Kapitel 11 - Der fehlende Schlüssel

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„Das wurde auch Zeit", antwortete Roger daraufhin genervt und Robin trat mit Marian in den Raum. Er musste sie den ersten Schritt ein wenig hinterher ziehen, dann hielt sie mit ihm mit.

Einige Gegenstände waren in Kisten zusammengerafft worden, so wie alles, was vielleicht auch nur ansatzweise von Wert war. Silberne Teller, Gabeln, Messer, Ketten... auf dem Zähltisch lagen sogar Eheringe. Auf Pergament waren Familiennamen und Summen dazu notiert.

„Das Zeug stapelt sich hier schon und steht überall im Weg."

'Das würde es nicht, wenn es im Besitz der Menschen wäre, die es brauchen du gieriger Geier!' dachte Marian und hoffte inständig, dass man ihrem halbverdeckten Gesicht die pure Abscheu nicht ansah.

Der aufgestaute Zorn in ihr ließ ihren Magen flau werden. Auf dem Pergament waren auch Tiere und beschlagnahmte Gehöfte oder Land notiert. Marians Finger umfassten das Heft des Schwertes, das an ihrer Seite baumelte fester und vergrub vor Frust ihre Fingernägel in dem weichen Leder des Griffs. Sie nahmen den Menschen wirklich alles.

'Dafür fahrt ihr zur Hölle.'

„Stellt die Kiste dorthin", befahl Roger und Marian umrundeten den Tisch seitlich, wo sie die Truhe auf dem Boden abstellten. „Wie siehst du denn überhaupt aus? Dein Wappenrock sitzt ganz schief."

Marian warf einen unruhigen Seitenblick zu den Wachen. Durch ihre Tarnung hatten sie alle Vorsicht fallen lassen. Einer schenkte sich und einem seiner Kumpanen gerade etwas aus einem Krug ein - vermutlich verwässertes Ale, denn richtig zu trinken, würden sie nach der Drohung des Sheriffs nicht wagen.

Robin beugte sich gerade herunter, um den Deckel der Truhe zu öffnen.

>>Klack<<

Robin erstarrte.

Die Truhe war verschlossen.

Robin glotzte auf das schwere Eisenschloss, die dicken Scharniere und Eisenbänder. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn.

„Los, gib mir den Schlüssel." Der Zähler streckte die Hand aus.

Die verkleidete Marian starrte von der ausgestreckten Handfläche zu Robin. Er sah zurück und beide hatten den gleichen Gedanken: 'Schlüssel?!'

Oh nein. Sie hatten die Wachleute nicht durchsucht!

Ihre Blicke warfen stille Worte von einem zum anderen und für einen kurzen Moment peinlicher Stille war es so, als ob sie in ihren Gedanken miteinander stritten.

'Was für ein Schlüssel?'

'Woher soll ich das wissen!'

'War da ein Schlüssel?'

'Wie konntest du das übersehen!'

„Worauf wartest du?", schnarrte Roger neben Robin und beendete den lautlosen Dialog.

Marians Gedanken rasten indess und suchten panisch nach einer Lösung. Es gab immer einen Weg, immer eine Möglichkeit. Was konnten sie sagen, um diesen dummen Fehler auszugleichen?

„Was dauert das denn so lange?" Roger verlor langsam aber merklich die Geduld.

'Was tun wir jetzt?', fragte Robins gehetzter Blick.

Marian wusste keine Antwort. Sie öffnete und schloss den Mund wieder, ohne dass ein Wort über ihre Lippen kam. Sollten sie flüchten? Sagen, dass sie den Schlüssel verloren hatten?

„Die Truhe... das Schloss scheint verklemmt zu sein", griff Robin wohl die gleichen Gedankenfetzen auf, wie Marian.

Nun drehte sich einer der anderen Wächter um und trat an Robin heran - wohl um zu sehen, was das Problem war.

Da traf Robins Blick wieder auf den von Marian. Und sie beide erkannten, dass es nur eine Möglichkeit gab.

Verdammt.

„Gib mir den Schlüssel, vermutlich klemmt sie nur", meinte der Mann und beugte sich herunter, um Robin mit dem störrischen Mobiliar zu helfen.

Da trat dieser einen halben Schritt beiseite und seine Finger schlossen sich um den Metallgriff. Dann griff er mit der zweiten Hand ebenfalls danach - und zog die Truhe anschließend mit aller Kraft nach oben. Hartes Holz und Eisen traf gegen den Helm des Wachmannes. Ein lautes >>Klonk!<< schallte durch den Raum, der Wachmann fiel zur Seite um und blieb regungslos liegen.

Robin verlor keine Zeit. Noch während Rogers Augen sich weiteten und die Erkenntnis seine Züge in Fassungslosigkeit tränkte, griff Robin bereits zur Seite. Er überrumpelte den verdutzt dreinblickenden Zählmeister mit Leichtigkeit. Ein eiserner Griff in den Nacken und mit einem lauten Schlag schleuderte er Rogers Stirn auf die Tischplatte. Es rumpelte laut, die Haufen von Münzen fielen um und rasselten. Silberne Taler kullerten von der Platte und rollten surrend über den Boden hinweg zu ihren Füßen.

„Es ist Hood!"

Die erste Wache griff Robin mit einem mächtigen Streich seines Schwertes an, doch jener wich geschickt aus und konterte mit einem schnellen Hieb auf die Hand des Angreifers. Sofort ließ der Wachmann sein Schwert fallen und schrie vor Schmerzen auf. Robin nutzte die Gelegenheit und setzte einen gezielten Tritt gegen den Brustkorb der Wache, sodass es ihn zu Boden schleuderte.

Ton klirrte, als einer der Schützen seinen Becher fallen ließ und sich eilte, wieder nach der Armbrust zu greifen. Marian jedoch war schneller, obwohl ihre Finger noch starr vor Panik waren, als sie das Holz erfasste und die Armbrust herumriss. Die eiserne Spitze des Bolzens zielte direkt auf die Brust des Wachmannes. Es hätte nur eine Bewegung ihres Fingers gebraucht, einen Zug und einen Schuss.

Der Wachmann riss die Augen auf. Zweifellos glaubte er, in diesem Moment seinem Tod entgegenzublicken. Er taumelte einen Schritt zurück und stieß dabei gegen seinen Kameraden. Harsch schubste dieser ihn aus dem Weg und riss seinerseits die Armbrust nach oben.

Da senkte Marian die Armbrust tiefer und betätigte den Abzug.

Das Projektil schoss davon und bohrte sich, wie eine Nadel durch Stoff, in den Stiefel des Angreifers. Der Wachmann schrie auf, riss die eigene Waffe hoch und drückte ab. Der Bolzen schoss davon und bohrte sich mit einem dumpfen Geräusch in die hölzerne Decke. Marian nutzte diese Gelegenheit, holte mit aller Kraft aus und schlug mit dem Korpus der Armbrust zu.

Metall schepperte, der Wachmann verdrehte die Augen und fiel wie ein nasser Sack zu Boden. Da Marian wusste, dass das Nachladen viel zu lange dauern würde, warf sie die Armbrust beiseite und griff eilig nach dem Schwert an ihrer Seite.

 Da Marian wusste, dass das Nachladen viel zu lange dauern würde, warf sie die Armbrust beiseite und griff eilig nach dem Schwert an ihrer Seite

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Die Königin von Pfeil & BogenWhere stories live. Discover now