„Also sag mal, willst du etwa meine Backkenntnisse in Frage stellen? Selbstverständlich ist der von mir höchstpersönlich.", meinte ich entrüstet. „Sorry.", sie grinste. „Dann setzt dich schon Mal hin du Backfee. Ich mach noch eben Kaffee für uns."

„Wo ist denn meine Valentina? Kita fällt doch auch flach oder?"

„Ja gibt ne Notbetreuung, aber ich bin eh grad zu Hause und der Josef macht auch überwiegend Homeoffice. Er ist mit ihr zu seinen Eltern gefahren. Dann haben wir ein bisschen Ruhe. Du siehst die beiden nachher noch. Du bleibst doch zum Abendessen, oder? Ich lass dich so schnell nicht gehen." Sie stellte eine Tasse vor mich hin und setzte sich zu mir. Ich strahlte sie an. „Du siehst so gut aus, Vroni und es tut so gut dich zu sehen."„ Ja ich schau vor allem sehr propper aus. Ich hab wegen dem ganzen Homeoffice und Lockdown-Kram mindestens fünf Kilo zugenommen. Aber erzähl du erstmal. Geht's dir gut? Irgendwelche Neuigkeiten, die du mir noch vorenthalten hast?"

„Nein nix Aufregendes. Mama und Papa sind sehr erleichtert und froh, dass ich da bin. Jakob ist der gleiche Stinkstiefel wie immer. Im Hotel ist gespenstische Ruhe. Wenn das Wetter so bleibt, werde ich mich schnell im Büro einarbeiten und schauen was ich Mama abnehmen kann. Sonst komm ich mir total nutzlos vor. Es ist echt seltsam für mich. Ich hab null Pläne, weil man aktuell einfach keine vernünftigen machen kann. Sonst spring ich halt auch mal an der Rezeption ein, kümmere mich um Werbung und es gibt immer so viel zu tun, aber im Moment..." Ich hob die Schultern etwas ratlos. „Mama hat mich gestern schon dazu gebracht, die private Wanderführerin für ihren aktuellen Lieblingsgast zu spielen." „ Ihr habt doch nur Arbeiter oben, oder? Ach das erklärt Einiges. Man munkelt hier nämlich schon,du hättest einen Engländer mit nach Hause gebracht."

„Hä?"

„Na, dir ist doch klar, dass du nicht mit einem fremden Mann durchs Dorf spazieren kannst, ohne dass das irgendwem auffallen würde. Gerade aktuell, wo sonst überhaupt nix los ist. Ich wurde beim Bäcker heut früh schon danach gefragt, ob du denn wieder da bist und das eventuell nicht allein."

„ Ja naaaatürlich. Die böse männerfressende Leitner-Tochter halt wieder. Jetzt hat sie sich auch noch einen Engländer mit nach Hause genommen. Aber so war sie ja schon immer. Dem armen Simmerl hat sie ja auch so unrecht getan und ihm das Herz gebrochen....Blablabla..."Ich verdrehte die Augen. „Wir haben ein paar Leute von der Molkerei oben und einen Gast, der bei uns sein Homeoffice macht, weil er zu Hause einen Wasserschaden hat. Den hab ich gestern zum Wandern mitgenommen, weil Mama mich drum gebeten hat. That's it." Ich klang immer noch angesäuert und trotzig.

„Ach Anni, das sind nur ganz Wenige, die so über dich denken, denen ist halt grad allen so langweilig. Das Gerede hat wirklich stark nachgelassen. Es ist ja einige Zeit vergangen und seit Simon mal ein Machtwort gesprochen hat, trauen sie sich das wohl auch nicht mehr. Zumindest ich hab lange nichts mehr in die Richtung gehört."

„Ist ja klar, dass sie das nicht gerade dir auf die Nase binden.. Aber es ist mir auch im Grunde egal.", grummelte ich. „Aber was hat Simon denn gemacht ? Was meinst du denn?"

„Ich hab dir das nie erzählt. Es ist auch schon ne Weile her. Es war irgendein Fest noch vor dem ganzen Pandemie-Wahnsinn und Simon war schon mit Natalie zusammen. Zu späterer Stunde kam irgendwann das Gespräch auf die beiden und das sie doch ein so schönes Paar seien. Natalie war nicht mehr da, aber Simon saß dabei und wir am Tisch daneben. Irgendjemand fing dann damit an auch über dich zu reden. Dass er jetzt viel besser dran wäre, weil du einfach keine Frau für was Ernstes gewesen seist. Das es absehbar war, dass es nicht gut ausgehen konnte. Er solle doch froh sein, dass er jetzt ein so nettes, bodenständiges und anständiges Mädel gefunden habe. Die Leitnerin ist vielleicht ein ganz hübscher Feger, aber mit solchen Frauen wird man nicht glücklich auf Dauer, Simmerl, zum Heiraten und Familie gründen ist die nicht gemacht, hat dann irgendwer gesagt. Und dann ist er langsam aufgestanden und hat erst gar nix gesagt und dann gemeint, sie seien alle totale Volldeppen, die überhaupt keine Ahnung haben, wovon sie sprechen. Dass sie sich da raushalten und die Klappe halten sollen, weil alles ganz anders gewesen sei. Dass du nie irgendwas Unrechtes getan hast, es im Grunde eigentlich seine Schuld war. Und wer jetzt immer noch schlecht über die Anni redet oder irgendwelche Gerüchte verbreitet, an denen nix dran ist, der lernt mich kennen und der braucht sich in meiner Schreinerei nicht mehr blicken lassen. Das waren seine Worte. Dann hat er seinen Maßkrug auf den Tisch geknallt, das es nur so gescheppert hat und ist stinksauer abgedampft."

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