12.

110 17 11
                                    

Mike

Die Frage kam völlig unerwartet. Ich war verwirrt und so überrascht wie man nur sein konnte. Annie will mich sehen, endlich - ging es mir durch den Kopf. Und dann sofort- Scheiße, warum ausgerechnet jetzt? Mir wurde heiß und dann eiskalt. Ich saß da wie erstarrt, überfordert und begann schlagartig zu schwitzen. Nervös trommelte ich mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte herum. Ich sollte meine Antwort nicht zu lange hinauszögern, sonst würde sie sich nur nach dem Grund fragen.

Natürlich will ich das immer noch. Hast du etwa deine Meinung dazu geändert?

Vielleicht...ich hab in den letzten Tagen öfter darüber nachgedacht und dass du genau vorhin an mich gedacht und mich gefragt hast, ob ich ok bin, das kommt mir vor wie ein Zeichen. Ich war völlig aufgelöst und ...eigentlich glaube ich ja nicht an sowas. Vielleicht bin ich heute auch einfach zu emotional, nicht zurechnungsfähig und sollte lieber ins Bett gehen. Aber wie denkst du darüber? So generell?

Du kennst doch meine Meinung dazu, Annie. Daran hat sich nichts geändert. Trotzdem solltest du dir sicher sein, dass du das wirklich möchtest. So lange kann ich schon noch warten.

Aber was, wenn ich mir nie sicher sein werde? Vielleicht muss ich einfach mal über meinen Schatten springen. Ich bin ja sonst auch nicht so ängstlich.

Ich weiß ich soll dich nicht danach fragen, aber ich kanns mir nicht verkneifen. Was ist heute passiert? Hat dein Sinneswandel damit zu tun?

Schon gut. Es ist ja auch doof, etwas anzudeuten und dann nicht damit herauszurücken. Das kann ich bei anderen auch nie leiden. Die Sache ist, ich hatte einen wunderschönen Nachmittag und Abend mit Vroni und dann hab ich auf dem Heimweg Simon getroffen. Es hat in Strömen geregnet und er hat mich nach Hause gefahren. Bei der Gelegenheit hat er das Gespräch mit mir gesucht und mir eröffnet, dass er Vater wird. Er wollte es mir persönlich sagen, weil das ein sehr sensibles Thema zwischen uns war. Und ehrlich gesagt kann ich damit auch gar nicht gut umgehen. Das hat mich völlig unvorbereitet getroffen und das sollte es nicht, mich so treffen.

Kinder und Familie gründen. Das war euer Thema?

Ja immer wieder. Ich wusste im Grunde immer, dass das Simons Lebensplan ist und war. Die Schreinerei seiner Familie weiterführen und selber eine kleine Familie gründen.

Und du hast das nicht gewollt?

Kann ich dir gar nicht so eindeutig beantworten, weil relativ früh klar war, dass ich keine Kinder haben kann, bzw. dass es sehr schwierig sein würde. Ich hatte mit fünf eine Blinddarm-OP, die nicht ganz glatt lief. Diese Vernarbungen und Verwachsungen von damals haben mir immer wieder Probleme gemacht und bei einer späteren Folge-OP wurde zwar versucht das weitestgehend zu beheben, aber mir wurde dann auch ganz klar kommuniziert, dass ich mir keine großen Hoffnungen auf Kinder machen sollte bzw. dass es auch nicht unbedingt empfehlenswert für mich wäre. Da war ich achtzehn. Wir waren sehr jung und sehr verliebt. Da spielte das noch keine so große Rolle zwischen uns aber später hat sich das dann geändert. Ich wusste, dass Simon damit immer schlechter zurechtkam, auch wenn er es abstritt. Ich hab es mit der Zeit einfach immer deutlicher gespürt. Jedes Mal wenn in unserem Umfeld ein Baby zur Welt gekommen ist, hab ich seine sehnsüchtigen Blicke bemerkt und wie still und in sich gekehrt er dann wurde. Es war sehr schwer mit anzusehen. Ich konnte ja nichts an unserer Situation ändern. Ich konnte nur irgendwann gehen. Das ist natürlich sehr verkürzt dargestellt. Das war ein sehr langer und schmerzhafter Prozess.

Das tut mir sehr leid, Annie.

Muss es nicht. Es ist ok. Ich weiß wirklich nicht, ob ich überhaupt Kinder gewollt hätte. Wahrscheinlich nicht. Ich hab so gar nichts Mütterliches oder Selbstloses an mir, fühle mich relativ schnell eingesperrt und unfrei. Ich würde wahrscheinlich keine besonders gute Mutter abgeben und hätte mich vielleicht nur ihm zuliebe drauf eingelassen, oder eben nicht. Das Resultat wär also wahrscheinlich dasselbe gewesen. Ich bin fein damit -eigentlich.

Wo wir frei sindWhere stories live. Discover now