32 - Annabell

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Mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen lag ich im Bett. Zwischenzeitlich hatte ich einen Krampf in der rechten Schulter gehabt. Das Bett war zu weich. Ich versank in ihm. So wie in den Gedanken an Gian. Sein Lächeln, seine Augen. Seine braunen Haare. Die rote Färbung war nach und nach wieder herausgewaschen worden. Er durfte nicht sterben! Aber was konnte ich in diesem sterilen, weißen Raum schon großartig machen? Draußen wartete der Tod auf mich. Durch die Gian gestellte Falle oder durch den Töter.

Als mir die ersten Tränen über die Wange rollten, wurde die Tür abermals geöffnet. Der Töter hatte einen Briefumschlag in der Hand. Etwas sehr ungewöhnliches. Selbst die Bücher im Wohnzimmer meines Vaters waren nur mit einer Sondergenehmigung gedruckt worden, da man befürchtete, Dateien auf einem Handpad könnten gehackt werden.

Der Töter machte die Fesseln an meinen Handgelenken ab und reichte mir den Brief. Er fühlte sich kalt an in meiner Hand, die sofort anfing zu kribbeln, als wieder Blut in sie strömte.

Ich öffnete den Brief. Ich las den Brief. Ich zerriss den Brief. Die Stelle, die den Hass am stärksten in mir aufwallen ließ, war folgende:

Dein Töter Fernando Andrews wird dir diesen Brief überreichen. Er war auch der Töter deiner Mutter. Grade mal am Anfang seiner Kariere, wurde er ihr zugeteilt. Aber er hat versagt. Deswegen ist er nun der Beste. Er versucht, diese Schmach zu tilgen. Es tut mir leid, dass auch du sterben musst. Aber läuft es nicht immer darauf hinaus?

Sei mir nicht böse, wenn du diese Zeilen liest. Ich habe ein Herz. Aber es wurde gebrochen.

Die Welt nimmt ihren Lauf. Wir haben unsere Rolle in ihr gespielt. Nun ist es Zeit zu gehen und sie sich selbst zu überlassen.

Nichts ist böse, man muss nur den Zweck und Hintergrund erkennen.

Dein Vater, Leon Lannen

Jegliche, verdammt nochmal, jede einzelne Szene aus meinem Leben hatte sich als Lüge erwiesen. Er hatte es die ganze Zeit gewusst.

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