlichen Patronus-Zauber konnte sie nicht im laufenden Spiel ausführen. Es könnte die Spielenden blenden oder ablenken. Es war zu gefährlich.

Plötzlich bemerkte sie Potter, wie er in schneller Geschwindigkeit auf den Boden zuraste. Ohne Besen. Ihr Urgroßonkel hatte es wohl auch bemerkt und stürmte auf das Feld, um den Jungen mit einem Zauber im Fall zu bremsen. Er nickte Amina deutlich zu. Sie nahm es als Startsignal, einen vernünftigen Patronus auszuführen und sprach dann mit lauter Stimme: „Expecto patronum." Keine Sekunde später schoss ein großer Phönix aus ihrem Zauberstab und fing an, die Dementoren wie Schafe zusammenzutreiben und aus dem Stadion zu drängen. Amina sah ihm mit großem Auge hinterher. Ihr Patronus hatte sich verändert! Er war, seit sie diesen Zauber beherrschte, immer ein Fuchs, kein Phönix. Der Phönix war die Patronus-Gestalt ihres Urgroßonkels, nicht ihre.

Albus lief mit Potter auf einer Trage an ihr vorbei. „Diese Dementoren! Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht auf das Gelände kommen! Das hätte sein Tod sein können.", schimpfte er voller Zorn. „Amina, kümmere dich bitte darum, dass keine dieser Kreaturen auf dem Gelände bleibt." Sie nickte ihm zu und er lief weiter. Nur zu gerne kam sie dieser Bitte nach.

Einige Stunden später saß Amina zusammen mit Severus auf dem Sofa. Ihr veränderter Patronus ging ihr seit dem Spiel nicht mehr aus dem Kopf. „Worüber denkst du nach?", fragte Severus sie, der einen Arm um sie gelegt hatte und ein Buch in der Hand hielt. „Über meinen Patronus.", antwortete sie ihm immer noch in Gedanken. „Er hat sich verändert.", stellte Severus fest und ließ das Buch sinken. Amina nickte. „Es war ein Phönix. Kein Fuchs. Es war sonst immer ein Fuchs.", sagte sie nachdenklich. „Deine schönste Erinnerung hat sich verändert. Woran hast du gedacht?", fragte er interessiert. Amina überlegte kurz. „An die Flamels, Aberforth, Albus und an dich. Es war keine bestimmte Situation, sondern einfach nur ihr. Ich habe an meine Familie gedacht." Sie sah in seine Augen, die sie musterten. „Der Patronus des Direktors ist auch ein Phönix. Das ergibt Sinn.", stellte er fest. „Nur bedingt. Sonst habe ich immer nur an die Flamels gedacht und keiner von ihnen hat einen Fuchs als Patronus. Vielleicht liegt es an dieser Familienlegende der Dumbledores.", überlegte Amina laut. „Laut dieser kommt ein Phönix immer, wenn ein Mitglied der Dumbledores in Gefahr ist...oder so ähnlich. Ich müsste Aberforth oder Albus noch mal danach fragen." Sie runzelte überlegend die Stirn.

„Was ist dein Patronus?", fragte sie ihn schließlich. Das letzte Mal hatte sie ihm diese Frage in ihrem ersten Jahr als Lehrerin in Hogwarts gestellt. Sie hatte ihm seinen Patronus schnitzen und als Weihnachtsgeschenk schenken wollen, doch er hatte ihr nicht geantwortet.

„Eine Hirschkuh.", antwortete er nach einer kurzen Stille. „Lilys Patronus, oder?", fragte sie ihn, ohne dass ihre Stimme verriet, was sie davon hielt. Severus nickte. „Es tut mir leid, Amina.", sagte er nach einigen Sekunden des Schweigens. „Das muss dir nicht leidtun, Severus. Ich weiß, dass du sie liebst. Das wirst du immer. Ich kann es spüren. Sie hat dich glücklicher gemacht, als dass ich es je können werde. Du würdest dich immer für sie entscheiden, wenn du die Wahl treffen müsstest. Ich weiß das, aber solange ich trotzdem bei dir sein darf, ist es für mich in Ordnung.", sagte sie und sah ihm mit warmem Auge an.

Sie sagte die Wahrheit. Sie hatte sich von Anfang an geschworen, sich nicht mit einer Toten messen zu wollen. Severus empfand etwas für Amina, das wusste sie. Doch waren seine Gefühle Lily gegenüber immer stärker als ihr gegenüber. Das musste sie akzeptieren, auch wenn es ihr einen kleinen, ungewollten Stich versetzte.

Er strich ihr über die Wange. „Ich habe dich nicht verdient.", stellte er fest. „Wir haben uns beide nicht verdient und doch sitzen wir hier und genießen es." Zustimmend brummte er und zog sie näher zu sich. 

Die Alchemistin - Bis in den TodWhere stories live. Discover now