Sugarcoated Air

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Die Luft war stickig und die aggressive Sommersonne brannte mir in den Nacken, während ich durch die Innenstadt schlenderte. Ich hatte mein Ziel klar vor Augen, aber hatte nicht die Energie mich zu beeilen, auch wenn ich das vermutlich sollte. Schließlich bog ich in eine kleine Seitengasse ein und steuerte einen Laden an, der sich zwischen einem Tattoostudio und einem merkwürdigen Kristallgeschäft befand. Genau wie jeden Donnerstag betrat ich den kleinen Süßigkeitenladen und wurde von quietschenden Dielen und einer zuckrigen Luft begrüßt. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um all die Süße in mir aufzunehmen. Es war jede Woche wieder einzigartig.

„Wunderschönen guten Tag", säuselte eine Stimme zu meiner Linken. Ich zog meine Kopfhörer aus den Ohren und drehte mich ihr zu, mit der vollen Erwartung in das faltige, freundliche Gesicht von Silke zu blicken. Hinter der Theke stand aber nicht Silke. Statt meiner Lieblingskassiererin lächelte mir ein Mädchen in meinem Alter entgegen.

Ihr Gesicht war zierlich und ihre erdbeerblonden Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten. Unter der blauen Mitarbeiterschürze trug sie ein babypinkes T-Shirt. Ihr Nase war geziert von Sommersprossen und ihre auffällig hellen grünen Augen blitzten mir entgegen.

„Du bist nicht Silke", stellte ich stumpf fest und sie blinzelte lächelnd.

„Silke ist in Italien, ich bin Jamie, freut mich", stellte sie sich vor, während sie auf ihr Namensschild tippte, das an ihre Schürze geheftet war. Ich nickte langsam und trat in den Laden. Der Boden knarzte unter jedem Schritt meiner Sneaker und ich stellte fest, dass die überzuckerte Luft auch noch ziemlich warm war. Der klapprige Ventilator in der Ecke konnte, trotz aller Bemühungen nicht viel gegen die Julihitze ausrichten.

Das Mädchen in den Hintergrund geschoben, betrachtete ich die vielen Regale, die sich seit letzter Woche nicht verändert hatten. Schnell schritt ich zu den veganen Süßigkeiten, welche einen Drittel der Auswahl ausmachten. „Wenn du irgendwas probieren willst, sag mir Bescheid!", hörte ich Jamie dann rufen. „Alles klar!", rief ich zurück, obwohl das für mich kein neues Konzept war. Ich war überzeugt, dass ich mehr Zeit in diesem Laden verbracht hatte als das fremde Mädchen bisher. Und wahrscheinlich hatte ich bisher jede vegetarische Süßigkeit probiert, die dieser Laden anzubieten hatte. Allerdings wollte ich nicht so wirklich daran denken wie viel Geld ich schon hiergelassen habe.

Ich griff in das Regal und nahm eine Packung Gummietierherzen heraus, die ich mit meinem kleinen Bruder teilen wollte. Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, ging ich dann zur Theke, um zu bezahlen. Mein Bus kam demnächst und ich war mal wieder zu spät dran. Jamie lächelte mich an. „Die Trioliebesherzen, ja?" Grinsend nickte ich. Ich spürte ein wenig Fremdscham als sie den ulkigen Namen aussprach. „Musstest du die Namen auswendig lernen?", fragte ich frei heraus und Jamie kratzte sich verlegen am Kopf. „Nicht unbedingt, aber ich dachte es kommt gut an." Ich lachte. „Du bist neu hier, richtig?" Jamie nickte und nahm mir die Tüte ab, um sie einzuscannen. „Ja, ich arbeite hier über die Ferien. Bin bisschen pleite und der Laden ist niedlich", erklärte sie.

„Und im Bewerbungsgespräch hast du dich hingesetzt und einfach alle Süßigkeitennamen runtergerattert?"

„Ach nein, ich hatte kein Bewerbungsgespräch. Silke ist meine Tante und hat mich hier eingeschleust." Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch und blickte Jamie nochmal etwas genauer an, um Ähnlichkeiten zwischen ihr und der älteren Dame zu finden. Vielleicht die Nase. Oder die Stimme? Vielleicht hatte Silke in ihrer Jugend ja auch rote Haare. Jetzt waren sie auf jeden Fall weiß, aber ich war der Meinung mal gelesen zu haben, dass rote Haare weiß werden. Vielleicht waren sie auch nur gefärbt?

Ich entschloss mich, mich ein anderes Mal mit Silkes Haarfarbe zu beschäftigen, da Jamie mich abwartend ansah.

„Silke hat mir nie erzählt, dass sie eine Nichte hat." Ich sagte das so als wären Silke und ich alte Freunde, obwohl ich sie jede Woche nur maximal fünf Minuten sah. Aber die Frau redete einfach gerne und plauderte so Einiges aus. „Aber sie hat von dir erzählt", entgegnete Jamie dann und ich zog meine Augenbrauen noch höher. Mittlerweile musste ich ziemlich irritiert aussehen. „Hat sie?"

You are creating all the bubbles at night || gxgWhere stories live. Discover now