Kapitel 16: Alte Unbekannte

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"...Und ich darf Ihnen hiermit die höchstmögliche Ehrenwürde des Ordens der Zeitwächter überreichen, in besonderer Ausführung: das Großkreuz der Sodalitas Custodas Temporis!"

Applaus war durch die geschlossene Holztür zu hören.
Vic und Thérèse standen davor und hatten das Ohr dagegen gelegt.
"Scheint, als kämen wir gerade rechtzeitig zu den Festlichkeiten. Schade, dass darüber niemand ein Wort verloren hat. Ich kann ja wie immer die Arbeit machen während alle anderen Feiern", sagte Letztere in ungewohnt pikiertem Tonfall.
Vic warf ihr einen Seitenblick zu. "Gehen wir ...rein?"
Thérèse atmete durch und stieß die schwere Flügeltür auf.

Innen erwartete sie ein kleiner Festsaal, eine Art Rittersaal mit dunklem unverputzten Gemäuer, Kerzenhaltern an den Wänden und dazwischen überall Stehtische auf denen die ersten Sektgläser standen.

Angela Merkel nickte bescheiden in die Runde, auf das der Applaus verstummen sollte und nahm Urkunde und Schatulle entgegen. Dann trat sie hinter das Rednerpult.

"Vielen Dank Peter für diese Laudatio, deinen Worten ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich möchte mich im Gegenzug aber auch bei dir ganz herzlich bedanken, für die vier Jahre in denen du mein Kanzleramtsminister warst, was ein Knüppeljob war, und besonders auch die Zeit danach, die von großem gegenseitigen Vertrauen geprägt war. Daneben bin ich froh, dass heute auch noch weitere meiner wichtigsten Wegbegleiter anwesend sein können, die mir nicht nur politisch in einer prägenden Zeit zur Seite standen, sondern auch ohne zu Zögern ihre Aufgaben hier im Orden angenommen haben. Herzlichen Dank an Anette Schavan, Karl-Theodor zu Guttenberg, Ronald Pofalla und Philipp Rösler. Ich bedanke mich für unglaubliche Loyalität, für unermüdlichen Einsatz in allen Situationen, die uns die Zeit entgegengeworfen hat."

Sie nickte und verließ unter Applaus das Rednerpult.

Die beiden jungen Frauen hatten sich unauffällig in den hinteren Bereich des Saals geschoben. Fragend schaute Vic Thérèse an.
"Willkommen im Sodalitas Custodes Temporis Hauptquatier", meinte diese unaufgeregt, "Wir müssen mit Merkel reden und ihr von dem Maulwurf erzählen."
Vic schnappte sich zwei Glas Sekt von einem Tablett, mit dem ein Saaldiener an ihr vorbei lief und folgte der Zeitreisenden.
Diese schlägelte sich mühelos durch die lockere Menschentraube durch, die sich um die Kanzlerin a.D. gebildetet hatte.
"Frau Merkel, dürfte ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?" Thérèse hatte sie am Ellenbogen gefasst.
Sie schaute verdutzt, ließ sich dann von ihr aber in eine stille Ecke begleiten.
Vic folgte ihnen, als ihr auffiel, dass sie damit nicht mehr und nicht weniger als ein 3. Paar recht überflüssige Augen beisteuerte. "Sekt?", meinte sie unbeholfen und hielt abwechselnd Merkel und Thérèse ein Glas vor die Nase, aber beide verneinten etwas irritiert.

Die Ex-Kanzlerin ließ ihre eigenen Fingerspitzen einander berühren, formte daraus aber noch keine vollständige Raute. "Nun, was gibt es?"
Thérèse seufzte tief: "Ich komme gleich zum Punkt. Wir wurden verraten, jemand hat den Dieb der Zeitmaschine informiert, dass wir ihn suchen."
"Der Dieb ist übrigens Merz, falls das noch nicht bekannt ist", warf Vic ein.
Merkel schaute kurz ausdruckslos – es war ihr noch nicht bekannt – brauchte aber nicht lange, um diese Information zu verarbeiten und rollte eine Sekunde später die Augen, wie sie es sonst nur bei Putin tat. "Natürlich ist es Merz", kam es brummend von ihr.

"Haben Sie einen Verdacht, wer die undichte Stelle sein könnte? Wer war alles in die Mission eingeweiht?"

Sie schürzte die Lippen: "Alle im inneren Zirkel: Peter, Anette, Karl-Theodor, Philipp, Ronald..."

"Das heißt AKK, -ich meine Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Maas nicht? Was haben die eigentlich mit der Sache zu tun?", fragte Vic nach.

"Also das war so...", erläuterte die Ex-Kanzlerin, "Peter und ich haben Verstärkung für unser Team gesucht. So zu sagen einen Regional-Ableger unseres Ordens. Da wir vermuteten, dass sich Merz in sein ehemaliges Wohnhaus in Saarbrücken zurück gezogen haben könnte, bat es sich an, vor Ort jemanden griffbereit zu haben. Außerdem sind die beiden natürlich zwei meiner geschätztesten Minister gewesen. Nach Verlust ihrer Posten brauchten sie eine neue sinnvolle Beschäftigung. Peter konnte sie schnell für uns gewinnen und sie haben gemeinsam das 'Schattenkabinett' gebildet – mit ihm als Lehrmeister für die notwendigen Zaubereien. Sie haben bis dato allerdings keine Kenntnis vom gesamten Ausmaß. In diesen Geheimbund wird nicht jeder sofort eingeführt. – Was mich zu der Frage führt, wen Sie da eigentlich mitgebracht haben, Thérèse?"
Merkel schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an.
"Ähm. Ich bin die Neue", antwortete Vic mit einem angedeuteten Winken für sich selbst und in entschuldigendem Tonfall.

Das SchattenkabinettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt