20 - [Nicht Schon Wieder]

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Das Auto blieb kurz beim Bordstein stehen, noch einmal richtete sie den Rückspiegel auf uns, bevor sie zu sprechen begann:
,,Falls du noch einmal den Bus verpassen solltest, dann nehme ich dich gern ein zweites mal mit, auch ein drittes und ein viertes"

Wahrscheinlich hätte meine Mutter bis in den Hunderterbereich weiter gezählt, wenn ich sie nicht etwas verunsichert unterbrochen hätte.
,,Mom, du musst los"

Ihr Blick fiel auf die Digitaluhr des Autos, bevor sie kurz erschrak.
,,Oh Gott, raus mit euch" Scheuchte sie uns lachend.
,,Danke noch mal, Miss Baker. Ich werde in Zukunft sicherlich auf Ihr Angebot zurückkommen" Lachte Brooke, bevor sie zusammen mit mir aus dem Auto stieg.

Ihr auto entfernte sich vom Bordstein, doch war ihr Blick heute irgendwie anders, als sie noch mal kurz in den Rückspiegel sah. Sie wirkte aufgeregt. Normalerweise sah sie nur zurück um sicher zu stellen, dass ich auch auf den Schulhof ging, aber heute starrte sie merkwürdig lange.

Erfolglos versuchte ich dieses seltsame Gefühl abzuschütteln und wollte mich vom Bordstein entfernen, um auf den Schulhof zu gehen, doch hielt mich Brooke auf.

Kurz striffen ihre Finger über meine Haut. Sofort stellten sich jedoch alle Härchen auf, dabei war mir gar nicht kalt, im Gegenteil, mir wurde plötzlich so warm.

,,Hey..." Stammelte sie nervös und versuchte mir in die Augen zu sehen, doch konnte sie auf Dauer den Blickkontakt nicht halten.
,,Hey?" Man konnte wohl das misstrauen in meiner Stimme nicht überhören.
,,Wegen gestern Abend" Ein unangenehmes Lächeln zierte ihre Lippen, welches ich nicht sehen wollte.

Es war so unecht und erzwungen gewesen, dass ich am liebsten meine Augen abgewandt hätte, doch konnte ich sie nicht von ihr nehmen. Ich musste sie einfach ansehen.

Brooke senkte ihren Kopf und begann nervös mit dem Schuhen ein Bild in den Steinboden zu malen.
,,Ich wollte dich nicht zu etwas drängen"

Ich verstand nicht. Schon wieder behauptete sie, dass sie mich zu etwas drängen würde, dabei tat sie doch nichts desgleichen.

Meine Augen riss ich verwirrt auf und taumelte einen kleinen Schritt nach hinten.
,,Wovon redest du?"
,,Du hättest nicht bei mir schlafen müssen" Erklärte sie völlig verlegen, dabei sah sie mir ganz kurz in die Augen, nur um schnell wieder ihr unsichtbares Kunstwerk zu betrachten.

,,Brooke" Wisperte ich unabsichtlich ihren Namen so leise, dass der Wind meine Stimme beinahe übertönt hätte.
,,Du hast mich doch nicht bedrängt"

Endlich hob sie ihren Kopf, so, dass wir einander wieder richtig in die Augen sehen konnten.

,,Hab ich nicht?" Wollte sie wissen, als suchte sie mit ihrer verunsicherten Stimme meine Bestätigung.
,,Ich könnte mich niemals in deiner Gegenwart bedrängt fühlen" Rutschte es einfach aus mir heraus.

Ich wollte es nicht so ausdrücken, trotzdem bereute ich meine Wortwahl nicht. Es stimmte schließlich. Noch nie hatte ich mich in der Gegenwart von einer Person so wohlgefühlt, wie in der von Brooklyn.

Brookes Lippen zierten endlich wieder dieses freudige Lächeln, welches mir so sehr gefiel. Es war so ansteckend, dass ich sich ebenfalls meine Mundwinkel hoben.

,,Es tut mir trotzdem leid" Und sofort sanken sie auch wieder.
,,Ich werde diese Entschuldigung nicht annehmen"

Mir gefiel es nicht, wie laut meine Stimme klang, obwohl sie eigentlich nur einen etwas strengeren Ton hatte.

,,Wieso denn nicht?"
,,Weil ich es nicht verstehe"

Verwirrt zog sie ihre Braue in die Höhe.
,,Ich habe dir doch gerade erklärt warum"

Sie steckte ihre Hände in die Taschen ihrer Jeansjacke und zuckte leicht mit den Schultern.

Warum fühlte sich so eine harmlose Geste schon so verletzend an?

Brooklyn schien genervt, dabei war sie es gar nicht. Sie hätte sonst einen ganz anderen Ausdruck getragen, trotzdem hatte sie mich verunsichert

,,Der Unterricht beginnt" Versuchte ich so normal wie möglich zu sagen.
,,Ja, in ungefähr sieben Minuten"

Ja, ich wollte einfach nur nach einer Ausrede suchen, um dieser Situation zu entfliehen.

Das Lächeln von ihrer Miene war verschwunden, während sich meine Muskeln zu anspannen begannen.

,,Sag mir die Wahrheit, Summer, bitte" Ihr Gesichtsausdruck flehte nach einer Antwort, die ich ihr einfach nicht geben konnte. Ich wusste doch schließlich selbst nicht warum.

Meine Stimme suchte nach Worten, doch brachte sie nur brüchige Laute hervor.
,,Bitte, Summer" Flehte sie noch einmal, trat dabei sogar einige Schritte auf mich zu. Es war genau wie zuvor, sie zögerte mich zu berühren, dabei wollte sie es.
,,Ich weiss es doch selbst nicht"

Mit dieser Antwort gab Brooklyn sich nicht zufrieden, ich allerdings auch nicht.

,,Wir sollten reingehen" Seufzte sie, aber lächelte mich dafür an. Ihr Lächeln war wie eine Art Trostpflaster, welches ich verunsichert und unwohl akzeptierte

Still liefen wir über den Hof. Ich konnte die Blicke der anderen auf mir spüren.
,,Entschuldige" Sagte Brooke jedoch und ließ mich alles vergessen.
,,Wofür?"

Ein kurzes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, welches jedoch sofort wieder verschwand, als sie die Tür zum Gebäude öffnete.
,,Das ich dich bedrängt habe" Schnaubte sie und versuchte sich ein Lachen zu verkneifen.

Zwar fühlte ich mich vorhin wirklich in die Ecke gedrängt, doch wollte ich das selbe Gespräch nicht noch einmal führen.

Auf diese Art mit ihr zu reden, fühlte sich an, als würde jemand meine gesamte Energie aus dem Körper saugen.

Es war anstrengend, und ich war nicht bereit dafür.

,,Nicht das schon wieder" Seufzte ich, dabei war unser Gespräch nicht einmal zwei Minuten her. Genaugenommen war es auch nicht wirklich beendet gewesen.

Ihr Gelächter füllte meine Ohren.
,,Entschuldige" Sagte sie nun zum dritten Mal. Ich erwartete ihre nächste Antwort schon, jedoch wurde ich positiv überrascht.
,,Lass mich dich wenigstens zum Essen ausführen"

Etwas im Schock blieb ich stehen, während sie zum Halt im Türrahmen des Klassenzimmer kam. Mit einem Lächeln sah sie mich an, als hätte sie diese Reaktion erwartet

,,Und, was sagst du?" Ehrlich gesagt, empfand ich das als eine schlechte Idee, doch war etwas an ihrer Einladung so aufregend.
,,Okay" Nuschelte ich noch immer etwas neben mir. Sie war unglaublich.

Ich wusste jetzt schon, was für ein Kraftakt das war. Es war nicht leicht meiner sicheren Umgebung zu verlassen, geschweige denn für eventuell mehrere Stunden.

Aber ich wollte es. Mit ihr. Mit keinem anderen. Wahrscheinlich weil ich mich mit niemandem anderem getraut hätte.

Langsam bekam Brooklyn wirklich die sichere Person, zu meinem sicheren Ort.

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