Prolog

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Ich wollte die Welt sehen. Ich wollte sie entdecken und nicht in einem Schloss eingesperrt sein, mit einem Mann, den ich nicht einmal mochte. 

Deswegen war ich weggelaufen und ich jetzt war glücklich. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so frei und unbeschwert gefühlt. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte und niemand würde mir sagen, dass sich dies nicht für eine Prinzessin gehörte.

Vermissen würde mich sowieso niemand. Nicht mich als Person, nur die Thronfolgerin, aber es gab ja noch meine Schwestern.

Seit fünf Tagen war ich jetzt unterwegs und mittlerweile taten nicht nur meine Füße weh, ich hatte auch Hunger und war müde. Zwischendurch hatte ich zwar ein paar Beeren und Pilze gegessen und mich auch zum Schlafen unter Bäume gelegt, aber ich war puren Luxus gewohnt und mein Körper musste sich wohl erst an die anderen Bedingungen anpassen.

Als ich plötzlich einen Lichtschimmer in der Dämmerung wahrnahm, beschleunigte ich meine Schritte und fand mich kurze Zeit später vor einem...ja, was? Ich hatte keine Ahnung. Leise seufzte ich. Warum hatte unser Privatlehrer uns nicht sinnvolle Dinge beigebracht und nicht nur die ach so tolle Geschichte unserer ach so ehrwürdigen Familie? 

Ich stand vor einem alten Fachwerkhaus dessen Fenster hell erleuchtet waren. Von drinnen hörte ich Gelächter und Stimmen. Es waren also noch andere Menschen hier mitten im Nirgendwo unterwegs. Ob ich einfach eintreten durfte? Wieder seufzte ich leise. Das hatte man davon, wenn man sein Leben lang in einem Schloss verbracht hatte und nie wirklich raus durfte.

Als sich plötzlich die Tür öffnete und zwei Gestalten aus dem Haus kamen, zucke ich zusammen. „Was stehst du denn hier so rum? Geh doch rein", meint einer der beiden. Ein kräftiger, etwas älterer Mann mit braunem ungepflegten Haaren und einem genauso ungepflegten Bart. „Äh.. ja, wollte ich gerade tun, Sir", antwortete ich schnell und musste mich dazu zwingen, beim Anblick des Mannes nicht die Nase zu rümpfen. Er sah mich kurz komisch an, hielt mir aber weiter die Tür offen und ich trat schnell ein. Komisch, er hat mich sogar geduzt.

Im Inneren des Fachwerkhauses war es hell und warm. Menschen allen Alters und Aussehens saßen an großen, runden Tischen und unterhielten sich laut. Keiner blickte auf als ich eintrat und ich sah mich schnell um. 

Gegenüber der Tür gab es eine große Theke und links in einer Ecke führte eine schmale Holztreppe in die zweite Etage. Die kleinen Fenster waren dreckig und weder der Boden noch die Tische waren gewischt und sauber.

Der Anblick war so ungewohnt, dass ich mich erst daran gewöhnen musste. „Was stehst du hier so rum? Haste etwa noch nie ne Kneipe gesehn?", sprach mich ein dreckig aussehender Mann, der an einem Tisch zu meiner Rechten saß, an und die anderen an seinem Tisch lachten. 

„Nein, tatsächlich habe ich noch nie eine Kneipe gesehen", murmelte ich so leise, dass es niemand außer mir verstand. Schnell ging ich nach vorne zur Theke, an der ebenfalls Hocker standen. 

Hinter der Theke war ein vielleicht sechzehn Jahre alter Junge damit beschäftigt Gläser mit einem alten Lappen zu putzen. Jetzt sah er neugierig auf und musterte mich. Er hatte braune, strubbelige Haare, Sommersprossen und freundliche braune Augen. Er trug eine Schürze und darunter ein hellbraunes, einfaches Hemd und eine einfache Hose. „Willst du was trinken?", fragte er mich. „Ein Wasser...bitte", antwortete ich langsam. Der Junge zog erstaunt die Augenbrauen hoch und reichte mir dann ein Glas mit Wasser. 

Dankend nahm ich das Wasser entgegen. Getrunken hatte ich in den letzten Tagen auch viel zu wenig und nun machte sich mein Hunger auch wieder bemerkbar.

„Haben Sie auch etwas zu Essen?", fragte ich vorsichtig. Der Junge lachte. Warum zur Hölle lachte er jetzt? Ich war sichtlich verwirrt. „Du bist neu hier, oder?", fragte er belustigt. Ich nickte, immer noch verwirrt. Auch er hatte mich die ganze Zeit geduzt. Anscheinend hatte ich noch viel zu lernen. 

„Du kannst ruhig du sagen, ich heiße Jack", meinte Jack, „und klar haben wir was zu Essen. Was hättest du gerne?" „Ist mir egal, Hauptsache irgendwas essbares", erwiderte ich. Jack lachte. Ich mochte sein Lachen, es war so unbeschwert und echt. „Das kriegen wir hin", meinte er und verschwand kurz durch eine Holztür hinter der Theke. 

Kurze Zeit später kam er mit einem Teller wieder. Auf dem Teller lagen zwei dicke Scheiben Brot, ein Apfel und luftgetrocknetes Würstchen. Keine Pasteten oder anderer aufwendiger Kram wie ich ihn von zu Hause gewöhnt war, nein, einfach Essen und ich war froh darüber. 

Hungrig machte ich mich über das Essen her und Jack sah mir, schon wieder belustigt, dabei zu. 

Ich war so hungrig, dass ich sogar meine Tischmanieren vergaß. Zwischendurch kamen immer wieder andere Leute zum Tresen und bestellten neue Getränke bei Jack. Als ich mit dem Essen fertig war, bedankte ich mich bei Jack. „Kein Problem. Wie heißt du eigentlich?", erwiderte er. „Ich...Luna", antwortete ich. „Schöner Name", bemerkte er. „Danke." 

Ich stand auf und wollte in Richtung Tür gehen. „Luna?", rief Jack mir hinterher. Ich drehte mich um. „Ja?", fragte ich und ging wieder zum Tresen. „Du musst noch bezahlen. Das macht drei Taler", meinte er. Mir wurde schlecht, verdammt, daran hatte ich nicht gedacht. Noch nie hatte ich für etwas bezahlen müssen.

Ich sah ihn zerknirscht an. „Ich hab kein Geld..." Er nickte langsam. „Und du willst mitten in der Nacht weiter durch den Wald laufen?", fragte er plötzlich. „Ja...?", antwortete ich verwirrt. „Keine gute Idee", meinte er. Jetzt war ich komplett verwirrt. „Bleib doch heute Nacht hier und hilf uns ein bisschen, dann ist das mit dem Geld vergessen und morgen kannst du weiter", bot er mir an. Ich sah ihn fassungslos an. Solche Freundlichkeit und Offenheit gegenüber Fremden war ich definitiv nicht gewöhnt. „Oh ja, das wäre toll, ist das wirklich ok?", fragte ich. „Klar, kein Problem. Kennst du dich mit Tieren aus?", erwiderte er. Ich nickte. So oft es ging, hatte ich meine Zeit bei den Tieren im Stall verbracht. „Super, Sally zeigt dir den Weg, sie ist in der Küche", meinte Jack und zeigte auf die Tür, aus der er auch vorhin mein Essen geholt hatte.

Die Küche war ein kleiner Raum in dem alles durcheinander war. „Was machst du hier?", ertönte plötzlich eine Frauenstimme und ich entdeckte eine kleine Frau, die Jack sehr ähnlich sah. Wahrscheinlich war sie seine Mutter. Schnell erklärte ich ihr Jacks Angebot. Sie seufzte kurz. „Gut, ich bin Sally, komm mit", sagte sie dann und ging durch eine Hintertür, die in einen kleinen, aber sehr gemütlichen Stall führte. 

„Du kannst die Tiere versorgen", meinte sie und wollte schon wieder in die Küche gehen, als sie sich nochmal zu mir umdrehen. „Wo willst du eigentlich hin, Mädchen?", fragte sie freundlich. Das war eine gute Frage. Ich hatte keine Ahnung  wo ich hin wollte. „Ich...einfach weg", antwortete ich ehrlich. „Geh nach Fyrd, du siehst aus als könnte es dir dort gefallen und es ist nicht schwer zu finden. Du musst nur dem Waldweg weiter nach Norden folgen und wenn du die ersten Nadelwälder siehst, weißt du, dass du da bist", erklärte sie mir. „Danke, das klingt gut." „Kein Problem", erwiderte sie und ging wieder in die Küche. 

Ich war erleichtert. Jetzt hatte ich einen Plan und Nadelwälder klangen...fremd und irgendwie mystisch. Schon immer hatte ich einen Hang zu allem gehabt, dass mit Magie zu tun hatte. Ich lächelte in mich hinein. Endlich hatte ich ein Ziel.


Queen of Ash and FireWhere stories live. Discover now