Die Lobby (Level 0)

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Ein Tagebuch ohne Datum zu beginnen, ist schwierig. Aber wie auch. Hier existiert weder Zeit noch Raum noch sonst irgendwas, was ein Mensch sich ausgedacht haben könnte. Sogar mein Kompass blieb einfach stehen. Was für mich einmal eine Minute war, ist hier eine Stunde oder umgekehrt. Ist hier überhaupt ein Ort, oder bloß eine Art Vorhölle? Ich bin nie wirklich gläubig gewesen, doch hier wird man es- ob man will oder nicht. Die Stille schmerzt förmlich in den Ohren, die Einsamkeit schneidet Risse in meine abgemagerte Seele. Die hässliche, senfgelbe Tapete und der weiche Fußboden in der gleichen Farbe lösen einen Brechreiz in meinen Augen aus und der Geruch ähnelt einer schlecht gelüfteten Studentenbude aus den 70ern. So gelb und still.

Bis die Stille dann wieder unterbrochen wird von dem elektrischen Surren der fluoreszierenden Neonröhren an der Decke oder dem Schrei einer anderen Seele, deren Ruf bis in meine Ebene vordringt. Auf jeden Fall muss es andere Ebenen geben, denn begegnet bin ich nach einem solchen Schrei noch niemandem. An diese Geräuschkulissen hab' ich mich mittlerweile gewöhnt. Nur nicht an das sonore, säuselnde Geheule der Enternitäten, die in den Schatten wohnen. Dünne mechanische Monster, die auf zwei verkabelten Eisenstangen staksen. In dieser Situation hilft nur eines: Blindlings losrennen, so schnell einen seine Füße tragen und niemals nach hinten sehen.

Vor einiger Zeit bin ich auf einen weiteren Wanderer gestoßen, der steif und fest behauptete, er müsse zurück zu seiner Kolonie. Allerdings fiel dieser wenige Zeit später einer dieser Kreaturen zum Opfer- ich schaffte es zum Glück noch rechtzeitig mich in die Schatten einer gelbtapezierten Sackgasse zu retten, während die hagere Enternität ihre Kabel und Eisenrohre in des Wanderers Körper bohrte und ihn schlürfend aussaugte. Ich vernehme noch immer seine schmerzerfüllten Schreie, während diese von dem hämischen Röcheln der Kreatur überspielt wurden.

Je weiter ich komme, desto mehr schwindet meine Hoffnung dem spröden, wie von Aliens geschaffenen Fiebertraum zu entrinnen. Nur wenn der gerillte gelbe Teppichboden und die schwarz gemusterte Tapete von einem schwarzen Graffito- Pfeil oder einer geschmierten Kritzelei unterbrochen wird, weiß ich, dass ich noch lebe. Zusammen mit anderen Menschen, denen etwas Ähnliches widerfahren ist.

Seitdem ich hier angekommen bin, fühle ich mich nicht mehr müde. Erschöpfung tilgt meine müden Gliedmaßen zwar ununterbrochen, doch das Bedürfnis nach Schlaf scheint in dem Aufzug, aus dem ich kam, hängen geblieben zu sein. Alle anderen menschlichen Bedürfnisse funktionieren dagegen normal. Manchmal finde ich einen deplatziert wirkenden, weißen Büroschreibtisch, der ein Stück Brot, Dosen oder Mineralwasser enthält. Die leeren Flaschen dienen dann zur Verrichtung der Notdurft.

Ich werde wohl früher oder später auch von diesen Viechern grausam ausgesaugt werden... oder ich beende es aus freien Stücken. Ich werde es noch eine Weile versuchen, doch wenn ich in den nächsten 20 Meilen wieder auf einen Korridor ohne Ende stoße oder das Dröhnen der finsteren Bestien wahrnehme, werden mich die Schlaftabletten in meinem Rucksack hoffentlich von meinem Leid erlösen. Mach's gut, grausame Welt! 

The Backrooms- A pilgrims storyWhere stories live. Discover now